Motorradwettfahrt

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A und B bestreiten ein illegales Wettrennen mit ihren Motorrädern. Dabei fährt der deutlich schwächer motorisierte und angetrunkene B immer wieder Schlangenlinien, um ein Überholen des A zu verhindern. Bei einem erneuten Überholmanöver des A kurz vor dem Ziel verunglückt B tödlich.

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Einordnung des Falls

Motorradwettfahrt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat kausal den Tod des B herbeigeführt.

Ja!

Nach der Äquivalenztheorie (= conditio-sine-qua-non-Formel) ist eine Handlung kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.Hätte A kein Wettrennen mit B verabredet und durchgeführt, wäre dieser auch nicht tödlich verunglückt.
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2. A hat sich objektiv sorgfaltspflichtwidrig verhalten.

Genau, so ist das!

Der einschlägige Sorgfaltsmaßstab ergibt sich jedenfalls aus § 315d Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB. Danach ist die Durchführung von bzw. die Teilnahme an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen verboten. A nahm indes an dem nicht erlaubten Motorradwettrennen mit B teil.Zum Zeitpunkt der Entscheidung des BGH (1955), gab es § 315d StGB noch nicht bzw. nicht mehr (vgl. § 31 KraftfahrzeugVO vom 10. Mai 1932). Der BGH musste die objektive Pflichtwidrigkeit insofern auf die Einzelfallumstände stützen. Dabei hat er insbesondere die Gefährlichkeit und Sinnlosigkeit der Wettfahrt angeführt, sowie den Umstand, dass B alkoholisiert und schwächer motorisiert war.

3. Der Tod des B war objektiv vorhersehbar.

Ja, in der Tat!

Die objektive Vorhersehbarkeit setzt voraus, dass der Erfolgseintritt sowie Kausalverlauf für einen Durchschnittsmenschen des jeweiligen Verkehrskreises absehbar gewesen ist. Für einen durchschnittlichen Kraftfahrer ist es nicht unvorhersehbar, dass es bei einem Kraftfahrzeugrennen, bei dem typischerweise besondere Risiken zum Erreichen der höchstmöglichen Geschwindigkeit eingegangen werden, zu mitunter tödlichen Unfällen kommen kann.

4. Nach Ansicht des BGH steht der Strafbarkeit des A auch nicht entgegen, dass er lediglich an der Selbstgefährdung des B durch gemeinsames gefährliches Tun mitwirkte.

Ja!

BGH: Ein Verhalten gilt dann nicht als pflichtwidrig, wenn beim gemeinsamen gefährlichen Tun jemand selbstverantwortlich die Gefahr in Kauf nimmt und tödlich verunglückt, der andere aber seiner allgemeinen Sorgfaltspflicht einer billigen Rücksichtnahme auf die Gesundheit anderer genügt. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. BGH: Angesichts der schwächeren Motorisierung des B und dem vorherigen Fahrmanövern musste A damit rechnen, dass B erneut das Überholen des A verhindern wollen würde, sodass As Verhalten pflichtwidrig ist (RdNr. 8). Dogmatisch sauberer wäre diese Frage in der Klausur allerdings unter der objektiven Zurechnung zu verorten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Leonard John

Leonard John

26.11.2021, 09:51:58

Ich denke, es ist unschicklich, kommentarlos auf §

315d

StGB als Sorgfaltsnorm abzustellen und gleichzeitig die BGH-Entscheidung zu zitieren, bei der es diese Norm noch nicht gab.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.11.2021, 11:17:12

Vielen Dank für den super Hinweis, Leonard! Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass das etwas irreführend wirkt. Da unsere systematischen Kurse indes der Vermittlung der wesentlichen Kenntnisse für das Staatsexamen nach aktueller Gesetzeslage dienen, ist es aus unserer Sicht wichtiger, auch die gesetzlichen Neuerungen mit aufzunehmen, als 1:1 die Entscheidung zu kopieren. Aus Transparenz- und Klarstellungsgründen haben wir aber hier noch einen Vertiefungshinweis eingebaut. Interessant ist übrigens, dass der BGH in der Entscheidung sogar auf ein vergleichbares Verbot hingewiesen hat, dass es noch während der Weimarer Republik gegeben hatte. Dieses galt aber eben nicht mehr zum Zeitpunkt der Entscheidung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CH1RON

CH1RON

2.5.2022, 12:07:37

Die letzte Frage spricht im „Klausurhinweis“ davon, es sei „dogmatisch sauberer“, das Problem - entgegen der (immerhin) vom BGH vertretenen Lösung über den subjektiven Tatbestand - in der „objektiven Zurechnung“ zu lösen. Das setzte allerdings voraus, dass man dem „Dogma“ auch folgt - denn „sauber“ ist diese Lösung gerade nur in Universitätskreisen, nicht allerdings aus Sicht der Rechtsprechung. Hier sollte mE - will man bei der Formulierung bleiben - ein Zusatz erfolgen a la „in der Klausur“, „in der Prüfungssituation“, „bis zum Ersten StEx“ etc

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.5.2022, 18:35:42

Hallo CH1RON, vielen Dank für die Anmerkung. In der Tat handelt es sich bei dem Klausurhinweis in erster Linie um eine HIlfestellung für die Klausurlösung. Denn flächendeckend wird an der Universität die

objektive Zurechnung

im Aufbau als gesonderter Prüfungspunkt des objektiven Tatbestandes gelehrt und vermittelt. Wir haben aber zur Klarstellung noch einen kleinen Zusatz ergänzt ;-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CH1RON

CH1RON

16.5.2022, 08:45:56

„in der Klausur“, smooth! Damit kann ich sehr leben ;)


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