Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Objektive Zurechnung
Pflichtwidrigkeitszusammenhang bei Beachtung der Regeln der ärztlichen Heilkunst
Pflichtwidrigkeitszusammenhang bei Beachtung der Regeln der ärztlichen Heilkunst
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Zahnarzt Z operiert die schwer herzkranke 17-jährige P unter Vollnarkose am Backenzahn, ohne einen Anästhesisten zurate zu ziehen. P stirbt nach der OP an Herzstillstand. Sie wäre allerdings auch bei Hinzuziehung des Anästhesisten gestorben.
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Einordnung des Falls
Zahnarztfall (BGHSt 21, 59)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Z ist der Tod der P objektiv zuzurechnen.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jurapro
9.5.2023, 14:56:02
Wo ist der Unterschied zu dem vorherigen Fall, in dem das Kind an einer nicht diagnostizierten Bauchfellentzündung gestorben ist?
Elias Von der Brelie
9.5.2023, 21:17:31
Bei der Bauchfellentzündung hätte das Kind ein paar Tage länger überlebt. Somit handelt es sich um eine Lebens Verkürzung des Kindes und deshalb nicht um den Konkreten Erfolgseintritt.
Carl Wagner
10.5.2023, 20:02:18
Vielen Dank für deine Frage Jur
apro und für deine richtige Antwort Elias von der Brelie! Um es noch deutlicher zu formulieren: Der konkrete Erfolg bei dem Fall mit der Bauchfellentzündung war der "drei Tage frühere Tod". Dieser hätte verhindert werden können. Vorliegend wäre der Tod der P an Herzstillstand aber unverändert eingetreten, selbst wenn man den Anästhesisten hinzugezogen hätte. Abwandlung: Hätte das Hinzuziehen des Anästhesisten den Tod (wenn auch nur ggf. für ein paar Tage) verhindert, dann wäre der Erfolg (Tod) dem Zahnarzt Z objektiv zurechenbar. Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team
Diaa
27.6.2023, 19:31:58
Warum entfällt hier der
Pflichtwidrigkeitszusammenhang? Der Tod der P ist deshalb eingetreten, weil sie von P eine Vollnarkose gedruckt bekam, ohne hierfür einen Facharzt zu ziehen. Dass sie später sowieso mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gestorben wäre, schließt nicht die von dem Arzt geschaffene rechtlich missbilligte Gefahr aus, welche sich im tatbestandsmäßigen Erfolg, hier im Tod der P, realisierte.
Dini2010
31.7.2023, 03:15:04
Doch, eben weil der Tod bei rechtmäßigem Alternativverhalten (= Hinzuziehen eines Anästhesisten) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit genauso eingetreten wäre. Bei beiden Theorien entfällt in dem Fall der PWZ.
Nico
12.4.2024, 14:00:59
würde hier nicht der
pflichtwidrigkeitszusammenhangentfallen weil der Anästhesist doch ganz bestimmt die Vollnarkose nicht zugelassen hätte?
Timurso
12.4.2024, 17:07:09
Das ist nicht das, worauf es ankommt. Relevant ist allein, ob der tatbestandliche Erfolg auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre. Das ist hier laut Sachverhalt der Fall. Oder willst du darauf hinaus, dass es ohne Vollnarkose ein anderer tatbestandlicher Erfolg in seiner konkreten Gestalt gewesen wäre?
Nico
12.4.2024, 17:23:50
Ja ich meine, das rechtmäßige Alternativverhalten wäre ja die Heranziehung des Narkoseasrztes. Hätte er das getan, hätte der Narkosearzt gesagt: nein, machen wir nicht wegen der Herzkrankheit. Dann wäre nichts passiert. Oder es geht ausschließlich darum, die Narkose im Beisein des Narkosearztes zu geben. Ich hoffe, man versteht mein Problem 😅
Timurso
12.4.2024, 17:31:15
Das Problem an deiner Argumentation ist, dass im Sachverhalt explizit steht, dass der Tod auch unter Hinzuziehung des Narkosearztes eingetreten wäre. Warum dies der Fall ist, ob der Narkosearzt die Narkose ebenso gegeben hätte, oder ob der Tod aus einem anderen Grund ebenso eingetreten wäre, bleibt offen, aber man kann nicht am Sachverhalt vorbei sagen, dass der Tod nicht eingetreten wäre.
Nico
12.4.2024, 17:52:17
Ja das stimmt. Ich gehe da eher auf die Praxis ein, aber die app ist ja explizit zum erlernen der Grundkenntnisse.
QuiGonTim
23.4.2024, 13:58:20
Der Sachverhalt ist erkennbar nicht dafür ausgelegt, aber müsste man in diesem Fall nicht nach der Verneinung der Strafbarkeit der die Narkose auslösenden Handlung des Arztes nicht früher, bei dem Raten zur angesichts der Herzerkrankung lebensgefährlichen Zahnoperation ansetzen? Denn hätte der Arzt von der Operation abgeraten und andere Behandlungsmethoden empfohlen, wäre der Tod der Patientin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermeidbar gewesen.
Timurso
24.4.2024, 11:42:40
Sicherlich könnte man das prüfen, ja. Allerdings würde ich wegen aktivem Tun prüfen, nicht wegen Unterlassen (was du mit der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit angedeutet hast).
Shark
22.9.2024, 19:44:50
Es wäre super, wenn jeweils die Lösung nach der Risikoerhöhungslehre kurz als Vertiefungs ergänzt werden könnte, dann sieht man wo ein Streitentscheid notwendig ist..