Abwicklung nichtiger Verträge nach der Saldotheorie


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Klassisches Klausurproblem

K kauft bei V ein Auto. Da K eine gute Verhandlerin ist, zahlt sie für das Auto nur €7000, obwohl es €10.000 wert ist. Das Auto wird weniger später bei K gestohlen. Später stellt sich heraus, dass der Kaufvertrag nichtig war.

Einordnung des Falls

Abwicklung nichtiger Verträge nach der Saldotheorie

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat gegen V einen Anspruch auf Herausgabe des Kaufpreises (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Ein Anspruch aus Leistungskondiktion besteht, wenn der Bereicherungsschuldner (1) etwas (2) durch Leistung des Bereicherungsgläubigers (3) ohne rechtlichen Grund erlangt hat.V hat den Kaufpreis durch Leistung erhalten. Da der Kaufvertrag nichtig ist, fehlte hierfür der Rechtsgrund. K hat gegen V einen Anspruch aus Leistungskondiktion auf Herausgabe des Kaufpreises.

2. In Fällen der Unmöglichkeit der Herausgabe des Bereicherungsgegenstands ist grundsätzlich Wertersatz zu leisten (§ 818 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Kann das Erlangte, die Nutzungen oder das Surrogat nicht (mehr) so, wie sie erlangt worden sind, herausgegeben werden, ist nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Voraussetzung ist, dass das Erlangte wegen seiner Beschaffenheit oder aus einem anderen Grunde nicht (mehr) herausgegeben werden kann. Die Wertersatzpflicht steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Einwendung der Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) nicht greift. K kann das Auto nicht mehr in natura herausgeben, hat also - unter dem Vorbehalt einer Entreicherung - Wertersatz zu leisten.

3. K ist entreichert (§ 818 Abs. 3 BGB).

Ja!

§ 818 Abs. 3 BGB greift nur, wenn (1) der Schuldner nicht mehr bereichert ist und (2) der Schuldner schutzwürdig ist (vgl. §§ 818 Abs. 4, 819 BGB). Der Schuldner ist nicht mehr bereichert, wenn der Bereicherungsgegenstand in keiner Weise mehr in seinem Vermögen vorzufinden ist. Dies ist insbesondere in Fällen des Diebstahls des Bereicherungsgegenstand oder der vollkommenen Vernichtung des Bereicherungsgegenstands der Fall. Das Auto wurde K gestohlen. Es ist kein Gegenwert für das Auto mehr in ihrem Vermögen zu finden. Sie ist vollkommen entreichert (§ 818 Abs. 3 BGB).

4. Die Rückabwicklung des Vertrags erfolgt nach der von der Rechtsprechung vertretenen Saldotheorie durch eine Verrechnung der beiden Bereicherungsansprüche.

Genau, so ist das!

Nach der von der Rechtsprechung vertretenen Saldotheorie sind bei Rückabwicklung eines nichtigen Vertrages die gegenseitigen Kondiktionsansprüche zunächst zu verrechnen (saldieren). Ist ein Bereicherungsgegenstand weggefallen, so ist dessen Wert in Ansatz zu bringen. Verbleibt für die entreicherte Partei ein positives Saldo, so steht ihr ein entsprechender Bereicherungsanspruch zu. Ein negatives Saldo muss sie dagegen nicht ausgleichen. Denn auch bei regulärer Durchführung des Vertrages hätte sie dieses nicht geleistet. K hat den Wert des Autos herauszugeben (€10.000). V hat den Kaufpreis (€7000) an K herauszugeben. Beide Ansprüche sind zu verrechnen. Danach hätte K immer noch €3000 zu zahlen. Die Grenze bildet jedoch der ursprüngliche Kaufpreis.

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TO

Toralf

12.3.2022, 08:06:23

Vielleicht wäre im Rahmen dieses Sachverhalts ein kurzer Vertiefungshinweis über die strittige Anfechtbarkeit eines nichtigen Rechtsgeschäfts sinnvoll.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.3.2022, 14:11:39

Vielen Dank für den Hinweis, Toralf. Heutzutage ist die Anfechtbarkeit nichtiger Rechtsgeschäfte allerdings nicht (mehr) wirklich strittig. Die Kipp'sche

Lehre von der Doppelwirkung im Recht

ist mittlerweilie ganz herrschende Meinung (hierzu lesenswert: Würdinger, Doppelwirkungen im Zivilrecht - Eine 100-jährige juristische Entdeckung, JuS 2011, 769). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Larzed

Larzed

15.5.2022, 15:56:13

Verstehe ich das insoweit richtig, dass im Ergebnis sich nichts ändert? Also V den Kaufpreis faktisch behält und K in Höhe von 3.000€ entreichert ist?

