Gynäkologe hilft einem Verunglückten

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Arzt A sieht den bewusstlosen Fahrradfahrer F im Graben liegen. A hält sein Auto an und behandelt den F. Dabei wird seine Kleidung beschädigt. A ist seit vielen Jahren als Gynäkologe tätig. Mit Rettungseinsätzen hat er keinerlei praktische Erfahrung.

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Einordnung des Falls

Gynäkologe hilft einem Verunglückten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Voraussetzung für einen Anspruch des A gegen F auf Vergütung für die von ihm aufgewendeten Arbeitskraft ist, dass die Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB) vorliegen.

Ja, in der Tat!

Voraussetzung für einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB ist, dass S (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen, (3) ohne Auftrag oder einer sonstigen Berechtigung geführt hat und die (4) Geschäftsführung berechtigt war.
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2. Die Voraussetzungen der berechtigten GoA liegen vor (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB).

Ja!

Indem A den F behandelte, führte er ein fremdes Geschäft. Eine vertragliche oder gesetzliche Befugnis des A gegenüber F bestand nicht. A handelte ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung. A handelte mit Fremdgeschäftsführungswille. Die Geschäftsführung des entsprach dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des F. Der mutmaßliche Wille wird aus dem objektiven Interesse gefolgert. Unzweifelhaft hat ein Verunglückter ein Interesse an ärztlicher Hilfe in einer Notsituation.

3. Die aufgewendete Arbeitskraft des A stellt eine Aufwendung im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar und ist grundsätzlich nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB ersatzfähig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, die der Geschäftsführer aus Anlass der Geschäftsführung erbringt. Die aufgewendete Arbeitskraft wird aber grundsätzlich nicht vergütet. Dies folgt aus der Unentgeltlichkeit der Geschäftsführung. Eine Ausnahme besteht, wenn die ausgeführte Tätigkeit zum Gewerbe oder Beruf des Geschäftsführers gehört (sog. professionelle GoA). Dies ergibt sich aus § 1877 Abs. 3 BGB analog: Wenn schon der im Rahmen seiner gesetzlichen Verpflichtung tätig werdende Betreuer Ersatz seiner Arbeitskraft als Aufwendung verlangen kann, dann müsse das erst recht für den rein fremdartig und freiwillig tätig werdenden Geschäftsführer gelten.Achtung: Zum 1.1.2023 wurde das Betreuungsrecht umfassend neu strukturiert. § 1877 Abs. 3 BGB entspricht § 1835 Abs. 3 BGB a.F.

4. A kann Aufwendungsersatz für seine aufgewendete Arbeitskraft verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Nicht jeder Arzt ist professioneller Nothelfer. Die Spezialisierung in diesem Berufszweig ist so weit fortgeschritten, dass sich nicht jeder Arzt mit dem aktuellen Stand des Rettungswesens auskennen kann. A ist seit vielen Jahren als Gynäkologe tätig und verfügt über keinerlei praktische Erfahrung mit Rettungseinsätzen. Er ist deshalb kein professioneller Nothelfer im Sinne der "professionellen GoA". A kann folglich keinen Ersatz für seine Tätigkeit verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Nebenbesitzer einer Fräsmaschine

Nebenbesitzer einer Fräsmaschine

12.8.2020, 15:15:26

Hätte man hier nicht noch schön eine Frage zum

Ausführungsverschulden

stellen können?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

14.8.2020, 17:44:53

Hallo Nebenbesitzer ;) ich verstehe nicht ganz worauf du hinaus willst. Das

Ausführungsverschulden

des Geschäftsführers ist ja nur dann relevant, wenn es um Ansprüche aus §§ 677, 280 I BGB des Geschäftsherrn für Schäden aus der Geschäftsführung geht. Hier ist es aber ja gerade andersherum, der Geschäftsführer möchte

Aufwendungsersatz

vom Geschäftsherrn!

AMA

Andeutungstheorie merken sowie Vertreter mit gebundener Marschroute

16.1.2023, 14:56:11

Hi, wenn mich nicht alles täuscht, so lautet die entscheidende Norm nunmehr § 1877 Abs.3 BGB. LG und danke für die starken Aufgaben :)

MIA

miamiu

28.5.2024, 10:07:19

Nur nochmal, um es richtig verstanden zu haben: A könnte hier nicht seine Arbeitskraft über die GoA ersetzt bekommen, bzgl. seiner Klamotten, die in Ausführung der Rettungsmaßnahmen kaputt gegangen sind ,jedoch schon?

CR7

CR7

27.6.2024, 10:30:02

Richtig! Denn die Beschädigung der Kleidung ist ein risikotypischer Schaden der Geschäftsführung. Es ist nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung, dass bei der Nothilfe auch Schäden an der Kleidung des GF entstehen können. Kurz gesagt: Der Schaden an der Kleidung ist Folge der Geschäftsführung. Jedoch lässt sich das nicht einfach so mit § 670 BGB begründen. Man muss dann diskutieren, ob § 670 BGB vom Wortlaut auch die Aufwendungen erfasst oder man dies aus dem Rechtsgedanken des

§ 110 HGB

folgt. Beides ist vertretbar. Wie immer im Schadensrecht ist dann noch an ein Mitverschulden nach § 254 BGB (analog) zu denken :)

kevinrbe

kevinrbe

6.9.2024, 16:33:07

Seit 01.01.24 (MoPeG) spricht der

§ 110 HGB

nun von Gesellschafterbeschlüssen. Der Generalverweis aus § 105 III HGB verweist ja auf die §§ 705 ff. und entsprechend den neuen § 716. Ich schätze mal, dass 716 I BGB nun die risikotypischen Begleitschäden herleitet? So zumindest Henssler/Strohn/Servatius, 6. Aufl. 2024, BGB § 716 Rn. 3 zu den risikotypischen Begleitschäden. Der Wortlaut ist allerdings nicht identisch zum

110 HGB

a.F. Trotzdem würde ich § 716 I zur Herleitung heranziehen.


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