Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
BT 5: Verkehrsdelikte
Trunkenheitsfahrt des Beifahrers auf einem E-Scooter
Trunkenheitsfahrt des Beifahrers auf einem E-Scooter
20. Mai 2025
9 Kommentare
4,8 ★ (12.737 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T und M fahren betrunken auf einem E-Scooter. T steht vorne, bestimmt die Geschwindigkeit und führt die nötigen Lenkbewegungen aus. M hat auch seine Hände am Lenker ohne aber selbst aktive Bewegungen auszuführen. Bei einer Kontrolle wird bei beiden eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,2 Promille festgestellt.
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Einordnung des Falls
Trunkenheitsfahrt des Beifahrers auf einem E-Scooter
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T könnte sich wegen Trunkenheit im Verkehr strafbar gemacht haben (§ 316 Abs. 1 StGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. E-Scooter werden im Straßenverkehr wie Fahrräder behandelt, sodass T die Schwelle zur absoluten Fahruntüchtigkeit noch nicht erreicht hat.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. T hat den E-Scooter auch geführt, sodass sie sich zumindest wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr strafbar gemacht hat (§§ 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB).
Ja, in der Tat!
4. Weil nur T als vordere Fahrerin Einfluss auf die Geschwindigkeit und die Lenkbewegungen hatte, hat nur sie den E-Scooter „geführt“.
Nein!
5. Hat M schuldlos gehandelt, wenn er davon ausging, dass das bloße Festhalten des Lenkers keinen Straftatbestand erfüllt (§ 17 StGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Indiziert die Trunkenheitsfahrt auf dem E-Scooter die generelle Ungeeignetheit des Führens von Kraftfahrzeugen, sodass T und M auch der Verlust ihrer Kfz-Fahrlerlaubnis droht (§ 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB)?
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Sa.Ach
4.4.2024, 08:39:19
wie wäre es wenn der Beifahrer nüchtern wäre, aber wüsste dass derjenige am Steuer fahruntüchtig ist? macht sich der Beifahrer dann strafbar?

Merle_Breckwoldt
12.4.2024, 13:25:13
Hallo Sa.Ach, kurz gesagt: hier (und im Übrigen je nach Fallgestaltung) jedenfalls nicht nach
§ 316Abs. 1 StGB. Denn bei
§ 316Abs. 1 StGB handelt es sich um ein
eigenhändiges Delikt, eine
mittelbare Täterschaftdes "Beifahrers" M gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB scheidet also schon einmal aus. Für eine Anstiftung oder Beihilfe seinerseits (§§ 26, 27 StGB) fehlt es an der
erforderlichen
vorsätzlichen (!) rechtswidrigen Haupttat, denn einen
Vorsatzdes T bezüglich seiner Trunkenheitsfahrt konnten wir hier gerade nicht feststellen. Dementsprechend kommt nur eine allgemeine Fahrlässigkeits-Strafbarkeit Ms in Betracht. Viele Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team

Sa.Ach
12.4.2024, 19:26:16
Vielen Dank!

FW
24.7.2024, 16:13:48
Moin, bin ich der einzige, der findet, dass die Gleichbehandlung völlig unverhältnismäßig ist? Ich kann das nicht ganz nachvollziehen, wie eine Fahrt mit einem E-Scooter für Dritte gefährlicher sein soll als mit dem Fahrrad. Natürlich ist ein E-Scooter maschinengetrieben und dementsprechend als Kraftfahrzeug einzuordnen, jedoch gilt doch seit langem im Straßenverkehr nicht mehr die maschinengetriebene Auffassung, sondern die
verkehrstechnische Auffassung, zumindest bei § 7 I StVG. Damit wird ja gerade klargestellt, dass es für eine Gefährdung im Straßenverkehr nicht primär auf eine maschinengetriebene Nutzung drauf ankommt, sondern lediglich, ob das Fahrzeug in irgendeiner Art und Weise für den Verkehr gefährlich erscheint bzw. von diesen Gefahren ausgehen. Inwiefern ist denn dann bitte ein E-Scooter gefährlicher als ein Fahrrad bzw. genauso gefährlich wie ein Auto? Mit dem Fahrrad können locker Geschwindigkeiten von bis zu 30km/h erreicht werden; mit einem E-Scooter maximal 20km/h. Außerdem ist ein Fahrrad deutlich größer als ein E-Scooter. Dementsprechend sind diese beiden eher miteinander vergleichbar als ein E-Scooter mit einem Auto. Deswegen den Führerschein zu verlieren erscheint mir als ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Strafe muss schon sein, aber Entzug des Führerscheins, obwohl ich gleichzeitig mit bis zu 1,5 Promille Fahrrad fahren kann, ist wohl äußerst fragwürdig und m.E. ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 I GG oder wie gesagt den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Vincent
3.2.2025, 16:08:28
"Schon durch geringe Anspannung seiner geistigen Kräfte hätte M erkennen können, dass das Verbot von Trunkenheitsfahrten auch für ihn als „Beifahrer des Rollers“ gilt. Etwaige Zweifel hätte er jedenfalls durch verlässlichen und sachkundigen Rechtsrats beseitigen können. Somit war der Irrtum vermeidbar." Inwiefern ist von einer Person mit einer BAK von 1,2 Promille denn noch erwartbar, dass sie in der Lage ist klar zu denken? Auch aufgrund der verminderten geistigen Fähigkeit ist das Fahren unter Alkoholeinfluss ja verboten. Des Weiteren ist doch mehr als fraglich inwiefern nachts noch verlässlicher und sachkundiger Rechtsrat eingeholt werden kann