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Das (weitere) Erkenntnisverfahren
U-Haft – verfassungskonforme Auslegung von § 112 III
U-Haft – verfassungskonforme Auslegung von § 112 III
31. Mai 2025
12 Kommentare
4,8 ★ (12.599 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Die 80-jährige Rollstuhlfahrerin R erstattet Selbstanzeige: Sie habe ihren Mann umgebracht, indem sie ihn von einer Leiter stieß. R wohnt seit 60 Jahren im eigenen Haus am selben Ort und hat dort 5 Kinder und 10 Enkelkinder. Wegen dringenden Tatverdachts beantragt die Staatsanwaltschaft Haftbefehl.
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Einordnung des Falls
U-Haft – verfassungskonforme Auslegung von § 112 III
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Es liegt ein Haftgrund iSv § 112 Abs. 2 StPO vor.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Untersuchungshaft kann ausnahmsweise auch ohne Vorliegen eines Haftgrunds iSv § 112 Abs. 2 StPO angeordnet werden.
Ja!
3. § 112 Abs. 3 StPO hat nach der Rechtsprechung des BVerfG keine weiteren Voraussetzungen außer den dringenden Tatverdacht bezüglich eines Kapitaldelikts.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
ehemalige:r Nutzer:in
25.9.2021, 18:44:14
Die begangene Tat steht doch nicht in § 112a StPO, sodass diese Vorschrift bereits hieran scheitern dürfte und nicht an der Unwahrscheinlichkeit aufgrund der Beziehungstat.

Lukas_Mengestu
4.10.2021, 16:23:34
Hallo Paci96, in der Tat stehen die Tötungsdelikte nicht im Katalog des - subsidiären - § 112a StPO. Das ist im Hinblick auf die Gesetzessystematik auch nur folgerichtig, da nach dem Wortlaut des § 112 Abs. 3 StPO in den Fällen der dort aufgeführten Delikte überhaupt kein Haftgrund
erforderlichwäre. Folglich bedarf es hier eigentlich auch keiner Aufnahme in den Katalog des § 112a Abs. 1 StPO. Da das BVerfG den heutigen § 112 Abs. 3 StPO aber verfassungskonform ausgelegt hat und auch bei den dort genannten Delikten einen Haftgrund fordert, sind hierbei - um Wertungswidersprüche zu vermeiden - nicht nur die Haftgründe des § 112 Abs. 2 StPO zu berücksichtigen, sondern auch die Wiederholungsgefahr. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Abi
28.7.2023, 18:50:51
Das Beispiel mit der Omi, die ihren Mann getötet / ermordet hat, passt nicht gut, um den $ 112 Abs. 3 StPO zu erklären. Es müsste schon ein Fallbeispiel gewählt werden, in dem ein Katalogtatbestand des Absatz 3 verwirklicht wurde. Die Erläuterung an sich ist aber sehr gut :)
Dogu
4.4.2024, 11:26:51

FW
25.9.2024, 11:46:23
Hi, Bin ich der einzige, der die Begründung für seltsam hält? Der § 112 III StPO ist doch in seinem Wortlaut eindeutig. Außerdem findet doch logischerweise auch § 112 I 2 StPO, der Verhältnismäßigkeitsgrundstz, Anwendung, sodass man hier bereits die
Erforderlichkeitverneinen würde.

2cool4lawschool
11.1.2025, 15:24:42
Ich verstehe was du meinst.. aber der VHMK-Grundsatz allein reicht nicht bei der Zwangsmaßnahme. Irgendeinen Grund muss es dafür geben... In § 112 Abs. 3 StPO steht, "wenn ein Haftgrund nach Abs. 2 nicht besteht". Den Maßstab haben wir so oder so nicht... aber § 112 Abs. 3 StPO strikt nach Wortlaut anzuwenden würde bedeuten, dass man für alle Kap-Delikte auf der Grundlage einen Haftbefehl erwirken könnte. Das wäre verfassungsrechtlich problematisch.. Vor allem aber auch systematisch fragwürdig, wenn diese Vorschrift ja gerade im Bereich einer Zwangsmaßnahme angesiedelt ist...

Mareici
1.5.2025, 12:22:40
Ich habe die Argumentation so verstanden: Das Problem ist, dass wenn man den Haftungsgrund allein auf das vermeintlich begangene Delikt stützt, man in gewisser Weise eine Vorverurteilung vornimmt, indem man jemanden einsperrt, nur weil er einer bestimmten Straftat verdächtig ist. Das würde dem Rechtsstaatsprinzip widersprechen und macht die Vorschrift eig. verfassungswidrig. Wenn man allein über die Verhältnismäßigkeit geht, müsste die dann immer abgelehnt werden. Deshalb müssen zusätzlich jedenfalls auch noch Anzeichen für einen anderen Haftgrund gegeben sein, was die den Absatz einerseits verfassungsgemäß macht und andererseits dann auch Raum für eine zusätzliche Verhältnismäßigkeitsprüfung lässt...
KermitTheFraud
4.1.2025, 10:00:17
Hi, könnte die zweite Frage überarbeitet werden? Hat man den Aufbau der Aufgabe nicht im Kopf, muss man davon ausgehen dass hier bereits nach der Rechtsprechung gefragt werden. Deswegen wäre eine Fragestellung, die eben konkret nach dem Wortlaut der Norm fragt, mehr geeignet