Strafrecht
Strafprozessrecht
Das Erkenntnisverfahren
U-Haft – verfassungskonforme Auslegung von § 112 III
U-Haft – verfassungskonforme Auslegung von § 112 III
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die 80-jährige Rollstuhlfahrerin R erstattet Selbstanzeige: Sie habe ihren Mann umgebracht, indem sie ihn von einer Leiter stieß. R wohnt seit 60 Jahren im eigenen Haus am selben Ort und hat dort 5 Kinder und 10 Enkelkinder. Wegen dringenden Tatverdachts beantragt die Staatsanwaltschaft Haftbefehl.
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Einordnung des Falls
U-Haft – verfassungskonforme Auslegung von § 112 III
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Es liegt ein Haftgrund iSv § 112 Abs. 2 StPO vor.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Untersuchungshaft kann ausnahmsweise auch ohne Vorliegen eines Haftgrunds iSv § 112 Abs. 2 StPO angeordnet werden.
Ja!
3. § 112 Abs. 3 StPO hat nach der Rechtsprechung des BVerfG keine weiteren Voraussetzungen außer den dringenden Tatverdacht bezüglich eines Kapitaldelikts.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
ehemalige:r Nutzer:in
25.9.2021, 18:44:14
Die begangene Tat steht doch nicht in § 112a StPO, sodass diese Vorschrift bereits hieran scheitern dürfte und nicht an der Unwahrscheinlichkeit aufgrund der Beziehungstat.
Lukas_Mengestu
4.10.2021, 16:23:34
Hallo Paci96, in der Tat stehen die Tötungsdelikte nicht im Katalog des - subsidiären - § 112a StPO. Das ist im Hinblick auf die Gesetzessystematik auch nur folgerichtig, da nach dem Wortlaut des § 112 Abs. 3 StPO in den Fällen der dort aufgeführten Delikte überhaupt kein Haftgrund erforderlich wäre. Folglich bedarf es hier eigentlich auch keiner Aufnahme in den Katalog des § 112a Abs. 1 StPO. Da das BVerfG den heutigen § 112 Abs. 3 StPO aber verfassungskonform ausgelegt hat und auch bei den dort genannten Delikten einen Haftgrund fordert, sind hierbei - um Wertungswidersprüche zu vermeiden - nicht nur die Haftgründe des § 112 Abs. 2 StPO zu berücksichtigen, sondern auch die Wiederholungsgefahr. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Abi
28.7.2023, 18:50:51
Das Beispiel mit der Omi, die ihren Mann getötet / ermordet hat, passt nicht gut, um den $ 112 Abs. 3 StPO zu erklären. Es müsste schon ein Fallbeispiel gewählt werden, in dem ein Katalogtatbestand des Absatz 3 verwirklicht wurde. Die Erläuterung an sich ist aber sehr gut :)
Dogu
4.4.2024, 11:26:51
FW
25.9.2024, 11:46:23
Hi, Bin ich der einzige, der die Begründung für seltsam hält? Der §
112 III StPOist doch in seinem Wortlaut eindeutig. Außerdem findet doch logischerweise auch § 112 I 2 StPO, der Verhältnismäßigkeitsgrundstz, Anwendung, sodass man hier bereits die Erforderlichkeit verneinen würde.