Abwandlung: Abnahme entbehrlich

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B möchte nach Bali fliegen. Er beauftragt Taxifahrer U, ihn ohne Umwege zum Flughafen zu fahren, sodass er seinen Flug bekommt. U will jedoch die Aussicht des Stadtparks genießen. U nimmt einen Umweg und verfährt sich dabei. B verpasst deshalb den Flug.

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Einordnung des Falls

Abwandlung: Abnahme entbehrlich

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B und U schlossen einen Werkvertrag (§ 631 BGB).

Ja, in der Tat!

Der Vertragsschluss richtet sich nach den allgemeinen Regeln über das Zustandekommen von Verträgen (§§ 145 ff. BGB). Bei dem Werkvertrag wird ein bestimmter Erfolg geschuldet (§ 631 Abs. 2 BGB). Dies grenzt ihn vom Dienstvertrag ab, bei dem das bloße Tätigwerden geschuldet wird. B und U vereinbarten, dass U den B ohne Umwege zum Flughafen fahren soll. Es wird der Erfolg (das Ankommen am Flughafen, ohne auf dem Weg dorthin Umwege zu fahren) geschuldet.
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2. Das Werk ist mangelfrei (§ 633 Abs. 2 BGB).

Nein!

Das Werk ist mangelhaft, wenn es nicht die vereinbarte Beschaffenheit bei Gefahrübergang aufweist (§ 633 Abs. 2 BGB). Der Gefahrübergang beim Werkvertrag richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Abnahme (§ 644 Abs. 1 BGB). B und U vereinbarten, dass U den B ohne Umwege zum Flughafen bringen soll. U entschloss sich aber einen Umweg zu fahren.

3. B hat das Werk abgenommen (§ 640 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Abnahme kann ausdrücklich oder konkludent erklärt werden. Sie verdeutlicht, dass der Besteller das Werk als vertragsgemäß erbracht anerkennt. Maßgeblich ist die Entgegennahme des Werkes und die Billigung als vertragsgemäß erbrachte Leistung. B konnte rein faktisch die Taxifahrt weder ausdrücklich, noch konkludent entgegennehmen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass er die Taxifahrt als vertragsgemäß gebilligt hat.

4. Da eine Abnahme nicht möglich ist, tritt die Vollendung der Taxifahrt an die Stelle der Abnahme (§ 646 BGB).

Ja, in der Tat!

Eine Abnahme kann nicht erfolgen, wenn sie nach der Beschaffenheit des Werkes ausgeschlossen ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es sich um einen immateriellen - also nicht greifbaren - Erfolg handelt und keine Verkörperung möglich ist. Um dem Besteller dennoch den Anwendungsbereich der Gewährleistungsrechte zu eröffnen, tritt die Vollendung des Werkes an die Stelle der Abnahme (§ 646 BGB). Beispiele sind Theateraufführung, Konzertveranstaltung oder Personenbeförderung. Bei der Taxifahrt handelt es sich um eine unverkörperte Leistung, die nicht im Sinne des § 640 BGB abgenommen werden kann, sodass an die Stelle der Abnahme durch B die Vollendung der Fahrt tritt, § 646 BGB.

5. Kann B Mängelrechte gegen U geltend machen?

Ja!

Die Geltendmachung der Mängelrechte setzt einen (1) wirksamen Werkvertrag, (2) einen Mangel des Werkes und (3) den Gefahrübergang voraus (in der Regel die Abnahme, § 640 BGB). Sofern eine Abnahme nach der Beschaffenheit des Werkes nicht in Betracht kommt, tritt an die Stelle der Abnahme die Vollendung des Werkes. B und U schlossen einen wirksamen Werkvertrag. Das Werk (die Fahrt zum Flughafen) erfolgte nicht vertragsgemäß, da U einen Umweg fuhr. Die Abnahme ist wegen der Beschaffenheit des Werkes ausgeschlossen. Die Vollendung der Fahrt tritt hier an die Stelle der Abnahme (§ 646 BGB).
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