Strafrecht

Examensrelevante Rechtsprechung SR

Entscheidungen von 2016

Strafbarkeit der Weitergabe der Lösungen fürs Staatsexamen

Strafbarkeit der Weitergabe der Lösungen fürs Staatsexamen

26. Juli 2023

4,5(20.295 mal geöffnet in Jurafuchs)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: L gibt A Lösungen für das Staatsexamen.

Referendar A muss das 2. Examen wiederholen. L ist Referatsleiter im Landesjustizprüfungsamt. L bietet A gegen Geld die Lösungen der anstehenden Klausuren an. A erbittet Bedenkzeit, ist später aber einverstanden. Er erhält die Lösungen und besteht das Examen mit 6,82 Punkten. Geld zahlte er nicht.

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Einordnung des Falls

Vielleicht der Traum eines jeden Jurastudierenden: Die Lösungen zum Staatsexamen schon vorab bekommen. Das dies aber im Zweifel nicht gut endet, zeigt diese Entscheidung. Der Referatsleiter des Landesprüfungsamts macht sich mit der Weitergabe des Geheimnisverrats strafbar. Der Prüfungskandidat wegen Beihilfe hierzu.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat L ein Geheimnis, das ihm als Amtsträger anvertraut worden war, unbefugt offenbart (§ 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB)?

Genau, so ist das!

L ist Referatsleiter im Landesjustizprüfungsamt, mithin ein Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB).
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2. Hat L dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet (§ 353b Abs. 1 S. 1 StGB)?

Ja, in der Tat!

Die vorliegende Weitergabe von Prüfungsinhalten erschüttere das Vertrauen der Allgemeinheit in die Unparteilichkeit, Unbestechlichkeit und Funktionsfähigkeit öffentlicher Institutionen. Die Prüfung zum zweiten juristischen Staatsexamen sei eine Prüfung von besonderer Wichtigkeit für die spätere Laufbahn des A, deren Ergebnis unter anderem auch entscheidend für die Frage einer staatlichen Anstellung hätte sein können.

3. Hat A sich als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) strafbar gemacht?

Nein!

§ 353b StGB ist ein sog. "echtes Sonderdelikt". Sonderdelikte können (im Unterschied zu Allgemeindelikten) nur von einem bestimmten Täterkreis verwirklicht werden. Echte Sonderdelikte können nur von Tätern begangen werden, die eine bestimmte Qualifikation aufweisen. A war zwar als Referendar auch Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Ihm waren die Sachverhalte und Lösungen jedoch nicht dienstlich anvertraut. Er kann deshalb nicht Täter sein.

4. Hat A Beihilfe (§ 27 StGB) zum Geheimnisverrat geleistet?

Genau, so ist das!

Nach der Rechtsprechung erfordert Beihilfe eine tatsächliche Förderung der Haupttat, indem diese ermöglicht oder verstärkt oder ihre Durchführung erleichtert wird. Die Beihilfehandlung muss hingegen nicht kausal für die Haupttat sein (Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 27 RdNr. 4 m.w.N.). A habe sich nicht darauf beschränkt, passiv Sachverhalts- und Lösungsskizzen entgegenzunehmen. Er habe durch seine Mitteilung an L, dessen Angebot anzunehmen, die Übergabe der Schriftstücke initiiert. Damit habe er bereits im Stadium der Tatvorbereitung zur späteren Tatbegehung beigetragen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PAT

Patros

22.1.2020, 20:44:26

Er kannte die Lösungen und besteht trotzdem nur mit 6,82 Punkten? Dieses Verhalten halte ich nicht mehr für bewährungsfähig.

MAFUB

Markus FUB

15.9.2021, 23:29:10

Ein Glück keine Zulassung bekommen.

JEHH

Jenny Uni HH

28.4.2020, 11:07:51

Er konnte Beihilfe leisten da er als Refetendar Amtsträger ist? Darauf kommt es auch in der Beteiligung an oder?

GI

GingerCharme

3.5.2020, 09:26:20

So wie ich es verstanden habe kommt es darauf gerade nicht an. Wären es nützliche Informationen für Nichtsamträger, hätten auch diese Beihilfe leisten können. Denn laut Lösung geht es nur um das allgemeine Fördern der Haupttat. Indem er sagte "ich nehme das Angebot an" hat er die eigentliche Offenbarungshandlung der Informationen durch den Referatsleiter dann initiiert.

JSAUE

Jonas Sauer

10.10.2020, 23:58:46

Entscheidend ist hier Paragraph

28 StGB

. Da es sich im ein strafbegründendes und nicht um ein strafschärfendes Merkmal handelt ist Abs. 1 anzuwenden. Es kommt daher nicht darauf an, ob er selbst Berufsgeheimnisträger ist. Seine Strafe kann aber gemildert werden.


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