Abwandlung: Abnahme entbehrlich

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B möchte nach Bali fliegen. Er beauftragt Taxifahrer U, ihn ohne Umwege zum Flughafen zu fahren, sodass er seinen Flug bekommt. U will jedoch die Aussicht des Stadtparks genießen. U nimmt einen Umweg und verfährt sich dabei. B verpasst deshalb den Flug.

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Einordnung des Falls

Abwandlung: Abnahme entbehrlich

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B und U schlossen einen Werkvertrag (§ 631 BGB).

Ja, in der Tat!

Der Vertragsschluss richtet sich nach den allgemeinen Regeln über das Zustandekommen von Verträgen (§§ 145 ff. BGB). Bei dem Werkvertrag wird ein bestimmter Erfolg geschuldet (§ 631 Abs. 2 BGB). Dies grenzt ihn vom Dienstvertrag ab, bei dem das bloße Tätigwerden geschuldet wird. B und U vereinbarten, dass U den B ohne Umwege zum Flughafen fahren soll. Es wird der Erfolg (das Ankommen am Flughafen, ohne auf dem Weg dorthin Umwege zu fahren) geschuldet.
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2. Das Werk ist mangelfrei (§ 633 Abs. 2 BGB).

Nein!

Das Werk ist mangelhaft, wenn es nicht die vereinbarte Beschaffenheit bei Gefahrübergang aufweist (§ 633 Abs. 2 BGB). Der Gefahrübergang beim Werkvertrag richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Abnahme (§ 644 Abs. 1 BGB). B und U vereinbarten, dass U den B ohne Umwege zum Flughafen bringen soll. U entschloss sich aber einen Umweg zu fahren.

3. B hat das Werk abgenommen (§ 640 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Abnahme kann ausdrücklich oder konkludent erklärt werden. Sie verdeutlicht, dass der Besteller das Werk als vertragsgemäß erbracht anerkennt. Maßgeblich ist die Entgegennahme des Werkes und die Billigung als vertragsgemäß erbrachte Leistung. B konnte rein faktisch die Taxifahrt weder ausdrücklich, noch konkludent entgegennehmen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass er die Taxifahrt als vertragsgemäß gebilligt hat.

4. Da eine Abnahme nicht möglich ist, tritt die Vollendung der Taxifahrt an die Stelle der Abnahme (§ 646 BGB).

Ja, in der Tat!

Eine Abnahme kann nicht erfolgen, wenn sie nach der Beschaffenheit des Werkes ausgeschlossen ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es sich um einen immateriellen - also nicht greifbaren - Erfolg handelt und keine Verkörperung möglich ist. Um dem Besteller dennoch den Anwendungsbereich der Gewährleistungsrechte zu eröffnen, tritt die Vollendung des Werkes an die Stelle der Abnahme (§ 646 BGB). Beispiele sind Theateraufführung, Konzertveranstaltung oder Personenbeförderung. Bei der Taxifahrt handelt es sich um eine unverkörperte Leistung, die nicht im Sinne des § 640 BGB abgenommen werden kann, sodass an die Stelle der Abnahme durch B die Vollendung der Fahrt tritt, § 646 BGB.

5. Kann B Mängelrechte gegen U geltend machen?

Ja!

Die Geltendmachung der Mängelrechte setzt einen (1) wirksamen Werkvertrag, (2) einen Mangel des Werkes und (3) den Gefahrübergang voraus (in der Regel die Abnahme, § 640 BGB). Sofern eine Abnahme nach der Beschaffenheit des Werkes nicht in Betracht kommt, tritt an die Stelle der Abnahme die Vollendung des Werkes. B und U schlossen einen wirksamen Werkvertrag. Das Werk (die Fahrt zum Flughafen) erfolgte nicht vertragsgemäß, da U einen Umweg fuhr. Die Abnahme ist wegen der Beschaffenheit des Werkes ausgeschlossen. Die Vollendung der Fahrt tritt hier an die Stelle der Abnahme (§ 646 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JURAFU

jurafuchsles

4.9.2022, 11:07:59

Warum liegt hier jetzt dennoch eine Abnahme vor? Ich dachte er bei der Vollendung muss als Äquivalent zur Abnahme die Vollendung gebilligt werden und dass hat der Besteller hier ja gerade nicht getan?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

5.9.2022, 16:39:06

Hallo jurafuchsles, hier liegt gerade keine Abnahme vor. Dies ist aber aufgrund der Natur der Leistung auch nicht möglich. Bei der Personenbeförderung handelt es sich um eine nicht-körperliche Leistung. Die Vollendung tritt somit anstelle der Abnahme. Dadurch werden dem Bestellter die Gewährleistungsrechte eröffnet. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Eichhörnchen I

