Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Dreipersonenverhältnisse

Einführung: Verletzung von Angehörigen in Mietswohnung (Rechtsgrundlage VSD)

Einführung: Verletzung von Angehörigen in Mietswohnung (Rechtsgrundlage VSD)

19. Mai 2025

12 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

M lebt mit ihrer kleinen Tochter (T) in einer Kreuzberger Wohnung, die M von Hausbesitzer H gemietet hat. Als sie vom Einkaufen nach Hause kommen, tritt T auf eine morsche Holzstufe und bricht sich dabei das Bein. H wusste, dass die Treppe morsch war.

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Einordnung des Falls

Einführung: Verletzung von Angehörigen in Mietswohnung (Rechtsgrundlage VSD)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T steht gegen H ein deliktischer Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB zu.

Ja, in der Tat!

Der haftungsbegründende Tatbestand von § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) einen Verletzungserfolg (2) durch ein zurechenbares Verhalten des Schädigers, der dabei (3) rechtswidrig und (4) schuldhaft gehandelt haben muss. Indem H die Treppe nicht repariert hat, hat er schuldhaft gegen seine Verkehrssicherungspflicht als Eigentümer des Hauses verstoßen. Diese Pflichtverletzung hat kausal zu der Verletzung von Ts Körper und Gesundheit geführt.Deliktische Ansprüche sind für den Anspruchssteller allerdings schwieriger zu beweisen. Denn bei diesen gilt die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht. Aus diesem Grund sucht man in einer Klausur zunächst nach vertraglichen Ansprüchen.
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2. T steht gegen H ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zu.

Nein!

Der Anspruch aus §280 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) ein bestehendes Schuldverhältnis, (2) eine (Schutz-) Pflichtverletzung des Schuldners, (3) die dieser zu vertreten hat und (4) durch die dem Gläubiger ein Schaden entstanden ist.Zwischen T und H bestand zum Zeitpunkt der Verletzung (noch) kein Schuldverhältnis. Ein (rechtsgeschäftliches) Schuldverhältnis bestand allein zwischen M und H in Form des Mietvertrages.Das gesetzliche Schuldverhältnis, das durch Hs Verletzungshandlung entstanden ist (§ 823 Abs. 1 BGB), führt auch nicht weiter. Denn die Anwendung des § 280 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass das Schuldverhältnis zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung bereits besteht und nicht erst durch diese begründet wird.

3. T könnte gegen H ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung Dritter (VSD) zustehen.

Genau, so ist das!

Aufgrund der Schwächen des Deliktsrechts (Exkulpationsmöglichkeit nach § 831 BGB; kein allgemeiner Vermögensschutz; Beweislastverteilung) ist anerkannt, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Dritter in den Schutz eines vertraglichen oder vorvertraglichen Schuldverhältnisses einbezogen wird (Vertrag mit Schutzwirkung Dritter). Das Risiko des Schuldners erhöht sich insofern, da er nicht nur Leistungs- und Schutzpflichten gegenüber dem Gläubiger hat, sondern dann auch Schutzpflichten gegenüber dem Dritten.Der VSD durchbricht damit den Grundsatz der Relativität des Schuldverhältnisses. Die dogmatische Herleitung hierfür ist im Einzelnen umstritten. Mehr dazu in der nächsten Aufgabe. Einzelfälle zum VSD findest Du alphabetisch geordnet im Grüneberg, 82.A. 2023, § 328 BGB RdNr. 21ff.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DerChristoph

DerChristoph

8.8.2024, 12:15:35

Der Ausdruck "Hausbesitzer H" stört zwar die Aufgabenstellung nicht, bringt den geneigten Jurastudenten aber zum Schmunzeln. :-)

GEI

Geithombre

5.1.2025, 12:53:08

Ich verstehe den Daumen runter nicht. Von einer (kostenpflichtigen) Lernplattform darf durchaus korrekte Terminologie erwartet werden, damit sich nicht unbewusst etwas falsches einprägt. Die alltagssprachliche Bezeichnung als Besitzer bei Haus oder Kfz wird den Prüfer immer zur Nachfrage oder Bemängelung veranlassen, wenn es um die Zuordnung von Eigentum geht. Vielleicht kein riesiger Beinbruch in der Aufgabe, aber darf mit Recht bemängelt und dann auch gerne korrigiert werden.

