Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB
Körperverletzung „mittels“ einer das Leben gefährdenden Behandlung
Körperverletzung „mittels“ einer das Leben gefährdenden Behandlung
23. Juni 2025
6 Kommentare
4,5 ★ (6.029 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Z und U streiten sich in unmittelbarer Nähe einer viel befahrenen Straße. In ihrer Wut auf U stößt Z diese auf die Straße. U erleidet dadurch einige Prellungen und bleibt verletzt auf Höhe des Mittelstreifens liegen. Herannahende Autos können ihr knapp ausweichen.
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Einordnung des Falls
Körperverletzung „mittels“ einer das Leben gefährdenden Behandlung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Z könnte sich wegen Körperverletzung strafbar gemacht haben, indem sie U auf die Straße stieß (§ 223 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
2. Hat Z die U körperlich misshandelt, indem sie sie auf die Straße stieß (§ 223 Abs. 1 StGB)?
Ja!
3. Z könnte sich wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht haben, indem sie U auf die Straße stieß (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB).
Genau, so ist das!
4. Mehrere mit schneller Geschwindigkeit herannahende Autos konnten der am Boden liegenden U nur knapp ausweichen. Liegt nach Ansicht der Rspr. und h.L. darin eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB?
Ja, in der Tat!
5. Z müsste die Körperverletzung auch „mittels“ einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen haben (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB).
Ja!
6. Hat Z die Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen, indem sie U auf die viel befahrene Straße stieß?
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
julius.frotscher
15.12.2024, 20:53:26
Unter der Annahme der Erweiterung des Sachverhalts um das Detail, dass das Opfer nach ihrem Stoß bewusstlos ist, Läge in einer solchen Situation auch ein Fall der vollendeten Aussetzung?
Tom
10.5.2025, 18:43:47
Wenn das Opfer tatsächlich angefahren worden wäre, sprechen wir dann von einer das Leben gefährdenden Behandlung? Oder generell nicht, weil sich in der unmittelbaren Handlung (dem Stoß) keine Lebensgefahr entfaltet?
SM2206
22.5.2025, 17:01:08
Diesbezüglich bin ich auch unsicher. Die h.M. würde, soweit ich es verstanden habe, die
lebensgefährdende Behandlungverneinen, weil sich die Lebensgefährlichkeit erst als mittelbare Folge aus der Tathandlung ergibt. Ich weiß aber nicht, ob die Literaturauffassung, die eine konkrete Lebensgefahr verlangt, diesbezüglich auch so eng auslegt. In Lehrbüchern wird zumeist der Streit um das Erfordernis einer konkreten Lebensgefahr dargestellt und dann nachgeschaltet, dass es nicht ausreicht, dass sich die Lebensgefährlichkeit erst als mittelbare Folge der Tathandlung ergibt. Es wird aber, zumindest nach meinen Recherchen, nie gesagt, ob das auch für die Mindermeinung, die zuvor abgelehnt wurde, gilt.

Nadim Sarfraz
31.5.2025, 18:03:28
Lieber @Tom, danke für deine weiterführende Nachfrage. Grundsätzlich sind die
strafschärfenden Tatmodalitäten des §
224 StGBstreng handlungsbezogen zu bewerten, d.h. welche konkrete Folge aus der körperlichen Misshandlung entsteht, ist unbeachtlich. Legt man die konkreten Feststellungen des Tatgerichts sowie Deine Modifikation des Falles zu Grunde, müsste man mit den Grundsätzen des Urteils ebenfalls eine abstrakt lebensgefährliche Behandlung verneinen - die abstrakte Lebensgefährlichkeit muss ex ante im Zeitpunkt der Tathandlung bestimmt werden. Dass ex post festgestellt werden kann, dass das Tatopfer tatsächlich angefahren wurde, ist dann unbeachtlich (eine mögliche Strafbarkeit wegen versuchten Totschlages oder
§ 227 StGB- je nach subjektiver Tatseite und Ausgang des Falles ist davon dann natürlich unberührt). Etwas anderes würde sich mE allerdings ergeben, wenn man den Fall so modifiziert, dass der Täter dessen Opfer nicht nur auf die Fahrbahn, sondern bewusst vor ein Auto geschubst hätte - dann ist die Tathandlung eben nicht nur der (für sich genommen nicht lebensgefährliche) "Stoß auf den Boden", sondern eben ein "Stoß vor das Auto", dem die abstrakte Lebensgefährlichkeit innewohnt. Das zeigt mE auch, wie maßgeblich oft die tatgerichtlichen Feststellungen sind, an die der BGH gebunden ist - hätte die
Tatsacheninstanz festgestellt, dass der Täter sein Opfer vorsätzlich vor ein Auto gestoßen hat, dieses aber ausgewichen wäre, hätte (so denke ich!) der BGH nach diesen Grundsätzen durchaus § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB bejahen können. Liebe Grüße, Nadim für das Jurafuchs-Team
TimG
19.6.2025, 17:00:07
Ich bin leicht verwirrt. Im Rep wurde uns erklärt, dass die Gefährdung sich sowohl auf die KV Handlung, als auch auf den KV Erfolg beruhen kann. Dann wäre hier 224 ja doch anzunehmen.
Anne
4.6.2025, 10:59:13
Inwiefern besteht hier ein Unterschied zu dem Fall, indem ein Mann ein Kind in den Fluss gestoßen hat? Ist der Stoß hier mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung? Oder würde man annehmen, dass die das Leben gefährdenden Umstände erst danach im Fluss auftreten (Kind kann evtl. nicht schwimmen(Unterkühlung.