Eichhörnchen I

6.9.2022, 15:05:14

Hallo, wie du sagst tritt hier die Vollendung (Ende der Taxifahrt) an die Stelle der Abnahme. Vollendung meint die vollständige Herstellung (Erbringung der geschuldeten Leistung). § 646 BGB ist auch dann anzuwenden, wenn das vollendete (unkörperliche) Werk noch Mängel (hier: zu spät) aufweist. Abnahme/Billigung nicht zweckmäßig weil ein nicht mehr abänderbarer Zustand geschaffen wurde.

Fuller at H(e)art

Fuller at H(e)art

28.6.2023, 22:12:34

Die Vollbringung der Beförderung, i.e. die Beförderung als solche, ist der geschuldete Erfolg. Die Vorgabe einer entsprechenden Route/Beförderungszeit ändert daran nichts. Die Vereinbarung der Beförderung ohne Umwege ist demnach bloße Nebenleistungs- (Modalität der Leistungserbringung) und nicht etwa Haupt

leistungspflicht

. Die Fahrt über Umwege stellt m.E. somit keinen Mangel dar.

CR7

CR7

16.10.2023, 11:42:50

Ich würde hier jedoch sagen, dass es sich bei der Leistung um ein

absolutes Fixgeschäft

handelt. Schließlich ist der Flug verpasst. Die Leistung, also der geschuldete Erfolg, ist sinnlos und ein Nachholen unmöglich. B müsste dann SE statt der Leistung für die Taxifahrt verlangen können und als

Mangelfolgeschaden

die Mehrkosten für den neuen Flug….

LS2024

LS2024

17.8.2024, 13:15:31

@[CR7](145419) Das war auch mein Gedanke. Insbesondere da es bei Jurafuchs einen fast gleichlautenden Fall gibt, in dem die Leistung als absolute Fixschuld qualifiziert wird und der Fall über § 326 BGB gelöst wird. So würde es auch die hM machen, wenn man die Taxifahrt als absolute Fixschuld qualifiziert (BeckOGK/Kögl, 1.1.2024, BGB § 646 Rn. 9). Wenn man sich hier wie die Lösung der Mindermeinung anschließt, dann sollte man das zumindest erwähnen und am besten auch begründen. Alternativ könnte man nach einer Mindermeinung (keine Quelle) auch das absolute

Fixgeschäft

verneinen. Das ließe sich damit begründen, dass der Besteller eventuell ohnehin noch zum Flughafen muss, um einen potenziellen Ersatzflug zu buchen. Die nach der mM zu weite Definition der Fixschuld würde dem Besteller somit seine Dispositionsfreiheit hinsichtlich des Schuldverhältnisses nehmen. Dann wären weder § 326 BGB noch § 646 BGB anwendbar.

MER

Merida

16.7.2023, 14:24:05

Ganz grundlegend finde ich die Frage nach einem Werkvertrag zu ungenau. Hier liegt ein (Personen)beförderungsvertrag vor; das ist ein Fall des Werkvertrags.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.7.2023, 14:44:47

Hallo Merida, die Frage ist richtig - gesetzessystematisch liegt ein Werkvertrag vor. Es ist wichtig zu wissen, welchem Vertragstyp die besonderen Verträge zuzuordnen ist. Weiß man nicht, ob ein Vertrag mit einem Taxifahrer (also ein Personenbeförderungsvertrag) ein Dienst- oder Werkvertrag ist, steigt man schon mit falschen Anspruchsgrundlagen und Maßstäben in die Prüfung ein. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DAN

Daniel

23.11.2023, 15:51:42

Vielen Dank für die tolle Illustration! Liebe Grüße, Daniel

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.11.2023, 16:47:50

Lieben Dank, Daniel!

LS2024

LS2024

17.8.2024, 13:17:46

Wie bereits unter einem anderen Thread ausgeführt, steht die Lösung diesen Falles mit der Lösung eines anderen Jurafuchs Falles im Widerspruch. Zudem wird hier einer Mindermeinung gefolgt, ohne dass dies erwähnt oder besser noch, diskutiert würde. Zu den Details siehe mein anderer Kommentar.

HockHex

HockHex

13.10.2024, 11:34:39

Danke Dir für die Infos! Wo ist der andere Kommentar zu finden? Edit: Nevermind, Du meinst Deinen Kommentar im anderen Thread dieser Aufgabe, richtig?


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