Inhalt II: Haftung bei verschuldeter Formnichtigkeit
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V schließt mit K einen privatschriftlichen Grundstückskaufvertrag. V beteuert, er werde K als Eigentümer im Grundbuch eintragen lassen. Stattdessen veräußert V das Grundstück weiter. K hat es infolge des Vertrags mit V unterlassen, ein anderes Grundstück zu kaufen (das ihm D angeboten hatte), welches nun €2.000 mehr wert ist.
Einordnung des Falls
Inhalt II: Haftung bei verschuldeter Formnichtigkeit
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K und V haben einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen (§§ 433, 311b Abs. 1 BGB).
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Nein, das ist nicht der Fall!
2. Zwischen K und V ist ein vorvertragliches Schuldverhältnis entstanden (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
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Ja, in der Tat!
3. Indem V mit K den privatschriftlichen (und damit formnichtigen) Kaufvertrag abgeschlossen hat, hat er eine Schutzpflicht verletzt (§ 241 Abs. 2 BGB).
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Nein!
4. Indem V grundlos die Vertragsverhandlungen mit K abgebrochen hat, hat er eine Schutzpflicht verletzt (§ 241 Abs. 2 BGB).
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Nein, das ist nicht der Fall!
5. V hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten (§ 276 BGB).
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Ja, in der Tat!
6. Indem V seine Bereitschaft aufgegeben hat, den formnichtigen Kaufvertrag zu vollziehen, ohne dies dem K mitzuteilen, hat V eine Schutzpflicht verletzt (§ 241 Abs. 2 BGB).
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Ja!
7. K kann von V Schadensersatz in Höhe der Wertsteigerung des anderen Grundstücks verlangen (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB).
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Genau, so ist das!
8. K kann von V als Rechtsfolge des Schadenersatzanspruchs den Abschluss des Grundstückkaufvertrags verlangen (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB).
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Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
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Maurice Fritz
6.3.2023, 12:46:05
Warum ist der Grundsatz, dass man Vertragsverhandlungen nicht grundlos abbrechen darf, wenn man vorher das Vertrauen auf den Vertragsschluss geweckt hat, bei formbedürftigen Verträgen nicht anwendbar? Ich hätte mir das jetzt so erklärt, dass die Übereilungsfunktion ja grade im ZP des Vertragsabschlusses wirkt, wodurch gerade in diesem ZP die Möglichkeit des Abstandnehmens vom Vertrag möglich sein muss. Dies würde dann unterlaufen, wenn man sich dadurch der Haftung aussetzen würde. Außerdem kann aus diesem Grund ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Vertragsschluss nicht in einem Maße bestehen, wie bei einem formlosen Vertrag. So hätte ich mir das jetzt hergeleitet

Lukas_Mengestu
7.3.2023, 15:49:04
Hallo Maurice, sehr gute Überlegungen. Du hast den Kern bereits getroffen. Die Pflicht zum Ersatz des Vertrauensschaden würde letztlich einen indirekten Zwang ausüben, den Vertrag abzuschließen. Dies steht der Formvorschrift und dem damit verbundenen Übereilungsschutz entgegen. Der BGH nimmt in diesen Fällen eine Schadensersatzpflicht deshalb nur in absoluten Ausnahmefällen an, in denen es "nach den gesamten Umständen mit Treu und Glauben schlechthin nicht zu vereinbaren ist", der Formvorschrift den Vorzug zu geben (vgl. BGH, Urt. v. 29.03.1996 - V ZR 332/94 = NJW 1996, 1884 = http://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/NJW96_1884.htm). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Trierer Weinversteigerer
14.9.2023, 10:43:30
Das erinnert mich an die Floskel: "Wer sein Geschäft bewusst nicht dem Recht unterstelle, sondern dem Wort eines Edelmannes, dem helfe auch nicht das Recht".