Zivilrecht

Schadensrecht

Feststellung eines ersatzfähigen Schadens

Wegfall der Weiternutzungs- oder Reparaturabsicht

Wegfall der Weiternutzungs- oder Reparaturabsicht

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Naturfreund N fährt einen BMW i3. Bei einem allein von Busfahrer B verschuldeten Unfall wird der BMW beschädigt. Die Reparaturkosten betragen laut Sachverständigengutachten €10.000 brutto, eine Ersatzbeschaffung kostet €8.000. N will seinen BMW weiter nutzen, verlangt deshalb nach einem Monat die Reparaturkosten. Drei Monate später überlegt er es sich anders, kauft einen Tesla und gibt seinen BMW in Zahlung.

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Einordnung des Falls

Wegfall der Weiternutzungs- oder Reparaturabsicht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn die Reparaturkosten die Ersatzbeschaffung übersteigen, kann der Geschädigte generell nur die Kosten für eine Ersatzbeschaffung verlangen.

Nein!

Bei der Beschädigung einer Sache kann der Geschädigte die Reparaturkosten auch dann verlangen, wenn sie den Wiederbeschaffungswert um bis zu 30% übersteigen (Integritätszuschlag). Voraussetzung dafür ist, dass (1) auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens (2) die Reparatur fachgerecht durchgeführt (3) und die wiederhergestellte Sache für 6 Monate weiterbenutzt wird. Der Integritätszuschlag wird gewährt, weil der Geschädigte ein schutzwürdiges Interesse daran hat, das ihm vertraute Fahrzeug weiterhin zu nutzen und die Risiken, die mit dem Erwerb eines gebrauchten Ersatzfahrzeugs verbunden sind, zu meiden.
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2. Dieser Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB) wird erst nach 6 Monaten Weiternutzung fällig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Kann der Geschädigte wegen Beschädigung einer Sache Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB) verlangen, so tritt die Fälligkeit in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung ein. BGH: Die Sechsmonatsfrist habe keine Bedeutung für die Fälligkeit und sei keine eigenständige Anspruchsvoraussetzung, sondern habe nur beweisrechtliche Bedeutung: Werde das beschädigte Fahrzeug 6 Monate nach dem Unfall weiter benutzt, so sei dies im Regelfall ein ausreichendes Indiz, um das Integritätsinteresse des Geschädigten zu bejahen; eine weitergehende Bedeutung hinsichtlich der Fälligkeit des Anspruchs komme der Frist nicht zu.

3. Zahlt der Schädiger vor Ablauf der 6 Monate, kriegt er sein Geld auch dann nicht zurück, wenn der Geschädigte sein Kfz doch nicht weiter benutzt.

Nein, das trifft nicht zu!

Erhält der Geschädigte den Integritätszuschlag und lässt sein Auto (1) entgegen seinem ursprünglichen Verlangen doch nicht reparieren oder (2) benutzt er das Kfz doch nicht 6 Monate weiter, dann entfällt nachträglich teilweise der Rechtsgrund und dem Schädiger steht ein Bereicherungsanspruch zu (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB: Wegfall des Rechtsgrundes für Ersatz der höheren Reparaturkosten bei Aufgabe der Reparaturabsicht bzw. Nutzungsabsicht). Entschließt der Geschädigte umgekehrt nachträglich doch noch zur Reparatur, so kann er den Integritätszuschlag nachfordern.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

9.10.2021, 16:00:33

Muss ich dafür im Ursprungsprozess zusätzlich einen Feststellungsantrag stellen oder kann ich den Zuschlag auch so verlangen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.10.2021, 20:22:06

Hi Isabell, eines zusätzlichen Feststellungsantrages bedarf es nicht, vielmehr kann der Zuschlag im Rahmen der normalen

Leistungsklage

geltend gemacht werden. Der BGH hat dabei geurteilt, dass der

Integritätszuschlag

nicht erst nach Ablauf von 6 Monaten, sondern sofort fällig ist (vgl. BGH NJW 2009, 910). Ist die Reparatur noch nicht durchgeführt worden, kommt insoweit aber allenfalls ein Freistellungsanspruch in Betracht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JEN

Jenny

14.1.2024, 21:55:26

In welcher Höhe entfällt der Rechtsgrund für die Leistung des

Integritätsinteresse

s nachträglich? Bleibt dem Geschädigten dann nur der Wiederbeschaffungswert, der Wiederbeschaffungsaufwand oder der Reparaturaufwand?

LS2024

LS2024

15.4.2024, 11:45:38

Wieso fällt der Rechtsgrund hier weg? Müsste er nicht von Anfang an nicht bestanden haben, da die sechsmonatige Weiterbenutzung ausschließlich beweisrechtlich von Relevanz ist?

Merle_Breckwoldt

Merle_Breckwoldt

16.4.2024, 18:51:09

Hallo LS2024, maßgeblich ist hier allein, dass N seine anfänglich bestehende Reparaturabsicht, also sein tatsächlich bestehendes diesbezügliches

Integritätsinteresse

, erst später aufgegeben hat (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB). Damit war sein Anspruch (etwa aus § 823 Abs. 1 BGB), der im Zeitpunkt des Unfalls entstanden ist, seinem Umfang nach sofort inklusive des

Integritätszuschlag

s fällig. Auch insoweit ist zu beachten, dass es sich bei den sechs Monaten nicht um ein Tatbestandsmerkmal handelt, dass folglich 'von Beginn an' entfallen wäre. Viele Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team

LS2024

LS2024

23.4.2024, 11:41:58

Aber gerade weil es sich dabei nicht un ein Tatbestandsmerkmal handelt, wurde der Anspruch ja nie fällig. Ergo ist die Lösung falsch.

G0D0FM

G0d0fMischief

4.11.2024, 17:06:47

Kann der Geschädigte dann aber mit dem tatsächlich bestehenden Schadensersatzanspruch aufrechnen?


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