Hallo I-m-possible, insbesondere die frühere Rechtsprechung des BGH hat keine Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch getroffen (vgl. Hoffmann-Holland, in: MüKoStGB, StGB, 4.A. 2020 § 24 Rn. 82) . Denn da ein strafbefreiender Rücktritt vom versuchten Unterlassungsdelikt grundsätzlich voraussetze, dass der Täter aktive Rettungsmaßnahmen ergreift, schien diese Unterscheidung beim Unterlassungsdelikt überflüssig. Denn beim Begehungsdelikt dient sie dazu, die Anforderungen an das Handeln des Täters zu konkretisieren. Während beim unbeendeten Versuch bereits die Aufgabe der Tat genügt (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB), so bedarf es beim beendeten Versuch einer aktiven Handlung. Teile der Literatur vertreten dagegen, dass auch beim Unterlassungsdelikt stets zwischen unbeendetem und beendetem Versuch zu unterscheiden sei. Unbeendet soll der Versuch sein, solange die Nachholung der ursprünglich geforderten Handlung genügt, um den Erfolg abzuwenden (hier zB den Sohn aus dem Wasser zu ziehen). Beendet soll er sein, wenn über die ursprünglich geforderte Handlung noch weitere Handlungen notwendig sind (hier zB Maßnahmen um das Wasser aus dem Körper des Sohnes zu bekommen). In einer jüngeren Entscheidung hat auch der BGH nun in einem besonders gelagerten Fall die Unterscheidung getroffen (BGH 19.5.2010 – 2 StR 278/09, NStZ 2010, 690 (691 f.).) Allerdings folgte er auch hier der beim Begehungsdelikt üblichen Abgrenzung, also die Frage, ob der Täter den Erfolgseintritt bei ungestörtem Fortgang für möglich hält. In diesem Fall hatten zwei Angeklagte tatenlos zugeschaut, wie das mit ihrer Hilfe gefangen genommene Opfer angezündet worden war. Das Opfer hatte sich weitgehend selbst befreit und gelöscht. Hier nahm der zweite Senat aber einen unbeendeten Versuch der beiden an, sodass ihre weitere Untätigkeit genügte, um von dem versuchten Totschlag zurückzutreten. Folgt man insoweit dem BGH, so kommt es auf die Unterscheidung also beim Unterlassungsdelikt nur dann an, wenn ausnahmsweise a) die vom Täter vorgenommenen Ausführungshandlungen nicht geeignet sind, den
tatbestandlichen Erfolgseintritt herbeizuführen, oder b) es dem Tatopfer selbst gelingt, sich aus der lebensbedrohlichen Situation zu befreien. Denn in diesen Fällen sind von vornherein keinerlei Rettungs
bemühungen des Unterlassenstäter erforderlich, um die
Tatbestandsverwirklichung zu verhindern. In allen übrigen Fällen dagegen, kann man auf eine Unterscheidung
verzichten (vgl. Hoffmann-Holland, in: MüKoStGB, StGB, 4.A. 2020, § 24 Rn. 83). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team