Versuch: Rücktrittshandlung

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A möchte sich in seiner Wohnung in einem Mehrfamilienhaus durch Gas töten. Daher dreht er alle Gashähne auf und wartet. Kurz darauf wird ihm bewusst, dass dadurch auch andere Menschen zu Schaden kommen können. Daher ruft er den Krankenwagen und die Polizei, dreht aber nicht die Gashähne zu und wird kurz darauf bewusstlos. Die Polizei rückt an und rettet alle Personen, inklusive A.

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Einordnung des Falls

Versuch: Rücktrittshandlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es liegt ein versuchter Totschlag durch Unterlassen (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB) vor.

Genau, so ist das!

A hatte durch seinen bedingten Vorsatz, andere zu töten, Tatentschluss hinsichtlich des Taterfolges. Auch erkannte er durch seine Bewertung in der Laiensphäre seine Garantenstellung aus Ingerenz durch das Aufdrehen der Hähne. Dies zeigt sich hier auch anschaulich durch das Rufen der Einsatzkräfte. Das unmittelbare Ansetzen liegt spätestens zu dem Zeitpunkt vor, indem A bewusstlos wird. Zu diesem Zeitpunkt war eine Gefährdung Dritter auch nicht sicher ausgeschlossen und Eventualvorsatz naheliegend. Eine andere Ansicht ist hier aber vertretbar.
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2. A hat nach der Rechtsprechung die Tatvollendung verhindert (§ 24 Abs. 1 S. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Bei Unterlassungsdelikten muss der Täter durch seine Handlungen immer eine neue Kausalkette in Gang setzen, die für das Ausbleiben des Taterfolges wenigstens mitursächlich wird. Dabei muss er bei der Vornahme der Handlungen subjektiv auf die Erfolgsverhinderung abzielen. Der BGH hat entschieden, dass A durch das Rufen der Einsatzkräfte den Erfolgseintritt kausal verhindert hat und dies erkennbar auch subjektiv wollte. Kritisch ist dabei allerdings, ob A den Erfolgseintritt tatsächlich kausal verhindert hat oder ob dieser ohnehin nicht eingetreten wäre. Dann wäre der Anwendungsbereich von § 24 Abs. 1 S. 2 StGB eröffnet. Hier ist wieder die Frage zu stellen, ob bestmögliche Rettungsversuche erforderlich sind, wie es von einer Mindermeinung verlangt wird. Nach der h.M. und dem BGH ist nicht die beste und optimale Rettungsmöglichkeit zu wählen, sondern nur deren Ursächlichkeit für die Rettung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

I-m-possible

I-m-possible

11.7.2022, 13:42:44

Das unmittelbare Ansetzen ist hier zu bejahend wenn A bewusstlos wird. Ist das nicht etwas zu spät? Gas ist natürlich in kleinen Mengen nicht sofort gefährlich aber da fällt Versuch und Rücktritt zusammen bzw. ist zeitlich zu nah beieinander mE nach.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.7.2022, 16:34:33

Hallo I-m-possible, die Lösung sagt dass

unmittelbares Ansetzen

"spätestens" vorliegt, wenn er bewusstlos wird. Direkt beim Aufdrehen der Gashähne tritt noch keine unmittelbare Gefährdung ein, aber zu irgendeinem Zeitpunkt dazwischen Aufdrehen und Ohnmacht wird man es auf jeden Fall bejahen können. In der Klausur kannst du gut vertreten, einen früheren Zeitpunkt als das Bewusstlos werden zu wählen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Juraluchs

Juraluchs

16.5.2023, 19:15:18

Wieso soll entgegen der allgemeinen Regel von der Unbeachtlichkeit hypothetischer Kausalverläufe hier diese Frage "kritisch" sein?


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