Mittäterschaft durch Mitwirkung im Vorbereitungsstadium


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Klassisches Klausurproblem

M1 stiehlt die Kuh des O. M2 ist zwar am Tatort nicht anwesend, von ihm stammt aber der penibel durchdachte Plan. Auch stellt er dem M1 ein Transportfahrzeug zur Verfügung und veräußert später die Kuh. Der Beuteerlös wird gleichmäßig geteilt.

Einordnung des Falls

Mittäterschaft durch Mitwirkung im Vorbereitungsstadium

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M1 hat sich wegen Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht, indem er die Kuh des O gestohlen hat.

Ja!

Der Diebstahlstatbestand setzt voraus: (1) Fremde bewegliche Sache, (2) Wegnahme, (3) Vorsatz, (4) Absicht rechtswidriger Zueignung. Die Kuh ist eine (bewegliche) Sache im strafrechtlichen Sinne. Da sie im Eigentum des O stand, war sie für M1 fremd. Die Wegnahme liegt in der eigenmächtigen Gewahrsamserlangung der Kuh. M1 handelte vorsätzlich und in der Absicht rechtswidriger Zueignung, da er wollte, dass O dauerhaft nicht mehr auf die Kuh zugreifen kann und beabsichtigte, dass er bzw. M2 die Verfügungsgewalt über die Kuh (zumindest vorübergehend) ausübt. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. M1 ist demnach wegen § 242 Abs. 1 StGB strafbar.

2. M2 hat sich wegen Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) in unmittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 1 StGB) strafbar gemacht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Kuh ist eine fremde bewegliche Sache. M2 hat diese zwar nicht selbst weggenommen, ihm könnte aber die Wegnahme des M1 nach § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen sein. Mittäterschaft setzt (1) eine gemeinsame Tatausführung mit wesentlichen Tatbeiträgen sowie (2) einen Entschluss zur gemeinsamen, arbeitsteilig auf vergleichbarer Augenhöhe begangenen Tat voraus.Hier lag zwar eine vorherige Absprache vor. Hinsichtlich der gemeinsamen Tatausführung ist indes problematisch, dass M2 bei der Tatausführung gar nicht anwesend war. Vielmehr beschränkten sich seine Mitwirkungsakte auf das Vorbereitungsstadium. Strittig ist, ob dies Mittäterschaft begründen kann.

3. Auf Grundlage der strengen Tatherrschaftslehre hat M2 einen mittäterschaftsbegründenden Tatbeitrag erbracht (§§ 242 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Nach der strengen Tatherrschaftslehre ist nur derjenige Mittäter, der auch in der Ausführungsphase, also ab Versuchsbeginn bis zur Beendigung unmittelbar durch einen erheblichen Beitrag an der Tatbegehung mitwirkt.Da M2 in der gesamten Ausführungsphase keine Beiträge erbrachte, könnte er danach nur als Teilnehmer bestraft werden. Diese Ansicht führt ins Feld, dass derjenige, der während der Tat nicht vor Ort anwesend ist, das Tatgeschehen lediglich beeinflussen, nicht aber beherrschen könne. Hiergegen spricht, dass es nicht auf den Zeitpunkt der Erbringung eines Tatbeitrags ankommen kann, sondern allein auf dessen Bedeutung für die Tat.

4. Auf Grundlage der weiten Tatherrschaftslehre hat M2 einen mittäterschaftsbegründenden Tatbeitrag erbracht (§§ 242 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB).

Ja!

Nach der weiten Tatherrschaftslehre (h.L.) genügen für eine Begründung der Mittäterschaft Tatbeiträge im Vorbereitungsstadium, wenn das „Minus“ bei der Ausführung durch das „Plus“ in der Vorbereitung kompensiert wird (funktionale Tatherrschaft). Der Tatbeitrag im Vorfeld muss so bedeutsam sein, dass die fehlende Anwesenheit bei der Tatausführung durch die Stellung des Täters innerhalb der Gesamtorganisation ausgeglichen wird.M2 hat die Tatausführung weitgehend vorgezeichnet und bestimmt, denn von ihm stammte der „penibel durchdachte Plan" und er stellte dem M1 das Transportfahrzeug zur Verfügung. Danach besaß M2 funktionale Mittatherrschaft.

