Strafrecht

BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.

Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB

Geschlechtsverkehr einer HIV-infizierten Person mit unwissendem Partner

Geschlechtsverkehr einer HIV-infizierten Person mit unwissendem Partner

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

T ist HIV positiv. Obwohl er dies weiß, hat er ungeschützten Geschlechtsverkehr mit seiner Freundin O, die nichts von seiner Erkrankung weiß. Nach fünf Wochen wird O bei einer Routine-Untersuchung HIV positiv getestet.

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Einordnung des Falls

Geschlechtsverkehr einer HIV-infizierten Person mit unwissendem Partner

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T mit O Geschlechtsverkehr hatte und sie mit dem HI-Virus infizierte, hat er sie "an der Gesundheit geschädigt" (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB).

Ja!

Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines nicht nur unerheblichen krankhaften (= pathologischen) Zustandes. Krankhaft ist der vom Normalzustand der körperlichen Funktionen nachteilig abweichende Zustand. Gegen die Annahme einer Gesundheitsschädigung könnte sprechen, dass AIDS ohne Einnahme von Medikamenten erst nach bis zu sechs Jahren voll zum Ausbruch kommt. Allerdings stellt schon die Infektion mit dem HI-Virus einen vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustand dar. F ist mit dem HI-Virus infiziert. Auf den Ausbruch von AIDS kommt es nicht an.
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2. T hat die Körperverletzung an O nach h.M. auch "mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" begangen (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB).

Genau, so ist das!

Rspr. und h.L. verlangen eine Begehungsweise, die nach den Umständen des konkreten Falles, wie der Art, Dauer und Stärke der Einwirkung objektiv generell geeignet ist, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen. Eine konkrete Lebensgefahr sei nicht erforderlich. Angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit eines letalen Ausgangs der Infektion (1988) ist – jedenfalls solange keine gesicherte Heilungsmöglichkeit besteht – das Verhalten eines HIV-Infizierten, der ohne Schutz durch ein Kondom und damit in einer generell zur Ansteckung geeigneten Weise geschlechtlichen Verkehr ausübt, objektiv generell geeignet, das Leben des Partners allgemein in Gefahr zu bringen. T hat mit O ungeschützten Geschlechtsverkehr und steckt sie mit dem HI-Virus an. Im Übrigen ist auch der § 224 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB erfüllt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

Jose

11.8.2021, 19:11:08

Wäre das heutzutage, angesichts der verbesserten Medikamente etc., anders zu beurteilen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.11.2021, 13:17:52

Hallo Jose, spannende Frage. Auch wenn die Behandlungsmethoden heutzutage natürlich deutlich weiter sind als in den 80er und 90er Jahren und infizierte Personen mittlerweile eine nahezu unverminderte Lebenserwartung haben, so kann HIV dennoch bislang nur behandelt und noch nicht geheilt werden. Da ohne entsprechende Behandlung lebenslänglich die Gefahr besteht, an AIDS zu erkranken und zu versterben, dürfte auch heute noch die Infizierung als lebensgefährliche Behandlung iSd § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu subsumieren sein. Zumal die Rechtsprechung die lediglich abstrakte Gefährlichkeit hier genügen lässt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

GEI

Geithombre

2.1.2024, 20:06:47

Würde das noch deutlich offensiver sehen als Lukas. Die Medizin kann heute Schuss- und Stichwunden auch viel besser behandeln als vor 100 Jahren, aber dort stellen wir ja auch keine derartige Kontrollüberlegung an, insb wenn wie Lukas völlig zu Recht sagt, die Rspr die

abstrakte Gefahr

ausreichen lässt.

Edward Hopper

Edward Hopper

12.10.2022, 22:14:25

Hie wäre doch sogar nach der m. M 224 verwirklicht? Da die Ansteckung erfolgreich war?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.10.2022, 15:13:29

Hallo Edward, hier muss man etwas aufpassen und zwischen der Körperverletzung und der

lebensgefährdend

en Behandlung unterscheiden. Verlangt man eine "konkrete Gefahr", so müsste ein "Beinaheunfall" vorliegen, mithin die Situation so kritisch sein, dass es nur vom Zufall abhängt, ob der Tod eintritt oder nicht. Dies ist - jedenfalls nach heutigem medizinischen Stand - bei einer HIV Infektion keineswegs der Fall. Vielmehr besteht hier bei entsprechender Behandlung gerade nicht die Gefahr daran zu versterben. Da zwischen einer HIV-Infektion und dem Ausbruch von Aids zudem eine geraume Zeit vergehen kann, wäre eine konkrete Gefährdung wohl eher abzulehnen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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