BEN

benjaminmeister

18.1.2025, 13:32:20

Ich denke auch, dass das Hausbesitzer dringend durch Eigentümer ersetzt werden sollte (gilt für alle Aufgaben bei dem VSD).

Kind als Schaden

Kind als Schaden

17.3.2025, 12:25:51

Hausbesitzer aufgepasst! Diese Solaranlage gibt es schon ab NULL EURO!

Nocebo

Nocebo

27.12.2024, 14:48:08

Besteht der Anspruch aus §

823 BGB

wirklich? Eine

Verkehrssicherungspflicht

bedeutet ja nicht, JEDEN

Schaden

zu verhindern, sondern nur im zumutbaren Umfang (wie man auch an anderer Stelle auf Jurafuchs lernt). Aus den SV Informationen erkenne ich nicht, dass H die Treppe zu selten kontrolliert hätte usw. Jedenfalls ist das hier etwas dünn. Ich hätte stattdessen eher gesagt, dass das ein gutes Beispiel für die Vorteile der vertraglichen Haftung ist, bei welcher das Ver

schuld

en und in diesen Fällen sogar auch die Pflichtverletzung vermutet wird. Dann haftet H definitiv.

LELEE

Leo Lee

28.12.2024, 10:27:19

Hallo Nocebo, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat ist die

Verkehrssicherungspflicht

kein Freifahrtschein für den Anspruchsteller, denn auch hier muss der Gegner nicht jeder erdenklichen Gefahr vorbeugen (und könnte es auch nicht). Beachte allerdings, dass lt. SV der H (derjenige also, der die Sicherheit gewährleisten muss) um diese Gefahr WUSSTE (letzter Satz), weshalb in diesem Fall die

Verkehrssicherungspflicht

ohne Probleme durchgeht. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Wagner Rn. 508 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Nocebo

Nocebo

28.12.2024, 12:44:39

Danke dir - da habe ich den Sachverhalt nicht genau genug gelesen.

OKA

okalinkk

28.3.2025, 14:04:05

warum stellt man für die AGL nicht auf 536a I Var 1 BGB ab? Diese Norm erfasst ja auch

Mangelfolgeschäden

, sodass sie lex specialis zu 280 I, 241 II BGB ist

FL

Florian

6.4.2025, 19:33:35

Vielleicht wendet man in einer solchen 3-Personen-Konstellation den §536a nicht an, weil sonst die Haftung zu sehr ausarten würde? VSD umfasst ja gerade nur Schutzpflichtverletzungen, keine verletzten

Hauptleistungspflichten

. Was meint ihr? @[Tim Gottschalk](287974)

Major Tom(as)

Major Tom(as)

23.4.2025, 14:15:33

Stimmt, eigentlich ist das hier eigenartig - insbesondere habe ich gerade schnell nachgesehen und eine BGH-Entscheidung zur Einbeziehung von Dritten auch im Rahmen des § 536a BGB gefunden (vgl. https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fzeits%2Fnjw%2F2010%2Fcont%2Fnjw.2010.3152.1.htm&anchor=Y-300-Z-NJW-B-2010-S-3152) Dort ging es zwar um Arbeitnehmer in Geschäftsräumen, aber der Grundgedanke, dass auch

Mangelfolgeschäden

an Dritten von der Ersatzpflicht nach § 536a I erfasst sind, findet sich dort wieder. Hatte dann überlegt, ob sich § 536 I 1 BGB ganz eng nur auf die "Mietsache" i.S.d. Wohnung und nicht auch des Treppenhauses beziehen könnte, allerdings wird ja die

Verkehrssicherungspflicht

grds. weit verstanden und auch auf Räume bezogen, deren Nutzung der Vermieter nur duldet... Also wäre meine einzige Erklärung, dass die Darstellung hier vereinfacht sein soll, um gerade den Unterschied zwischen 280 und 823 erklären zu können, bin aber auch auf eine Antwort gespannt!


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