5. Auf Grundlage der gemäßigt subjektiven Theorie der Rspr. hat M2 einen mittäterschaftsbegründenden Tatbeitrag erbracht (§§ 242 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Ausgangspunkt der subjektiven Theorie ist die innere Einstellung des Täters. Danach ist Täter, wer die Tat als eigene will. Dabei sind die maßgeblichen Kriterien der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu.Wegen der Erlangung des Anteils am Beuteerlös hatte M2 ein erhebliches Eigeninteresse am Diebstahlserfolg. Ferner hat er das Fahrzeug zur Verfügung gestellt und den Tatplan entwickelt, mithin gewichtige Tatbeiträge erbracht. Damit ist M2 nach diesem Verständnis Mittäter. Des Weiteren handelte er vorsätzlich, mit der Absicht rechtswidriger Zueignung, rechtswidrig und schuldhaft.

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CAJE

Cajetan

15.5.2021, 01:29:28

Braucht es nicht auch gerade bei der gemäßigten subjektiven Theorie einen objektiven Tatbeitrag? Die reine Abgrenzung nach Täterwillen ist doch gerade nicht die gemäßigte, sondern die uneingeschränkt subjektive Theorie.

Tigerwitsch

Tigerwitsch

15.5.2021, 14:53:50

Das stimmt 👍🏻 Bei der subjektiven Theorie kann zwischen der „strengen“ Ansicht (= innere Willensrichtung allein maßgeblich) und der „gemäßigten“ Ansicht (= subjektive Theorie auf objekt. Grundlage) unterschieden werden. Letztere wird vom der neueren Rechtsprechung vertreten. So grenzt der BGH in einer (wertenden) Gesamtschau aller Umstände die (Mit-)Täterschaft von der Teilnahme ab (vgl. BGH, U. v. 19.10.1962 - AZ.: 9 StE 4/62). Demnach ist auf den Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, den Umfang der Tatbeteiligung sowie Tatherrschaft/-wille abzustellen (BGH, B. v. 14.02.2012 - AZ.: 3 StR 446/11). Mittäter ist danach, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint (vgl. nur BGH, U. v. 16.03.2016 - AZ.: 2 StR 346/15). Außerdem erfordert eine Mittäterschaft nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen bzw. Anwesenheit am Tatort. Ausreichen kann vielmehr auch ein die

Tatbestandsverwirklichung

fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt (vgl. nur BGH, B. v. 08.12.2015 - AZ.: 3 StR 439/15). So liegt es hier: M2 war zwar nicht am Tatort. Er hat jedoch den Tatplan ausgearbeitet und ein Fahrzeug bereitgestellt. Demnach will der die Tat als eigene und hat daneben wesentliche Tatbeiträge geleistet. Nach der Gesamtschau der Umstände sind ihm die Handlungen des M1 zuzurechnen und er ist als Mittäter iSd § 25 Abs. 2 StGB zu qualifizieren.

CAJE

Cajetan

15.5.2021, 17:46:46

Ah, die Erweiterung aus der letzten Entscheidung war mir nicht bekannt. Vielen Dank Tigerwitsch, wie immer eine Ehre 🎩

FABY

Faby

4.5.2023, 09:59:32

Auch in den Erklärungstexten/Lösungen von Jurafuchs sollte m.M.n. so erklärt bzw. abgegrenzt werden. Verwirrend war an der einen Stelle, dass einerseits nach der gemäßgt subjektiven Theorie gefragt wurde aber in der Lösung dann nur von der "subjektiven Theorie" gesprochen wird. Es gibt da also scheinbar bisher keine so klare Trennung. Auch der objektive Tatbeitrag wird als Abgrenzungsmerkmal (zwischen uneingeschränkter/gemäßigter subjektiver Theorie) nicht so deutlich. :)

JURA

Jurapro

17.4.2024, 20:12:20

In der Klausur würde ich dann den Theorienstreit zwischen Tatherrschaftslehre und Täterwillen nicht mehr beim Entschluss zur gemeinsamen Tatausführung ansprechen, sondern mich da kurzhalten und nur feststellen, dass sie gemeinsam die Tat begehen wollten, richtig?

MLENA

MLena

25.4.2024, 14:42:09

Du sprichst den Streit nur einmal an und auch wirklich nur, wenn es hier Probleme gibt. Im Folgenden kannst du dann auf oben verweisen. Klassischerweise spricht man den Streit im OTB an unter I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Tatbestand verwirklicht b. Gemeinschaftliche Tatbegehung aa. Tatbeitrag für jeden Mittäter gesondert bestimmen. bb. Gegenseitige Zurechnung § 25 II --> hier kommt der Streit. c. Gemeinsamer Tatplan 2. Subjektiver Tatbestand


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