Zivilrecht

Mietrecht

Schönheitsreparaturen

Schönheitsreparaturklauseln in AGB, Grundsatz

Schönheitsreparaturklauseln in AGB, Grundsatz

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

V vermietet eine frisch renovierte Wohnung an M für monatlich €500. Laut AGB des Formularmietvertrages trägt M die laufenden erforderlichen Schönheitsreparaturen. Als M 15 Jahre später kündigt und ausziehen möchte, verlangt V die Übergabe einer frisch gestrichenen Wohnung.

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Einordnung des Falls

Schönheitsreparaturklauseln in AGB, Grundsatz

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach dem Gesetz ist der Vermieter zur Instandhaltung der Mietsache verpflichtet (§ 535 Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB). Dazu gehört auch das Streichen von Wänden.

Ja, in der Tat!

Der Vermieter ist verpflichtet, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Auch vom Mieter verursachte Beeinträchtigungen der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache unterfallen grundsätzlich der Erhaltungspflicht des Vermieters. Sie umfasst auch die Durchführung von Schönheitsreparaturen (z.B. Maler- und Tapezierarbeiten). Darunter versteht man die Beseitigung von Abnutzungsspuren in den Mieträumen, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch entstanden sind (sog. „Dekorationsmängel“). Zur Konkretisierung wird auf § 28 Abs. 4 II. BV zurückgegriffen.
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2. Die Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht des Vermieters (§ 535 Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB) kann durch AGB vollständig auf den Mieter übertragen werden.

Nein!

§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB ist eine Regelung mit Leitbildcharakter für die Miete. Sie ist abdingbar. Der Mieter kann die Erhaltungspflicht vollständig übernehmen, dies muss aber individuell vereinbart werden.

3. Die Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter durch AGB kann unter bestimmten Voraussetzungen wirksam sein.

Genau, so ist das!

Nach herrschender Meinung ist die Abwälzung von laufenden Schönheitsreparaturen durch AGB auf den Mieter grundsätzlich zulässig und üblich. Abweichend davon hält das LG Berlin solche Schönheitsreparaturklauseln für unwirksam, da dem Mieter bei Nichterfüllung der Renovierungspflicht keine Gewährleistungsansprüche zustehen (entgegen § 536 Abs. 1 BGB) und die Klauseln mangels Ausgleichanspruch des Mieters eine unangemessene Benachteiligung darstellen würden (§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Der BGH führt für die grundsätzliche Zulässigkeit von Abwälzungsklauseln an, dass die Arbeiten durch einen geringeren Mietzins kompensiert werde, weshalb kein unangemessener Nachteil bestehe („Entgeltthese“).

4. V kann von M bei Auszug die Vornahme fälliger Schönheitsreparaturen verlangen.

Ja, in der Tat!

Die Renovierungsklausel verpflichtet Mieter M zur Vornahme von Schönheitsreparaturen aufgrund von Abnutzung. Diese sind (auch im laufenden Mietverhältnis) fällig, wenn aus der Sicht eines objektiven Betrachters Renovierungsbedarf besteht. Der Mieter darf in Eigenarbeit renovieren, wenn dies fachgerecht in mittlerer Art und Güte (§ 243 Abs. 1 BGB) geschieht. Sofern bei Auszug objektiv Renovierungsbedarf besteht, kann V von M die Vornahme von Schönheitsreparaturen verlangen.

5. Die AGB-Klausel ist unwirksam (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB)

Nein, das trifft nicht zu!