ajboby90

ajboby90

10.11.2023, 16:24:59

Dass K noch 3000 € zu zahlen habe, ist falsch, hier kann nichts kondiziert werden. Stichwort Unter Wert Verkauf Quelle 1: https://lorenz.userweb.mwn.de/skripten/saldotheorie.htm Quelle 2: https://www.studocu.com/de/document/martin-luther-universitat-halle-wittenberg/bereicherungsrecht/losung-saldotheorie/13560801

LELEE

Leo Lee

11.11.2023, 17:10:33

Hallo ajboby90, vielen Dank für die Frage! In der Tat hast du völlig Recht, dass die K nicht die restlichen 7.000 zahlen muss. Beachte jedoch, dass genau aus diesem Grund die letzten Worte der Lösung der letzten Frage „die Grenze bildet jedoch der Kaufpreis“ heißen :) (damit wollten wir andeuten, dass die Grenze bei den 7.000 verbleibt und im Endeffekt die restlichen 3.000 nicht gezahlt werden müssen). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Johannes Nebe

Johannes Nebe

20.3.2024, 08:37:32

"Wollten wir andeuten"?! Wenn ich es richtig verstehe, wird bei einer unter Wert erworbenen Sache die Differenz zwischen Kaufpreis und Wert gar nicht herausgegeben. Hier stehen also die 3000 EUR und die 7000 EUR in gar keinem Zusammenhang. "Die Grenze bildet jedoch der ursprüngliche Kaufpreis" ist hier irreführend. (Und warum "ursprünglich"? Es gibt nur einen Kaufpreis.) 3000 EUR sind eben nicht herauszugeben. Die Subsumtion ist zumindest unklar.

CR7

CR7

31.3.2024, 17:07:15

@[Johannes Nebe](174311) Ich stimme dir zu, die Subsumtion ist etwas unklar. Hier sollte es eher heißen, dass ein Abzug höchstens auf "Null" erfolgt. Ich finde aber sehr wohl, dass die 3.000 EUR und die 7.000 EUR in einem Zusammenhang stehen. Denn der Wert der

Entreicherung

des V (10.000 EUR) wird zum Abzugsposten des Bereicherungsanspruchs des K (7.000 EUR). Bei der Saldotheorie kommt es dann vor allem an, aus wessen Perspektive man rechnet. In der Regel wird rechnet man aus der Sicht der entreicherten Partei, also K -> V, das würde dann so aussehen: Bereicherungsanspruch K - Bereicherungsanspruch V = -3.000 EUR. Aber da der Abzug höchstens auf Null erfolgt, muss K hier keine 3.000 EUR zahlen, die hätte er ohnehin nicht zahlen müssen, da der ursprüngliche Kaufpreis 7.000 EUR betrug und der V sonst besser stehen würde als wenn der Vertrag wirksam wäre. Daher laste ich dem Team hier keinen Fehler an, ich würde es nur besser finden, wenn man diese schwierige Thematik noch kleinschrittiger darstellt, da dann solche Missverständnisse vermieden werden! :-) Schöne Ostern!

JURAFU

Jurafuchs

4.1.2024, 15:47:27

Bei den 3.000-. handelt es sich um einen negativen Saldo. Diese sind nämlich über den im Kaufvertrag verhandelten Kaufpreis. Bei Annahme der Zahlung der 3.000.- würde ein unbilliges Ergebnis entstehen, da der Schuldner besser stehen würde als wenn er den vereinbarten Kaufvertrag einhält. Richtig?

kaan00

kaan00

16.1.2024, 17:09:31

Frage ich mich auch gerade =/

CR7

CR7

31.3.2024, 17:01:25

Also, bei bei der Rückabwicklung eines nichtigen Vertrags findet eine Verrechnung beider Kondiktionsansprüche statt: Hier Kondiktionsanspruch 1 (von K) = 7.000 EUR Kondiktionsanspruch 2 (von V) = 10.000 EUR (Wert des Autos, § 818 II BGB, da das Auto nicht in natura durch K herausgegeben werden kann). Hier hat K das Auto "verloren", welches 10.0000 EUR wert war, K aber 7.000 EUR gekostet hat. Der Wert der

Entreicherung

des V (10.000 EUR) wird also zum Abzugsposten des Bereicherungsanspruchs des K (7.000 EUR), das sieht dann so aus: 7.000 EUR - 10.000 EUR = -3.000 EUR (aus Sicht des K) oder 10.000 EUR - 7.000 EUR = 3.000 EUR (aus Sicht des V). Verbleibt für die entreicherte Partei ein positives Saldo, so steht ihr ein eigener Bereicherungsanspruch zu: Hier ist entreicherte Partei diejenige, die sich auf

Entreicherung

beruft, also K. Dem K steht kein positives, sondern ein negatives Saldo zu. Aber die Grenze für die entreicherte Partei bildet immer der Wert 0. Entweder bekommt sie was oder nicht, aber sie zahlt nicht drauf.


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