Verleiten eines vermeintlich Gutgläubigen

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

T ist angeklagt. Er wendet sich an seinen Freund F und "ruft diesem in Erinnerung", dass die beiden doch zur Tatzeit zusammen gewesen wären. T meint, F werde unvorsätzlich diese Angaben machen. Tatsächlich hat F den T durchschaut und sagt vorsätzlich zu seinen Gunsten falsch aus.

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Einordnung des Falls

Verleiten eines vermeintlich Gutgläubigen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Sinn und Zweck der Verleitung zur Falschaussage (§ 160 Abs. 1 StGB) ist es, die Strafbarkeitslücken zu schließen, die sich durch die Eigenhändigkeit der Aussagedelikte ergeben.

Ja!

Die Tatbestände der §§ 153ff. StGB sind eigenhändige Delikte, die nur der persönlich Aussagende täterschaftlich verwirklichen kann. Außenstehende können also weder Mittäter noch mittelbare Täter, sondern nur Anstifter oder Gehilfen sein. In die Lücke, die dadurch namentlich im Bereich der mittelbaren Täterschaft entsteht, stößt die Verleitung zur Falschaussage (§ 160 Abs. 1 StGB). Dabei geht es in erster Linie um die Aussageperson als gutgläubig (vorsatzlos) handelndes Werkzeug. Die Bestimmung enthält insofern eine Ergänzung des § 25 Abs. 1, Alt. 2 StGB. Ob noch weitere Fälle erfasst sind, ist umstritten.
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2. Objektive Voraussetzung der Verleitung zur Falschaussage (§ 160 Abs. 1 StGB) ist es, dass die Beweisperson §§ 153, 154 oder 156 StGB objektiv verwirklicht und der Täter dies verursacht hat.

Genau, so ist das!

Verleiten ist jede Einwirkung auf den Willen der Beweisperson, die diese dazu bestimmt, die von dem Täter gewollte Tat zu verwirklichen. Mögliche Haupttaten sind die in § 160 Abs. 1 StGB genannten §§ 153, 154 und 156 StGB. Die Beweisperson muss diese objektiv (vorsatzlos) verwirklichen. Denkbar ist auch die Figur des nach § 34 StGB gerechtfertigt handelnden Werkzeugs.

3. Obwohl F vorsätzlich handelt, hat T den F nach der Mindermeinung zur Falschaussage "verleitet" (§ 160 Abs. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Teil der Literatur will unter die Verleitung zur Falschaussage (§ 160 Abs. 1 StGB) nur solche Fälle fassen, in denen die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft vorliegen und eine Strafbarkeit der § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB nur daran scheitert, dass es sich bei den Aussagedelikten um eigenhändige Delikte handelt. F handelt nicht unvorsätzlich, sodass die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft nicht gegeben sind. Wenn Du dieser Ansicht folgst, prüfst Du danach den Versuch (§ 160 Abs. 2 StGB).

4. F handelt hier vorsätzlich. Folgt man der Rechtsprechung ist ein "Verleiten" durch T dennoch zu bejahen.

Ja!

Die Rechtsprechung meint, der Begriff des "Verleitens" mache es auch möglich, Fälle zu erfassen, in denen der Haupttäter entgegen der Annahme des Hintermannes vorsätzlich handelt (Verleiten eines vermeintlich Gutgläubigen). Danach wäre die Tat vollendet. Dafür spricht, dass dem gesetzlichen Tatbestand die "exklusive" Ausrichtung auf Fälle der mittelbaren Täterschaft nicht zu entnehmen ist. Zur Aussage "verleitet", wer die Beweisperson durch beliebige Mittel dazu bestimmt, falsch auszusagen. Diese Umschreibung ermöglicht auch die Einbeziehung von Zeugen, die keine Werkzeugqualität aufweisen und zur Tat veranlasst worden sind, ohne dass die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft oder des § 26 StGB vollständig vorliegen. Obwohl F den T durchschaut und damit keine Werkzeugqualität aufweist, hat sich T wegen Verleitung zur Falschaussage (§ 160 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PET

Petrus

21.8.2024, 10:31:56

Die Frage, ob § 160 StGB nur einen Spezialfall der mittelbaren Täterschaft erfasst stellt sich bei § 270 StGB im gleichen Rahmen oder? Vertritt die Rechtsprechung dort die gleiche Aufassung? Und irgendwie erscheint mir die Ansicht der Rechtsprechung mit dem - auch in der Aufgabe ausgewiesenen - Normzweck des § 160 StGB zu kollidieren. Dessen Zweck ist ausdrücklich Strafbarkeitslücken, die sich aufgrund der Eigenhändigkeit der §§ 153 ff. StGB ergeben, zu schließen. Wenn aber der Aussagende bösgläubig ist, dann liegt in dem „bewirken“ iSd § 160 StGB ja eine Anstiftung und das selbst dann wenn der Anstifter denkt, der Vordermann sei gutgläubig, da nach h.M. in jedem Tätervorsatz (hier zur mittelbaren Täterschaft welche aber nicht möglich ist) automatisch ein Teilnehmervorsatz steckt. Zudem wäre aufgrund des höheren Strafrahmens von §§ 153, 26 StGB dieser „schwerer“ als der bloße § 160 StGB. Daher sehe ich irgendwie (bis auf das Wortlautargument) den Sinn hinter der Ansicht der Rechtsprechung nicht. Würde die Rechtsprechung dann dennoch auch eine Anstiftung annehmen? Oder würde diese den Vorsatz des „Hintermannes“ als Täter iSd § 160 StGB für eine zusätzliche Anstiftung als verbraucht ansehen? Das waren jetzt viele Fragen… Aber ich hoffe ihr könnt mir helfen :)


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