Bei der Inhaltskontrolle ist danach zu unterscheiden, ob die Renovierungsverpflichtung sich auf eine bei Vertragsbeginn renovierte oder eine unrenovierte Wohnung bezieht. Klauseln, die den Mieter verpflichten, durch seinen Gebrauch entstandene Abnutzungsspuren im laufenden Mietverhältnis zu beseitigen (Vornahmeklauseln), sind nach hM grundsätzlich wirksam, wenn (1) die Wohnung in renoviertem Zustand übergeben wurde und (2) die Verpflichtung nicht vom konkreten Bedarf gelöst ist (starre Fristen). V hat M eine frisch renovierte Wohnung übergeben. Indem die Klausel auf die erforderlichen Reparaturen abstellt, berücksichtigt sie zudem den konkreten Bedarf.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EVA

evanici

3.9.2023, 20:13:15

Sind eigentlich Situationen denkbar, in denen bei Unternehmern als Vermietern Mieter keine Verbraucher sind im Wohnraum? Und hinsichtlich der Argumentation des Berliner Gerichts: Die Renovierungspflicht wird danach quasi als Aushebelung der Mängelgewährleistungsrechte verstanden, weil jede Schönheitsreparatur in gewisser Weise auch eine Abweichung vom vertragsgemäßen Gebrauch darstellt?

VALA

Vanilla Latte

3.10.2023, 22:06:04

Ich verstehe leider den Grund nicht, dass der Mieter dann keine Gewährleistungsrechte hätte, wenn er selbst renovieren müsste. Wie ist das gemeint?

LELEE

Leo Lee

7.10.2023, 15:34:41

Hallo Vanilla Latte, diese Aussage kann auf den ersten Blick in der Tat etwas verwirrend sein. Dahinter versteckt sich aber der folgende Gedanke: Grundsätzlich ist der VERMIETER verpflichtet, den Zustand der Wohnung gem. § 535 I 2 BGB zu erhalten, d.h., dass der VERMIETER etwaige Mängel, die auftreten können (Rohr kaputt etwa) beseitigen und somit diesen Mangel „beheben“ muss. Und genau die Verletzung dieser Pflicht des VERMIETERS ist Ausgangspunkt von der Gewährleistungsrecht des MIETERES gem. § 536 BGB (Mieter wird automatisch von Entrichtung der Miete befreit, kann SE fordern gem. §

536a BGB

usw.). Wenn allerdings der Vermieter durch die AGB ohne Weiteres diese Verpflichtung, die eigentlich ihn als Vermieter treffen, abwälzen könnte, so würden die Gewährleistungsrechte gem. §§ 536 ff. BGB ebenfalls nicht zu seinen Lasten Anwendung finden. Denn weil nunmehr durch AGB der MIETER verpflichtet ist, die Sache zu erhalten gem. § 535 I 2 BGB, gibt es keinen Anknüpfungspunkt mehr für die §§ 536 ff. BGB (weil der Vermieter dann nicht mehr die Instandhaltungspflicht hat, die er noch verletzen kann). Dies führt dann dazu, dass für den Mieter die Gewährleistungsrechte aus den §§ 536 ff. BGB wegfallen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

CR7

CR7

16.8.2024, 13:20:16

Könntet ihr das bitte als Vertiefungshinweis aufnehmen?

FW

FW

6.11.2024, 16:50:27

Hi, Was ist mit dieser etwas umständlichen Formulierung gemeint?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

7.11.2024, 10:09:12

Hallo @[FW](139488), die Formulierung mag deshalb "umständlich" erscheinen, weil sie aus der ursprünglichen Fassung des BGB stammt und der historische Gesetzgeber sie dementsprechend Ende des 19. Jahrhunderts entworfen hat. Inhaltlich ist der Begriff eigentlich recht selbsterklärend. Gemeint ist eine Sache von "mittlerem Standard" (Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb 2024, § 243 Rn 21). Sind "10 Äpfel" geschuldet, kann der Schuldner also wegen § 243 I BGB zB nicht nur mit besonders kleinen und optisch unansehnlichen Äpfeln erfüllen, sondern schuldet 10 Äpfel mittlerer Art und Güte. Konkret auf unseren Fall bezogen schuldet M einen Anstrich, der dem durchschnittlichen Standard eines fachgerechten Anstrichs entspricht - wobei der Gläubiger gegen eine Abweichung "nach oben" kaum mal etwas einzuwenden haben wird, das aber vom Schuldner eben nicht verlangen kann. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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