Zivilrecht

Bereicherungsrecht

Umfang des Bereicherungsanspruchs

Saldotheorie - Schutz des nicht voll Geschäftschäftsfähigen

Saldotheorie - Schutz des nicht voll Geschäftschäftsfähigen

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Die 10-jährige K kauft von V ohne Einwilligung ihrer Eltern für €50 ein Skateboard (Wert: €50). Als sie es vor der Bücherei abstellt, um einige Bücher zurückzugeben, wird es von einem Unbekannten entwendet. Ks Eltern verweigern die Genehmigung des Kaufs und verlangen im Namen der K die Rückzahlung der €50.

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Einordnung des Falls

Saldotheorie - Schutz des nicht voll Geschäftschäftsfähigen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K steht bezüglich des gezahlten Kaufpreises dem Grunde nach ein Anspruch aus Leistungskondiktion zu (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Ein Anspruch aus Leistungskondiktion besteht, wenn der Bereicherungsschuldner (1) etwas (2) durch Leistung des Bereicherungsgläubigers (3) ohne rechtlichen Grund erlangt hat.K hat V bewusst und zweckgerichtet Besitz an den €50 verschafft. K ist nur beschränkt geschäftsfähig. Eine Genehmigung des rechtlich nachteilhaften Kaufvertrages hatten ihre Eltern nicht erteilt. Somit ist dieser nichtig (§§ 107, 108 BGB) und es fehlt an einem Rechtsgrund für ihre Leistung.Aufgrund der fehlenden Genehmigung ist die dingliche Einigung ebenfalls unwirksam, sodass K dem V lediglich den Besitz, nicht aber das Eigentum leisten konnte.
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2. Könnte K bei Anwendung der Saldotheorie den Kaufpreis herausverlangen?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach der von der Rechtsprechung vertretenen Saldotheorie sind bei Rückabwicklung eines nichtigen Vertrages die gegenseitigen Kondiktionsansprüche zunächst zu verrechnen (saldieren). Ist ein Bereicherungsgegenstand weggefallen, so ist dessen Wert in Ansatz zu bringen. Nur wenn für die entreicherte Partei ein positives Saldo verbleibt, steht ihr ein entsprechender Bereicherungsanspruch zu. Zieht man von Ks Herausgabeanspruch den Wertersatzanspruch des V ab (€50), so liegt kein positives Saldo vor und es würde an einem Bereicherungsanspruch fehlen.Da K das Eigentum an dem Geld nicht verloren hat, ist ihr Anspruch lediglich auf die Herausgabe des Besitzes gerichtet, der weniger wert ist, als das Eigentum daran (€50). Bei Saldierung der Ansprüche verbliebe somit ein negatives Saldo.

3. Findet die Saldotheorie zulasten von K Anwendung?

Nein!

In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass der Schutz von nicht (voll) Geschäftsfähigen (§§ 104ff. BGB) wichtiger sei, als das Interesse an einer angemessenen Risikoverteilung bei gegenseitigen Verträgen. Andernfalls wären nicht voll Geschäftsfähige gerade bei solchen Geschäften schutzlos, die ihnen keinen bleibenden Vorteil gebracht haben. Die Saldotheorie findet deshalb zulasten von nicht (voll) Geschäftsfähigen keine Anwendung.K ist 10 Jahre alt und somit nur beschränkt geschäftsfähig. Die Saldotheorie ist deshalb nicht anwendbar. Ks Kondiktionsanspruch wird somit nicht mit Vs Wertersatzanspruch verrechnet. Sie kann somit von V den vollen Kaufpreis (€50) zurückverlangen.Gegen Vs Wertersatzanspruch kann sie den Entreicherungseinwand (§ 818 Abs. 3 BGB) erheben.

4. Kann sich K auch nach der eingeschränkten Zweikondiktionentheorie auf die Entreicherung berufen (§ 818 Abs. 3 BGB)?

Genau, so ist das!

Nach der eingeschränkte Zweikondiktionentheorie wird die Berufung auf Entreicherung normativ eingeschränkt. Der Bereicherungsschuldner könne sich hierauf nur berufen, wenn der Untergang des Leistungsgegenstandes nicht in seine Risikosphäre fällt. Der Entreicherungseinwand bleibt allerdings stets bestehen, wenn dies nach dem Schutzzweck der Norm geboten ist, die zur Nichtigkeit des Vertrages geführt hat (zB Minderjährigenschutz)Die Nichtigkeit des Kaufvertrags beruht hier auf Ks beschränkter Geschäftsfähigkeit (§§ 107, 108 BGB). Dieser Schutzzweck hat Vorrang vor dem Interesse an einer angemessenen Risikoverteilung bei gegenseitigen Verträgen.Bei der eingeschränkten Zweikondiktionentheorie gelten insoweit die gleichen Ausnahmen wie bei der Saldotheorie.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

28.6.2022, 14:10:29

Im Maßstab steht: "K hat V bewusst und zweckgerichtet Eigentum und Besitz an den 50 Euro verschafft." Wegen §§ 107,

