Unbefugt hergestellte Tonaufnahmen

20. Mai 2025

4 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

O wurde von B schon mehrfach bedroht. Als B erneut bei O erscheint, startet O heimlich eine Tonaufnahme. Er nimmt die von B geäußerten Bedrohungen auf, weil er sie später als Beweismittel im Strafprozess vorlegen will.

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Einordnung des Falls

Unbefugt hergestellte Tonaufnahmen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch die heimlich hergestellte Tonaufnahme verletzt B die Vertraulichkeit des Wortes des B und macht sich strafbar (§ 201 StGB).

Genau, so ist das!

Nach § 201 Abs.1 Nr.1 StGB wird bestraft, wer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt. Wer also heimlich ein Telefonat oder Gespräch aufzeichnet, begeht eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes. Dadurch wird die Privatsphäre (allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG) geschützt, insbesondere die Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation. O hat vorsätzlich ohne Zustimmung und Kenntnis des B eine Tonaufnahme von den nicht-öffentlichen Äußerungen des B hergestellt. Folglich hat sich O nach § 201 StGB strafbar gemacht.
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2. Aufgrund der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) unterliegen heimlich und unbefugt hergestellte Tonaufnahmen per se einem Beweisverwertungsverbot.

Nein, das trifft nicht zu!

Im Strafverfahren unterliegen unbefugt hergestellte Tonaufnahmen nicht stets einem Beweisverwertungsverbot. Zur Annahme eines selbstständigen Beweisverwertungsverbotes ist immer die Abwägung zwischen dem Interesse des Beschuldigten am Schutz seiner verfahrensrechtlichen Stellung und dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung der Straftaten und Funktionieren der Strafrechtspflege erforderlich. Grundsätzlich überwiegt das staatliche Strafverfolgungsinteresse im Fall unbefugt hergestellter Tonaufnahmen nur bei Vorliegen besonders schwerer Straftaten.

3. Dürfen die unbefugt hergestellten Tonaufnahmen hier verwertet werden?

Nein!

Das staatliche Strafverfolgungsinteresse überwiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten im Fall unbefugt hergestellter Tonaufnahmen, wenn es um die Verfolgung einer besonders schweren Straftat geht.Das Recht des B am gesprochenen Wort und damit sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs.1, Art. 1 Abs.1 GG) steht hier dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse gegenüber. Da die Bedrohung keine besonders schwere Straftat darstellt, überwiegt hier das Recht des B am Schutz seines Persönlichkeitsrechts und sein Recht auf ein faires Verfahren. Es besteht somit ein Beweisverwertungsverbot.Da es nicht darum geht, dass die Ermittlungsbehörden selbst gegen Verfahrensrecht verstoßen, handelt es sich hier um ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SI

SimonRe1995

17.2.2024, 19:11:24

Muss die Abwägung nicht schon beim rechtfertigenden

Notstand

gem.

§ 34 StGB

im Rahmen des § 201 StGB angesprochen werden oder prüft man das isoliert nachdem man pauschal sagt, heimliche Aufnahmen seien nach § 201 StGB strafbar?

SDEE

SDee

9.6.2024, 14:49:56

Sehr berechtigte Frage. Wenn die Tonaufnahme schon nicht rechtswidrig war, weil sie gerechtfertigt war, kann sich daraus dann eigentlich kein

Beweisverwertungsverbot

ergeben.

Jonathan Wick

Jonathan Wick

27.6.2024, 18:16:35

§ 34 StGB

wird an der Geeignetheit bzw. Gegenwärtigkeit der Gefahr scheitern. Das heimliche Aufnehmen kann die gegenwärtige Gefahr nicht beseitigen. Sofern er damit zukünftige Be

drohung

en/ andere Taten abwehren will, ist die Gefahr wiederum nicht gegenwärtig

Nocebo

Nocebo

11.12.2024, 16:49:08

Das ist an sich richtig, im konkreten Fall aber nach jedenfalls Teilen der Rspr. wohl falsch. Die Beweisnot kann eine Rechtfertigung einer Straftat darstellen, auch über die spezifische Prüfung der Voraussetzungen des § 201 StGB hinaus. Leider habe ich hier nur den Leitsatz (ich hoffe mal, dass dieser eine aussagekräftige Wiedergabe der Entscheidungsgründe ist): "Wer ohne Wissen seines Gesprächspartners

Tonbandaufnahme

n von einem Telefongespräch anfertigt, handelt nicht unbefugt im Sinne des § 201 StGB, wenn es ihm darum geht, strafbare Äußerungen des anderen zu Beweiszwecken festzuhalten." KG, Entscheidung vom 20.09.1979 - Aktenzeichen (4) Ss 152/79 Genau so liegen hier ja aber die Dinge. Dann wäre schon § 201 StGB nicht erfüllt, sodass aus auch dessen Verletzung kein

Beweisverwertungsverbot

folgen kann. Eine Prüfung der Verletzung des APR als selbstständiges

Beweisverwertungsverbot

dürfte zu keinem anderen Ergebnis führen. Maßgeblich ist hier für mich, dass der Schutz eines strafbaren Wortes gegenüber dem Opfer derselben Straftat geringer wiegt, als der Schutz des "normalen" Wortes. Sicherlich kann man den Fall aber in beide Richtungen lösen.


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