Schönheitsreparaturklauseln in AGB, Grundsatz
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V vermietet eine frisch renovierte Wohnung an M für monatlich €500. Laut AGB des Formularmietvertrages trägt M die laufenden erforderlichen Schönheitsreparaturen. Als M 15 Jahre später kündigt und ausziehen möchte, verlangt V die Übergabe einer frisch gestrichenen Wohnung.
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Einordnung des Falls
Schönheitsreparaturklauseln in AGB, Grundsatz
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Nach dem Gesetz ist der Vermieter zur Instandhaltung der Mietsache verpflichtet (§ 535 Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB). Dazu gehört auch das Streichen von Wänden.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht des Vermieters (§ 535 Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB) kann durch AGB vollständig auf den Mieter übertragen werden.
Nein!
3. Die Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter durch AGB kann unter bestimmten Voraussetzungen wirksam sein.
Genau, so ist das!
4. V kann von M bei Auszug die Vornahme fälliger Schönheitsreparaturen verlangen.
Ja, in der Tat!
5. Die AGB-Klausel ist unwirksam (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB)
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
evanici
3.9.2023, 20:13:15
Sind eigentlich Situationen denkbar, in denen bei Unternehmern als Vermietern Mieter keine Verbraucher sind im Wohnraum? Und hinsichtlich der Argumentation des Berliner Gerichts: Die Renovierungspflicht wird danach quasi als Aushebelung der Mängelgewährleistungsrechte verstanden, weil jede Schönheitsreparatur in gewisser Weise auch eine Abweichung vom vertragsgemäßen Gebrauch darstellt?
Vanilla Latte
3.10.2023, 22:06:04
Ich verstehe leider den Grund nicht, dass der Mieter dann keine Gewährleistungsrechte hätte, wenn er selbst renovieren müsste. Wie ist das gemeint?
Leo Lee
7.10.2023, 15:34:41
Hallo Vanilla Latte, diese Aussage kann auf den ersten Blick in der Tat etwas verwirrend sein. Dahinter versteckt sich aber der folgende Gedanke: Grundsätzlich ist der VERMIETER verpflichtet, den Zustand der Wohnung gem. § 535 I 2 BGB zu erhalten, d.h., dass der VERMIETER etwaige Mängel, die auftreten können (Rohr kaputt etwa) beseitigen und somit diesen Mangel „beheben“ muss. Und genau die Verletzung dieser Pflicht des VERMIETERS ist Ausgangspunkt von der Gewährleistungsrecht des MIETERES gem. § 536 BGB (Mieter wird automatisch von Entrichtung der Miete befreit, kann SE fordern gem. §
536a BGBusw.). Wenn allerdings der Vermieter durch die AGB ohne Weiteres diese Verpflichtung, die eigentlich ihn als Vermieter treffen, abwälzen könnte, so würden die Gewährleistungsrechte gem. §§ 536 ff. BGB ebenfalls nicht zu seinen Lasten Anwendung finden. Denn weil nunmehr durch AGB der MIETER verpflichtet ist, die Sache zu erhalten gem. § 535 I 2 BGB, gibt es keinen Anknüpfungspunkt mehr für die §§ 536 ff. BGB (weil der Vermieter dann nicht mehr die Instandhaltungspflicht hat, die er noch verletzen kann). Dies führt dann dazu, dass für den Mieter die Gewährleistungsrechte aus den §§ 536 ff. BGB wegfallen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
CR7
16.8.2024, 13:20:16
Könntet ihr das bitte als Vertiefungshinweis aufnehmen?
FW
6.11.2024, 16:50:27
Hi, Was ist mit dieser etwas umständlichen Formulierung gemeint?
Sebastian Schmitt
7.11.2024, 10:09:12
Hallo @[FW](139488), die Formulierung mag deshalb "umständlich" erscheinen, weil sie aus der ursprünglichen Fassung des BGB stammt und der historische Gesetzgeber sie dementsprechend Ende des 19. Jahrhunderts entworfen hat. Inhaltlich ist der Begriff eigentlich recht selbsterklärend. Gemeint ist eine Sache von "mittlerem Standard" (Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb 2024, § 243 Rn 21). Sind "10 Äpfel" geschuldet, kann der Schuldner also wegen § 243 I BGB zB nicht nur mit besonders kleinen und optisch unansehnlichen Äpfeln erfüllen, sondern schuldet 10 Äpfel mittlerer Art und Güte. Konkret auf unseren Fall bezogen schuldet M einen Anstrich, der dem durchschnittlichen Standard eines fachgerechten Anstrichs entspricht - wobei der Gläubiger gegen eine Abweichung "nach oben" kaum mal etwas einzuwenden haben wird, das aber vom Schuldner eben nicht verlangen kann. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team