Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Objektive Zurechnung

Tödliche Notlandung in der Wüste (Risikoverringerung und Schaffung neuer Gefahr)

Tödliche Notlandung in der Wüste (Risikoverringerung und Schaffung neuer Gefahr)

11. Juli 2025

16 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A, B und C müssen beim Segelfliegen in der Wüste notlanden. A möchte C loswerden. Er gibt ein sofort tödliches Gift in C's Trinkflasche. B möchte C ebenfalls loswerden und bohrt C's Flasche an, so dass sie ausläuft. C verdurstet daraufhin.

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Einordnung des Falls

Tödliche Notlandung in der Wüste (Risikoverringerung und Schaffung neuer Gefahr)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat den Tod des C durch die Vergiftung des Wassers kausal verursacht.

Nein!

Rspr. und hL bestimmen die Kausalität überwiegend nach der Äquivalenztheorie (= conditio-sine-qua-non-Formel). Eine Handlung ist danach kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.B hat mit dem Anbohren der Flasche eine völlig neue Kausalkette in Gang gesetzt und damit die von T gesetzte Kausalkette abgebrochen. Die Vergiftungshandlung des A kann hinweggedacht werden, ohne dass der Tod durch Verdursten entfiele. A hat den Tod des C somit nicht kausal verursacht.
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2. Der Tod des C ist B objektiv zuzurechnen.

Genau, so ist das!

Risikoverringerung liegt vor, wenn jemand einen bereits angelegten Kausalverlauf im Umfang der drohenden Schäden für den Betroffenen auf die Weise reduziert, dass er diese in ihrer nachteiligen Wirkung abschwächt, ohne zugleich eine eigenständige, anders gelagerte Gefahr zu setzen. In diesem Fall hat der Täter keine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen.Indem B die Flasche angebohrt hat, hat er zwar die Gefahr des vergifteten Wassers entschärft und insofern keine Lebensverkürzung, sondern eine Lebensverlängerung des C bewirkt. Er hat aber zugleich eine ganz neue rechtlich missbilligte Gefahr (das Verdursten) für C geschaffen, die sich auch im konkreten Todeserfolg bei C realisiert hat.

3. B hat den Tod des C kausal verursacht.

Ja, in der Tat!

Rspr. und hL bestimmen die Kausalität überwiegend nach der Äquivalenztheorie (= conditio-sine-qua-non-Formel). Eine Handlung ist danach kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.Hätte B nicht die Flasche des C angebohrt, wäre die Flasche nicht ausgelaufen und C nicht verdurstet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

S.

s.t.

15.8.2021, 13:27:31

Hier fliege ich ja bei der Kausalität der Strafbarkeit von A raus.. müsste ich die Handlung des B nicht dann noch in dem

Rücktritt

shandlung des Versuchs thematisieren ?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

19.11.2021, 10:27:25

Hallo s.t., B hat hier einen vollendeten Totschlag (bzw. aufgrund der heimtückischen begangen wohl sogar Mord) begangen. Für eine

Rücktritt

sprüfung ist hier kein Raum. Bei A dagegen hätte man in der Tat weiterprüfen müssen, inwieweit er sich wegen Versuches strafbar gemacht hat. Sein Versuch ist durch die Beschädigung der Flasche durch B fehlgeschlagen. Auch hier wäre insoweit kein Raum für einen

Rücktritt

. Da wir uns in der Einheit primär mit der objektiven Zurechnung befassen, wurde hier nicht mehr weitergeprüft. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BLU

blu

23.11.2021, 22:55:42

C hat ja einen eigenständige Neue

Gefahr

begründet.. spricht man in dem Fall von einer Risikoersetzung?

nullumcrimen

nullumcrimen

6.6.2024, 18:05:41

Also ich würde davon ausgehen, dass hier eine unbewusste Risikoersetzung stattgefunden hat. Er hat zwar die

Gefahr

, die durch das Gift ausgeht, ungewollt beseitigt, mit der gleichen Handlung jedoch eine neue, rechtlich missbilligte

Gefahr

geschaffen.

lennart20

lennart20

21.4.2023, 10:50:15

Hier könnte bei der Frage nach der Kausalität die überholende/

fortwirkende Kausalität

angemerkt werden. Somit würde man das Ergebnis weiter präzisieren. Vielen Dank

lennart20

lennart20

22.4.2023, 17:58:07

Ich meine überholende/abgebrochene

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.4.2023, 12:53:07

Danke Lennart, wir haben das in der Subsumtion noch präzisiert :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

ROB

Robinski

19.5.2024, 19:05:10

Wäre es auch vertretbar die objektive Zurechnung mit dem Argument, dass das Wasser ohnehin nicht trinkbar war, abzulehnen? Weil sonst hätte B ja auch das Risiko des Verdursten setzen können indem er C über das Gift aufklärt, wodurch dieser nichts getrunken hätte und ebenfalls verdurstet wäre.

