Prozessrecht & Klausurtypen
Die StA-Klausur im Assessorexamen
Das materielle Gutachten
Unbefugt hergestellte Tonaufnahmen
Unbefugt hergestellte Tonaufnahmen
30. Juni 2025
4 Kommentare
5,0 ★ (7.167 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

O wurde von B schon mehrfach bedroht. Als B erneut bei O erscheint, startet O heimlich eine Tonaufnahme. Er nimmt die von B geäußerten Bedrohungen auf, weil er sie später als Beweismittel im Strafprozess vorlegen will.
Diesen Fall lösen 71,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Unbefugt hergestellte Tonaufnahmen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Durch die heimlich hergestellte Tonaufnahme verletzt B die Vertraulichkeit des Wortes des B und macht sich strafbar (§ 201 StGB).
Genau, so ist das!
2. Aufgrund der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) unterliegen heimlich und unbefugt hergestellte Tonaufnahmen per se einem Beweisverwertungsverbot.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Dürfen die unbefugt hergestellten Tonaufnahmen hier verwertet werden?
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
SimonRe1995
17.2.2024, 19:11:24
Muss die Abwägung nicht schon beim rechtfertigenden Notstand gem. §
34 StGBim Rahmen des §
201 StGBangesprochen werden oder prüft man das isoliert nachdem man pauschal sagt, heimliche Aufnahmen seien nach §
201 StGBstrafbar?
SDee
9.6.2024, 14:49:56
Sehr berechtigte Frage. Wenn die Tonaufnahme schon nicht
rechtswidrigwar, weil sie gerechtfertigt war, kann sich daraus dann eigentlich kein
Beweisverwertungsverbotergeben.

Jonathan Wick
27.6.2024, 18:16:35
§
34 StGBwird an der Geeignetheit bzw.
Gegenwärtigkeit der Gefahr scheitern. Das heimliche Aufnehmen kann die
gegenwärtige Gefahrnicht beseitigen. Sofern er damit zukünftige Be
drohungen/ andere Taten abwehren will, ist die Gefahr wiederum nicht
gegenwärtig

Nocebo
11.12.2024, 16:49:08
Das ist an sich richtig, im konkreten Fall aber nach jedenfalls Teilen der Rspr. wohl falsch. Die Beweisnot kann eine Rechtfertigung einer Straftat darstellen, auch über die spezifische Prüfung der Voraussetzungen des §
201 StGBhinaus. Leider habe ich hier nur den Leitsatz (ich hoffe mal, dass dieser eine aussagekräftige Wiedergabe der Entscheidungsgründe ist): "Wer ohne Wissen seines Gesprächspartners
Tonbandaufnahmen von einem Telefongespräch anfertigt, handelt nicht
unbefugtim Sinne des §
201 StGB, wenn es ihm darum geht, strafbare Äußerungen des anderen zu Beweiszwecken festzuhalten." KG, Entscheidung vom 20.09.1979 - Aktenzeichen (4) Ss 152/79 Genau so liegen hier ja aber die Dinge. Dann wäre schon §
201 StGBnicht erfüllt, sodass aus auch dessen Verletzung kein
Beweisverwertungsverbotfolgen kann. Eine Prüfung der Verletzung des APR als
selbstständiges Beweisverwertungsverbotdürfte zu keinem anderen Ergebnis führen. Maßgeblich ist hier für mich, dass der Schutz eines strafbaren Wortes gegenüber dem Opfer derselben Straftat geringer wiegt, als der Schutz des "normalen" Wortes. Sicherlich kann man den Fall aber in beide Richtungen lösen.