Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Erlöschen des Schuldverhältnisses

Tilgungsreihenfolge: Forderungen mehrerer Gläubiger

Tilgungsreihenfolge: Forderungen mehrerer Gläubiger

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A schuldet B Geld für eine Playstation 5 (€300, gekauft am 15.8.21) und ein Rennrad (€900, gekauft am 30.10.21). B tritt die Rennradforderung an C ab. Bevor B dem A dies mitteilt, zahlt A an B einen Abschlag in Höhe von €200 ohne anzugeben worauf er leistet. C will das Geld von B haben.

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Einordnung des Falls

Tilgungsreihenfolge: Forderungen mehrerer Gläubiger

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. C könnte gegen B einen bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch hinsichtlich der €200 haben (§ 816 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Ein bereicherungsrechtlicher Herausgabeanspruch § 816 Abs. 2 BGB besteht, wenn (1) an einen Nichtberechtigten, (2) eine Leistung bewirkt wird, die (3) dem Berechtigten gegenüber wirksam ist (§ 816 Abs. 2 BGB). Eine Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB) scheidet aus, da die Leistung nicht gegenüber C erbracht wurde.
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2. Für die Frage, ob B Nichtberechtigter bezüglich des Geldes ist, kommt es auf die Frage an, welche Schuld durch As Zahlung getilgt wird.

Ja!

Ein Nichtberechtigter ist jemand, der weder Inhaber einer Rechtsposition ist und auch sonst nicht zur Verfügung über sie berechtigt ist.Ursprünglich war B bezüglich beider Forderungen Gläubiger und damit zur Annahme des Geldes berechtigt. Durch die Abtretung der Rennradforderung hat C diesbezüglich seine Rechtsposition übernommen (§ 398 S. 2 BGB). Wenn A die Abschlagszahlung auf die Rennradschuld geleistet hat, wäre B diesbezüglich NIchtberechtigter. Für eine Einziehungsermächtigung die C durch B erteilt wurde, bietet der Sachverhalt keine Anhaltspunkte.

3. A hat durch die Zahlung des Abschlages erklärt, die Rennradschuld tilgen zu wollen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Hat der Schuldner gegenüber dem Gläubiger mehrere gleichartige Verbindlichkeiten, so kann er bestimmen, auf welche Verbindlichkeit er leisten will (§ 366 Abs. 1 BGB).A hat bei seiner Zahlung keine Tilgungsbestimmung getroffen.

4. Da A keine Tilgungsbestimmung getroffen hat, kann unmittelbar auf die gesetzliche Tilgungsreihenfolge (§ 366 Abs. 2 BGB) zurückgegriffen werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Die gesetzliche Tilgungsreihenfolge findet nach ihrem Wortlaut Anwendung, wenn einem Gläubiger mehrere Forderungen zustehen. Sofern die Forderungen verschiedenen Gläubigern zustehen, die gegenüber dem Schuldner als eine Person auftreten, so wird die Norm aber analog angewandt, da eine planwidrige Regelungslücke vorliegt und die Interessenlage vergleichbar ist. Durch die Abtretung stehen A nun mehrere Gläubiger gegenüber und eine unmittelbare Anwendung scheidet aus. Da er aber keine Kenntnis über die Abtretung hat, ist die gesetzliche Tilgungsreihenfolge analog anwendbar.

5. Durch die Zahlung der €200 hat A die Rennradschuld getilgt (§ 366 Abs. 2 BGB) .

Nein!

Trifft der Schuldner keine Bestimmung darüber, welche seiner Schulden getilgt werden soll, so wird unter mehreren fälligen Schulden diejenige getilgt, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, bei gleich sicheren Forderungen, die ältere. (§ 366 Abs. 2 BGB). Die Rennradschuld wurde erst nach der Playstationschuld begründet. Folglich ist die Zahlung auf die Playstationschuld anzurechnen.

6. C hat gegen B einen bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch hinsichtlich der €200 (§ 816 Abs. 2 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein bereicherungsrechtlicher Herausgabeanspruch § 816 Abs. 2 BGB besteht, wenn (1) an einen Nichtberechtigten, (2) eine Leistung bewirkt wird, die (3) dem Berechtigten gegenüber wirksam ist (§ 816 Abs. 2 BGB).Hinsichtlich der Playstationschuld ist B als Inhaberin der Forderung weiterhin berechtigte Empfängerin gewesen. Die Zahlung erfolgte somit nicht an einen Nichtberechtigten. Da die Zahlung nicht auf die Rennradschuld erfolgte, muss C sich diese auch nicht von A entgegenhalten lassen (§ 407 Abs. 1 BGB). Sie kann also von A weiterhin die volle Summe verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jana-Kristin

Jana-Kristin

1.5.2022, 19:31:07

Ist hier nicht statt der älteren Schuld vorrangig der Fall der lästigeren Schuld einschlägig, weil die "Playstationschuld" höher verzinst werden müsste?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.5.2022, 10:06:38

Hallo Jana-Kristin, schöner Gedanke. Im Sachverhalt findet sich indes keine Angabe dazu, dass die Schulden verzinst werden. Für die gesetzlichen Zinsen (§ 288 BGB) bedürfte es des

Schuldnerverzug

es des A (§ 286 BGB), worüber wir ebenfalls nichts wissen. Wenn wir aber mal davon ausgehen, dass beide Schulden mit zB 1% verzinst würden, so macht es im Ergebnis keinen Unterschied, auf welche der beiden Schulden A zahlt. Denn die Einsparung würde in beiden Fällen gleich hoch sein (jeweils 1% von 200 €). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

18.7.2022, 16:55:39

Wie ist der Begriff “lästig” in § 366 Abs. 2 BGB zu verstehen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.8.2022, 16:10:57

Hallo QuiGonTim, die "Lästigkeit" ergibt sich daraus, welche Rechtsfolgen die Nichterfüllung der jeweiligen Schuld für den Schuldner nach sich zieht. Dazu gehört insbesondere ein höherer Zinssatz bzw. der Umstand, dass die Nichterfüllung der Schuld mit einer Straf

drohung

bzw. Vertragsstrafe bewehrt ist. Aber auch sonstige Rechtsfolgen können hier mit reinspielen (zB Verlust des Versicherungsschutzes bei Versicherungsverhältnissen, Kündigungsrecht des Gläubigers im Mietverhältnis...., vgl. MüKoBGB/Fetzer, 9. Aufl. 2022, BGB § 366 Rn. 16). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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