+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M2 sieht zufällig, wie M1 ihren gemeinsamen Feind O würgt. Da O wild um sich schlägt, ruft M1 dem M2 zu: „Halt ihn still!" Daraufhin packt M2 die Arme des O, so dass es dem M1 gelingt, den O zu erwürgen.
Einordnung des Falls
Sukzessive Mittäterschaft bei Versuch
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. M1 hat sich wegen Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht, indem er den O erwürgte.
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Ja, in der Tat!
Der Taterfolg ist eingetreten, O ist tot. Hierfür ist das Würgen durch M1 kausal geworden. Er handelte auch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Damit ist er strafbar wegen § 212 Abs. 1 StGB. Bezüglich der Strafbarkeit des M2 fragt sich, ob ihm das Würgen durch M1 nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Mittäterschaft setzt (1) eine gemeinsame Tatausführung mit wesentlichen Tatbeiträgen sowie (2) einen Entschluss zur gemeinsamen, arbeitsteilig auf vergleichbarer Augenhöhe begangenen Tat voraus. Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass M2 erst hinzugekommen ist, als die Tat bereits in die Versuchsphase eingetreten war (sog. sukzessive Mittäterschaft).
2. Es ist unstrittig möglich, einen mittäterschaftsbegründenen Tatbeitrag zu erbringen, wenn der andere sich bereits und noch im Versuchsstadium befindet.
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Ja!
Bis zur Vollendung der Tat ist eine sukzessive Mittäterschaft unstrittig möglich. Sukzessive Mittäterschaft liegt vor, wenn jemand in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen tatbestandsmäßigen Handelns in das tatbestandsmäßige Geschehen als Mittäter eingreift. Eine Zurechnung bereits verwirklichter Tatumstände ist jedoch nur dann möglich, wenn der Hinzutretende selbst einen für die Tatbestandsverwirklichung ursächlichen Beitrag leistet. Außerdem erfordert die gebotene Willensübereinstimmung, dass der andere seine Tätigkeit durch die geleistete Unterstützung vervollständigen und diese sich zurechnen lassen will.
3. Vorliegend sind die Voraussetzungen der sukzessiven Mittäterschaft gegeben.
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Genau, so ist das!
Die Tat des M1 befand sich noch im Versuchsstadium. Weiter ist M2 nach der Aufforderung des M1 in einer Weise tätig geworden, die darauf schließen lässt, dass er dem Plan des M1 beitreten wollte. Ein sukzessive gefasster gemeinsamer Tatentschluss liegt somit vor. Ferner hat die sukzessive Tatmitwirkung des M2 auch objektiv zur Tat beigetragen, denn allein ist es M1 nicht gelungen, den O zu erwürgen. M2 hat diesen Beitrag mit Tatherrschaft und Täterwillen geleistet, also einen mittäterschaftsbegründenden Tatbeitrag erbracht. Er handelte insoweit vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Mithin ist er strafbar wegen §§ 212 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB.