Beschlagnahme von Tagebüchern

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Das beim Beschuldigten B gefundene Tagebuch wird ordnungsgemäß beschlagnahmt. Im Tagebuch hat B notiert, wie er O grausam getötet hat. Nun soll der Tagebucheintrag durch Verlesung als Beweismittel in die Hauptverhandlung eingeführt werden.

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Einordnung des Falls

Beschlagnahme von Tagebüchern

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Unterliegt das Tagebuch als Beweismittel einem unselbständigen Beweisverwertungsverbot?

Nein!

Ein unselbständiges Beweisverwertungsverbot liegt vor, wenn das Verwertungsverbot die Folge eines vorausgegangenen Verfahrensverstoßes im Ermittlungsverfahren und damit des Verstoßes gegen ein Beweiserhebungsverbot war. Die Beschlagnahme erfolgte ordnungsgemäß nach den §§ 94 ff., 98 StPO. Somit verliefen die Beweiserhebung und das Ermittlungsverfahren ordnungsgemäß. Folglich unterliegt das Tagebuch keinem unselbständigen Beweisverwertungsverbot.
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2. Es könnte aber ein selbständiges Beweisverwertungsverbot bestehen, wenn die Verlesung des Tagebucheintrags in der Hauptverhandlung eine Verletzung von Bs allgemeinem Persönlichkeitsrecht darstellt.

Genau, so ist das!

Ein selbständiges Beweisverwertungsverbot liegt vor, wenn die Beweiserhebung als solche rechtmäßig war, aber aus später eintretenden bzw. übergeordneten Gründen ein Beweismittel nicht verwertet werden darf. Ein solches kann aus der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG folgen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG schützt unter anderem das Recht und die Vertraulichkeit am geschriebenen Wort. Die Verlesung dieser nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Tagebuchaufzeichnungen stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des B dar, aus dem ein selbständiges Verwertungsverbot folgen könnte.

3. Aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten, dürfen Tagebucheinträge nie als Beweismittel verwertet werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nach der Rechtsprechung des BVerfG zu differenzieren, ob in die Intimsphäre, Privatsphäre oder Sozialsphäre eingegriffen wird (Sphärentheorie).Ordnungsgemäß beschlagnahmte Tagebuchaufzeichnungen sind stets unverwertbar, sofern die Tagebuchaufzeichnungen die Intimsphäre des Beschuldigten betreffen und damit zum unantastbaren Kernbereich privater Lebensführung gehören. Dann besteht von vornherein und uneingeschränkt ein Beweisverwertungsverbot. Die auch in diesen Fällen noch früher vom BGH geforderte Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Beschuldigten und dem Interesse an einer funktionsfähigen Rechtspflege ist nach der neueren Rechtsprechung unzulässig. Vielmehr besteht ein absolutes Verwertungsverbot. Sofern aber lediglich in die Privat- oder Sozialsphäre eingegriffen wird, ist eine Abwägung i.S.d. Abwägungslehre erforderlich.

4. Ist hier der Kernbereich privater Lebensführung betroffen, sodass auch ohne Abwägung ein Beweisverwertungsverbot besteht?

Nein!

Zum Kernbereich privater Lebensführung gehören intime Aufzeichnungen (Intimsphäre). Nicht zum Kernbereich privater Lebensführung gehören: Aufzeichnungen, die nur das äußere Geschehen betreffen sowie Aufzeichnungen, die in unmittelbarem Bezug zu konkreten Straftaten stehen. Die beschlagnahmten Tagebuchaufzeichnungen des B enthalten allein Angaben über die von B begangene Straftat. Ein Beweisverwertungsverbot besteht daher nur dann, wenn der Persönlichkeitsschutz des B dem Interesse an einer funktionsfähigen Rechtspflege und effektiven Strafverfolgung überwiegt. Das Recht des B auf Achtung seiner Privatsphäre tritt aufgrund der Schwere der in Betracht kommenden Straftat (hier: Mord) hinter dem Aufklärungsinteresse der Allgemeinheit zurück. Es besteht somit kein Beweisverwertungsverbot. Der Tagebucheintrag darf verlesen werden.
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