Maximilian Puschmann

Maximilian Puschmann

20.5.2024, 12:50:08

Hallo Robinski,  der B wusste scheinbar nicht, dass das Wasser vergiftet ist. Der Fall ist so zu beurteilen, wie er ist, und da hat der B einen komplett neuen Ablauf durch sein Dazwischentreten gesetzt.  Hätte er jetzt gewusst, dass das Wasser vergiftet ist, und hätte den C darüber aufgeklärt, in der Absicht, den Vergiftungstod zu verhindern, dann wäre er natürlich straffrei.  Beste Grüße  Max - Für das Jurafuchs-Team

JI

Jimmy105

28.6.2024, 16:26:43

Die Frage ist doch eigentlich die: Bestand für B die Möglichkeit sich rechtmäßig (alternativ) zu Verhalten, bzw. muss er für dieses rechtmäßige Verhalten wissen dass es dies gibt? B wusste nicht von dem gift = keine unterlassene aufklärung B hätte nur unterlassen können selbst eine

gefahr

zu schaffen (das loch zu setzen) letztlich ist das aber eine neue

gefahr

die die erste ersetzt. faktisch rettet er ihn ja unwissentlich. für mich hat das jetzt was von Gesinnungsstrafrecht, wenn B ihm eigentlich das leben verlängert. ich finde das ignoriert die hypothetische rettungsmöglichkeit dahingehend das wasser mit dem opfer zu teilen (was nicht passiert ist. letztlich hätte ich gesagt, dass eher dass der vorwurf sein müsste. A und B haben gemeinschaftlich unterlassen also getötet. die versuche von A und B hätte ich als Fehlgeschlagen abgetan. Was meint ihr?

Rechthaber

Rechthaber

25.10.2024, 10:50:46

Der Fall spiegelt doch die Konstellation wieder, wo der objektive Tatbestand des 904 S 1 BGB gegeben ist, aber der Täter kein

subjektives Rechtfertigungselement

hat oder nicht ? Eine solche Konstellation wird doch über die Versuchsregelungen analog gelöst bzw über eine Strafzumessungsregelung weil das

Erfolgsunrecht

auf Ebene der Rechtfertigung durch das Vorliegen des objektiven Rechtfertigungstatbestands kompensiert wird.

LELEE

Leo Lee

27.10.2024, 11:15:26

Hallo Rechthaber, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Vorab: Hier geht es darum, dass ein Mensch aus dem Weg geräumt werden soll, weshalb der 904 BGB eher fehl am Platz ist (diese Norm wird eher i.R.d. Sachbeschädigung relevant und nicht bei der Tötung eines Menschen). Die Situation, die du wahrscheinlich meinst, ist die des ent

schuld

igenden Notstands, 35 StGB. Hier ist in der Tat neben einem obj. Element auch ein subj. Element (also der "Vorsatz" bezogen auf diese Rechtfertigung) notwendig. Allerdings gibt der SV zu wenig her, um diese Frage nach der Inkongruenz zw. dem Erfolgs- und Handlungsunrecht zu besprechen. Wir haben auf diese Ausführungen verzichtet, weil wir uns hier erstmal nur auf den obj. TB - obj. Zurechnung - konzentrieren wollten :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Rechthaber

Rechthaber

27.10.2024, 20:40:54

Danke für die Antwort :) war vom Gedanken bei 904, weil die Trinkflsdche gebohrt wurde. Rechtfertigt natürlich kein Angriff in das Leben eines anderen :)

Deno

Deno

9.1.2025, 16:11:03

Liegt hier keine

alternative Kausalität

bei A vor, weil der

tatbestandlich

e Erfolg in seiner konkreten Form bei Bs Handlung (Tod durch Verdursten) anders ist als er bei A wäre (Tod durch Vergiftung)?

LMA

Lt. Maverick

27.6.2025, 12:02:18

Die

alternative Kausalität

würde voraussetzen, dass beide Handlungen für sich gesehen jeweils den

tatbestandlich

en Erfolg herbeigeführt hätten. Der

tatbestandlich

e Erfolg ist Tod durch Verdursten, nicht Tod durch Vergiftung. Das heißt, dass der konkrete Erfolg schon nicht durch das Gift verursacht wurde. Der von A in Gang gesetzte Kausalverlauf wurde durch das Dazwischentreten des B, welches nicht an das Verhalten des A knüpfte, unterbrochen. B hat, unabhängig von A, eine völlig neue

Gefahr

geschaffen, die sich im konkreten Erfolg realisiert hat.

LMP

LMP

12.6.2025, 17:40:25

Nach meinem Empfinden stimmen Maßstab und Subsumtion nicht überein. In dem Maßstab wird festgelegt, dass eine Risikoersetzung vorliegt, sofern kein neues Risiko entsteht. In der Subsumtion wird das neue Risiko durch das Verdursten gesetzt. Somit müsste doch der Maßstab hin zur Risikoersetzung angepasst werden, oder?


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