Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB
Geschlechtsverkehr einer HIV-infizierten Person mit unwissendem Partner
Geschlechtsverkehr einer HIV-infizierten Person mit unwissendem Partner
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T ist HIV positiv. Obwohl er dies weiß, hat er ungeschützten Geschlechtsverkehr mit seiner Freundin O, die nichts von seiner Erkrankung weiß. Nach fünf Wochen wird O bei einer Routine-Untersuchung HIV positiv getestet.
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Einordnung des Falls
Geschlechtsverkehr einer HIV-infizierten Person mit unwissendem Partner
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem T mit O Geschlechtsverkehr hatte und sie mit dem HI-Virus infizierte, hat er sie "an der Gesundheit geschädigt" (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat die Körperverletzung an O nach h.M. auch "mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" begangen (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jose
11.8.2021, 19:11:08
Wäre das heutzutage, angesichts der verbesserten Medikamente etc., anders zu beurteilen?
Lukas_Mengestu
29.11.2021, 13:17:52
Hallo Jose, spannende Frage. Auch wenn die Behandlungsmethoden heutzutage natürlich deutlich weiter sind als in den 80er und 90er Jahren und infizierte Personen mittlerweile eine nahezu unverminderte Lebenserwartung haben, so kann HIV dennoch bislang nur behandelt und noch nicht geheilt werden. Da ohne entsprechende Behandlung lebenslänglich die Gefahr besteht, an AIDS zu erkranken und zu versterben, dürfte auch heute noch die Infizierung als lebensgefährliche Behandlung iSd § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu subsumieren sein. Zumal die Rechtsprechung die lediglich abstrakte Gefährlichkeit hier genügen lässt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Geithombre
2.1.2024, 20:06:47
Würde das noch deutlich offensiver sehen als Lukas. Die Medizin kann heute Schuss- und Stichwunden auch viel besser behandeln als vor 100 Jahren, aber dort stellen wir ja auch keine derartige Kontrollüberlegung an, insb wenn wie Lukas völlig zu Recht sagt, die Rspr die
abstrakte Gefahrausreichen lässt.
Edward Hopper
12.10.2022, 22:14:25
Hie wäre doch sogar nach der m. M 224 verwirklicht? Da die Ansteckung erfolgreich war?
Lukas_Mengestu
26.10.2022, 15:13:29
Hallo Edward, hier muss man etwas aufpassen und zwischen der Körperverletzung und der
lebensgefährdenden Behandlung unterscheiden. Verlangt man eine "konkrete Gefahr", so müsste ein "Beinaheunfall" vorliegen, mithin die Situation so kritisch sein, dass es nur vom Zufall abhängt, ob der Tod eintritt oder nicht. Dies ist - jedenfalls nach heutigem medizinischen Stand - bei einer HIV Infektion keineswegs der Fall. Vielmehr besteht hier bei entsprechender Behandlung gerade nicht die Gefahr daran zu versterben. Da zwischen einer HIV-Infektion und dem Ausbruch von Aids zudem eine geraume Zeit vergehen kann, wäre eine konkrete Gefährdung wohl eher abzulehnen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team