Baugerüst (Risikoverringerung)

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A stößt B, der unter einem Baugerüst entlangläuft, beherzt beiseite, als er sieht, wie eine Palette Ziegelsteine auf B hinabzufallen droht. B zieht sich eine Prellung zu. Ohne das Eingreifen des A wäre B genau unter die herunterfallenden Steine geraten.

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Einordnung des Falls

Baugerüst (Risikoverringerung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A ist der Körperverletzungserfolg objektiv zuzurechnen.

Genau, so ist das!

Risikoverringerung liegt vor, wenn jemand einen bereits angelegten Kausalverlauf im Umfang der drohenden Schäden für den Betroffenen auf die Weise reduziert, dass er diese in ihrer nachteiligen Wirkung abschwächt, ohne zugleich eine eigenständige, anders gelagerte Gefahr zu setzen. In diesem Fall hat der Täter keine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen.A hat einen drohenden schweren Schaden (B wäre sonst von der Palette mit Ziegelsteinen erschlagen worden) abgewendet. Er hat aber zugleich eine neue eigenständige Gefahr für B begründet (Risikoersetzung), die sich in den Prellungen realisiert hat.
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2. A hat die Prellung des B kausal verursacht.

Ja, in der Tat!

Rspr. und hL bestimmen die Kausalität überwiegend nach der Äquivalenztheorie (= conditio-sine-qua-non-Formel). Eine Handlung ist danach kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.Hätte A den B nicht beherzt beiseite gestoßen, hätte B sich keine Prellung zugezogen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Rüsselrecht 🐘

Rüsselrecht 🐘

14.3.2021, 22:35:07

In einem vorherigen Fall wurde die Ablenkung eines Schlages gegen Kopf des Opfers auf die Schulter als Risikoverringerung gesehen und die

objektive Zurechnung

verneint. Hier ist der Schaden in Form einer Prellung deutlich geringer als von Ziegelsteinen erschlagen zu werden. Die

objektive Zurechnung

wird jedoch angenommen. Worin liegt der Unterschied bei der Beurteilung der Risikoverringerung? Ich hätte in beiden Fällen die Zurechnung verneint.

GI

GingerCharme

14.3.2021, 22:45:54

Der Unterschied liegt darin, ob eine neue Schadensursache gesetzt wird. Der abgelenkte Schlag, bleibt derselbe Schlag, wird nur auf ein weniger empfindliches Körperteil gelenkt - deshalb Risikoveringerung

objektive Zurechnung

(-). Der "Ablenkende", schaffte keine neuartige Gefahr. Bei den Ziegelsteinen, wäre die eine Schadensursache, die fallenden Ziegelsteine. "Schubst" nun jemand, dann setzt er eine neue Schadensursache für die folgende Prellung, Schubsen ungleich Ziegelsteine. Es liegt eine Risikoersetzung vor.

Objektive Zurechnung

also (+). Anders wäre es, wenn die Ziegelsteine den Kopf des Opfers träfen, nun lenkt jemand die Steine auf weniger anfällige Körperteile um - nun wieder Risikoverringerung. Hoffe es war einigermaßen verständlich und oder hilfreich 🤔

Rüsselrecht 🐘

Rüsselrecht 🐘

16.3.2021, 18:20:43

Okay, es kommt also nicht auf den Vergleich der Zustände des Opfers an, sondern betrachtet wird die Wirkung der „Abwehrtat“. Wird im Strafmaß berücksichtigt, dass die Folgen für das Opfer (Prellung < Erschlagen von Steinen) weniger drastisch sind. Ich hätte lieber eine Prellung so einen Stein auf dem Kopf 🙈

GI

GingerCharme

16.3.2021, 18:31:59

Genau, dass Ausmaß des Schadens ist erstmal irrelevant, solange nicht das Rechtsgut weniger beeinträchtigt wurde UND zusätzlich keine neue Schadensquelle eröffnet wurde. Weniger Schäden beim Opfer alleine reichen nicht aus. Ich denke, dass dies dann über 34 StGB gelöst wird und somit gerechtfertigt wird, da: a) eine Gefahr für ein wichtiges Rechtsgut eines anderen abgewendet wird b) keine widerstreitenden Interessen entgegenstehen (Prellung deutlich vorteilhafter als Erschlagen werden) c) das geschützte Interesse also wesentlich überwiegt und ein angemessenes Mittel zur Gefahrabwendung darstellt.

Objektive Zurechnung

also (+) aber Rechtswidrigkeit, der dann eigentlich tatbestandlich vorliegenden KV (-). Jedenfalls hätte ich das dann so gelöst 🤔

Rüsselrecht 🐘

Rüsselrecht 🐘

18.3.2021, 19:01:34

Du bist klasse. Danke Dir ☺️

BAP

Bastian P.

17.12.2023, 19:33:19

Könnte man hier dann auch über eine (mutmaßliche) Einwilligung nachdenken als Rechtfertigungsgrund? Wäre für mich zum mindest einschlägiger als rechtf. Notstand nach 34 StGB.

MAR

Martymcfly

16.3.2021, 13:08:47

Lösung geändert? Habt Ihr in diesem Fall die Lösung geändert? Ich meine vor ein paar Tagen wurde die objektive Zurechnen noch wegen Risikoverringerung verneint. Ich bin verwirrt. Solltet ihr Lösungen ändern, finde ich da irgendwo einen Changelog?

GEL

gelöscht

16.3.2021, 14:43:56

Hallo Martymcfly, tatsächlich haben wir die Lösung korrigiert. Im Forum hat es viel Verwirrung wegen diesem Fall gegeben, weswegen wir ihn nochmal im Team besprochen hatten. Die Risikoverringerung liegt hier gerade nicht vor, weil die Prellungen durch das Schubsen des A eben andere sind als die durch die Ziegelsteine drohenden. Einen Changelog gibt es bisher nicht. Die Idee ist aber super und wird weitergeleitet! Viele Grüße Adrian, für das Jurafuchs-Team

MAR

Martymcfly

16.3.2021, 14:58:17

Hallo Adrian, Vielen Dank für die schnelle Antwort. Fehler können passieren. Finde es klasse, dass Ihr die Fälle bei Bedarf anpasst. Vielleicht findet Ihr noch eine Möglichkeit, solch eine Änderung dann für diejenigen kenntlich zu machen, welche den Fall bereits gesehen/bearbeitet haben. Oder habe ich das übersehen? Liebe Grüße

GEL

gelöscht

16.3.2021, 15:04:22

Nein, Du hast nichts übersehen! Über die Art und Weise wie wir bestimmte Fälle nach Änderungen am besten kenntlich machen könnten, tauschen wir uns bereits aus. Vielen Dank für Deine Mitarbeit! 😉


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