108 BGB

konnte K ohne die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter dem V doch aber gar kein Eigentum, sondern nur den Besitz am Geld verschaffen - oder habe ich etwas nicht bedacht? Unterstellt was ich geschrieben habe stimmt, dann finde ich es seltsam dass die Rspr. bei Anwendung der

Saldotheorie

zu dem Ergebnis kommen würde (sie wendet sie ja gerade nicht an), dass sich beide Ansprüche auf 0 saldieren. Schließlich wäre der Anspruch der K nur auf Herausgabe des Besitzes am Geld gerichtet (das Eigentum hätte V ja nicht erlangt), während der Wertersatzanspruch des V auf

Übereignung

und Besitzverschaffung gerichtet wäre - insofern also ziemlich ungleiche Ansprüche. Vielleicht könnt ihr mich ja erhellen, damit ich das in der Klausur genauso schön darstellen kann wie ihr hier und dazu auch noch verstanden habe :-)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.6.2022, 14:35:08

Hallo Ole, vielen Dank für Deinen guten Hinweis. Wir haben die Aufgabe an dieser Stelle etwas präzisiert. In der Tat hat K dem V lediglich Besitz an dem Geld verschafft. Da im Hinblick auf den Wert des Anspruchs der bloße Besitz natürlich deutlich weniger wert ist, als das Eigentum an dem Geld, käme man hier in der Tat nicht zu einer Saldierung auf Null, sondern sogar zu einem negativen Saldo zulasten der K. Für die Frage, Im Hinblick auf die

Saldotheorie

macht es indes keinen Unterschied, ob ein negatives Saldo bzw. eine Saldierung auf 0 vorliegt. Maßgeblich ist allein, ob für denjenigen, der seinerseits seine empfangene Leistung nicht mehr herausgeben kann, ein positives Saldo vorliegt. Ist dies der Fall, so steht ihm ein Bereicherungsanspruch zu. Ist das Saldo 0 oder gar negativ, so kann er keinen Anspruch geltend machen. Anders ist dies nur in Ausnahmefällen wie hier, wo die

Saldotheorie

insgesamt nicht angewendet wird. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Blackpanther

Blackpanther

21.9.2023, 15:47:30

Habe ich es richtig verstanden, dass der einzige Grund für die Nichtanwendung der

Saldotheorie

der ist, dass der Minderjährige nur Besitz leistet und daher ein negativer Saldo zu seinen Lasten entstehen würde? Folglich würde in einem Fall, in dem kein Saldo zu Lasen des Minderjährigen entsteht, auch die

Saldotheorie

zu einem Tragbaren ergebnis führen? (sofern ein solcher Fall denkbar ist)

Blackpanther

Blackpanther

21.9.2023, 15:48:39

Oder könnte sich ein Minderjähriger, auch wenn der Saldo 0 ist oder sogar für ihn positiv, immer noch auf

Entreicherung

berufen?

TUBAT

TubaTheo

19.9.2023, 00:29:34

Wie sähe es denn im umgekehrten Fall aus, wenn der Minderjährige das Skateboard verkauft und der (volljährige) Vertragspartner das Skateboard verliert? Hätte der Minderjährige dann auch nach beiden Theorien einen Anspruch auf Wertersatz?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.9.2023, 12:58:14

Hi TubaTheo, im umgekehrten Fall hätte zwar K einen Wertersatzanspruch, V könnte seinerseits aber die €50 herausverlangen. Sofern K diese noch hat, wäre er verpflichtet, diese wieder herauszugeben. Ansonsten greift auch hier der

Entreicherungseinwand

. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DAV

David

13.3.2024, 10:15:24

Hallo Jurafuchs-Team, ich habe genau in diesem Fall irgendwie Schwierigkeiten mit der Darstellung. Denn genau genommen handelt es sich hier ja um einen Anspruch des K selbst, weshalb es nicht um dessen

Entreicherung

geht, sondern um die des Bereicherungsschuldners. Die Frage ist also nicht, ob K sich auf

Entreicherung

berufen kann, sondern ob der Anspruch vielleicht durch Saldierung mit dem anderen Bereicherungsanspruch ausgeschlossen sein könnte. Bei Anwendung der

Saldotheorie

wäre dies der Fall, wozu es jedoch wegen des Minderjährigenschutzes nicht kommt. Auch bei der modifizierten ZKL geht es ja nicht darum, ob sich K selbst auf

Entreicherung

berufen kann. Zwar kennt die modifizierte ZKL dieselben Ausnahmen, jedoch ist dies hier doch gar nicht problematisch, weil für die

Entreicherung

des anderen kein Anhaltspunkt besteht. Ist es nicht so? Wie könnte man dies besser darstellen?

Johannes Nebe

Johannes Nebe

21.3.2024, 17:34:11

Die Vertiefung zu Frage 2 kann ich wieder und wieder lesen und verstehe sie leider nicht, obwohl mir die Rechtslage an sich klar ist. Vielleicht müsste man die Themen Saldierung, Minderjährigkeit und Besitz klarer trennen. -- Darüber hinaus wäre ich Euch sehr verbunden, wenn Ihr den Saldo maskulin sein lassen könntet.


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