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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S droht im Krankenhaus zu verbluten. Dort befindet sich auch der robuste Patient P zu einer Kontrolluntersuchung. P allein kommt als Spender für eine Bluttransfusion in Betracht. Trotzdem möchte er kein Blut spenden. Dennoch entnehmen die Ärzte A und B dem P mittels einer Spritze Blut, um das Leben des S zu retten.

Einordnung des Falls

Angemessenheit: Blutspende-Fall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Ärzte A und B haben den Tatbestand einer gefährlichen Körperverletzung erfüllt (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2, Nr. 4 StGB).

Genau, so ist das!

A und B haben den P durch den Einstich in seine Haut und die Blutentnahme übel und unangemessen behandelt und dabei sein körperliches Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt (körperliche Misshandlung). Hierdurch haben Sie auch einen pathologischen Zustand herbeigeführt (Gesundheitsschädigung). Dies haben sie mittels einer Spritze, also mit einem gefährlichen Werkzeug mit jeweils dem anderen gemeinschaftlich getan (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2, Nr. 4).

2. A und B handeln nach § 32 StGB gerechtfertigt

Nein, das trifft nicht zu!

Hierfür müssten sich A und B zunächst in einer Notwehr-/Nothilfelage befunden haben. Eine solche liegt bei einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff gegen sie (Notwehr) bzw. einen Dritten (Nothilfe) vor.In Betracht kommt allein ein Angriff auf das Leben/körperliche Unversehrtheit des S, indem sich P weigerte an diesen Blut zu spenden. Ein Angriff durch Unterlassung setzt allerdings eine entsprechende Garantenstellung voraus. Eine Rechtspflicht zur Blutspende besteht allenfalls innerhalb engster Schutz- und Beistandspflichten (zB Ehe, Eltern-Kind). Eine entsprechende Beziehung zwischen S und P bestand nicht. Somit lag seitens P auch kein Angriff auf S vor. Damit fehlt es an einer Nothilfelage.Entgegen der hL lehnt der BGH einen Angriff durch Unterlassen sogar gänzlich ab. Denn bereits begrifflich setze ein Angriff „aktives Verhalten“ voraus.

3. Die gewaltsame Blutabnahme könnte durch den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt sein, da eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben des S vorliegt.

Ja!

Der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB) erfordert (1) eine Notstandslage, (2)eine Notstandshandlung und (3)einen Verteidigungswillen. Eine Notstandslage besteht bei einer gegenwärtigen Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut. Notstandsfähige Rechtsgüter sind nach der h.M. sowohl Individualgüter als auch Allgemeingüter. Eine Gefahr liegt vor, wenn bei ungestörtem Fortgang des Geschehens die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritt besteht. Gegenwärtig ist sie, wenn sich die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts so verdichtet hat, dass die zum Schutz des bedrohten Rechtsguts notwendigen Maßnahmen sofort einzuleiten sind.S drohte zu verbluten, sodass sein Leben bedroht war.

4. Damit der Notstands rechtmäßig ist, dürfte die Gefahr nicht anders abwendbar sein und das notstandsfähige Rechtsgut muss das beeinträchtigte wesentlich überwiegen (§ 34 StGB).

Genau, so ist das!

Die Notstandshandlung ist rechtmäßig, wenn sie (1) nicht anders abwendbar, (2) verhältnismäßig und (3) angemessen ist. Das Merkmal der Nicht-anders-Abwendbarkeit entspricht dem der Erforderlichkeit bei der Notwehr (§ 32 StGB). Zudem muss das geschützte Rechtsgut das durch die Notstandshandlung beeinträchtige Rechtsgut wesentlich überwiegen (Interessenabwägung).Ohne Ps Blut„spende“ wäre S verblutet. S' Leben überwiegt wesentlich Ps körperliche Unversehrtheit.Die Verletzung von Ps Selbstbestimmungsrecht wird in der Angemessenheit behandelt. Eine Erörterung im Rahmen der Interessenabwägung ist jedoch ebenfalls eine vertretbare Lösung.

5. Die gewaltsame Blutabnahme war auch angemessen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Angemessenheit ist ein Korrektiv, um insbesondere die Einheit der Rechtsordnung zu wahren und die Belastungsgrenze für den Betroffenen unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu ermitteln. Ähnlich wie bei der Gebotenheit im Rahmen der Notwehr, haben sich bestimmte Fallgruppen etabliert, um den Begriff zu konkretisieren. Nach h.M. ist eine Verteidigungshandlung jedenfalls dann nicht angemessen, wenn dadurch in die Menschenwürde eingegriffen wird. Jeder hat das Recht auf freie Selbstbestimmung (Autonomieprinzip).Der menschliche Körper darf nicht instrumentalisiert werden. Es muss dem Einzelnen überlassen werden, ob er Blut spendet. Da sich P weigert, ist diese Entscheidung zu respektieren. A und B dürfen sich nicht über sie stellen. Eine Blutabnahme ist nicht angemessen und die gewaltsame Blutabnahme deshalb nicht nach § 34 StGB gerechtfertigt.

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