Haftungsausschluss
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Sportler S mietet im Sommerurlaub in Österreich bei Fahrradhändler F ein Fahrrad. Sie vereinbaren individualvertraglich einen wirksamen Haftungsausschluss für fahrlässiges Handeln. F vergisst fahrlässig, die Bremsschläuche anzuschließen. Bei einer Abfahrt auf den Alpen kann S nicht bremsen und verunglückt tödlich. Seine Tochter T ist daraufhin längere Zeit zutiefst traurig.
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Einordnung des Falls
Haftungsausschluss
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Hinterbliebene eines Getöteten kann einen eigenen Schadensersatzanspruch infolge der Tötung haben.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Als hypothetischer Deliktsanspruch kommen nur verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche nach den §§ 823ff. BGB in Betracht.
Nein!
3. Der wirksam vereinbarte Haftungsausschluss ist im Rahmen von § 844 Abs. 3 S. 1 BGB unerheblich, weil er nur zwischen S und F, nicht aber zulasten der T wirkt.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Tr(u)mpeltier junior
31.1.2021, 17:04:25
Rein praktisch ist es für mich etwas schwer vorstellbar, dass bei dem fehlenden Anschluss der bremsschläuche nur Fahrlässigkeit (und nicht grobe Fahrlässigkeit) vorliegt🤔. Aber da Sachverhalte in der Klausur auch in Stein gemeißelt sind, nehme ich das gerne hin ;)
Tigerwitsch
9.2.2021, 00:10:24
Im Ergebnis kann T also auch nicht aus anderen Anspruchsgrundlagen gegen den F vorgehen? (schon allein aufgrund des wirksamen Haftungsausschlusses und unterstellt, dass es tatsächlich nur „normale“ Fahrlässigkeit war)
Leonard
9.2.2021, 00:24:57
Würde mich auch interessieren. Mfg Peter Maffay
Marilena
9.2.2021, 15:00:16
Hallo ihr beiden und herzlich Willkommen bei Jurafuchs, Peter Maffay! Danke für die Nachfrage! In Betracht käme noch ein originärer Anspruch der T gegen F aus § 823 Abs. 1 BGB. Das würde voraussetzen, dass die psychische Beeinträchtigung der T infolge des Unfalltodes des S eine Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellt, sogenannter Schockschaden. An die Annahme eines Schockschadens stellt die Rspr. aber hohe Anforderungen (Erheblichkeitsschwelle). Die bei Verlust eines nahen Angehörigen allenthalben entstehenden Gefühle von Trauer, Schmerz und Niedergeschlagenheit reichen für die Annahme einer Gesundheitsverletzung nicht aus, sondern die Beeinträchtigung des Dritten muss Krankheitswert erreichen.
Marilena
9.2.2021, 15:03:52
Der BGH sagt: Psychische Beeinträchtigungen infolge des Todes naher Angehöriger, mögen sie auch für die körperliche Befindlichkeit medizinisch relevant sein, können vielmehr nur dann als Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB angesehen werden, wenn sie pathologisch fassbar sind und über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hinterbliebene bei der Benachrichtigung vom tödlichen Unfall eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind (Urt. v. 27.01.2015, Az. VI ZR 548/12). Der Sachverhalt zu dieser Aufgabe ist zu dünn, um eine Beeinträchtigung annehmen zu können, die über den bloßen Trauerschmerz hinausgeht. Andere Ansprüche der T gegen F bestehen unseres Wissens nach nicht. Liebe Grüße für das Jurafuchs-Team, Marilena
CR7
2.7.2024, 11:51:48
Beachte Rspr Änderung 2022
Jacob
7.9.2023, 10:24:46
Ist ein Haftungsausschluss hier überhaupt möglich, vgl. § 309 Nr. 7 lit. a BGB ?
Nora Mommsen
7.9.2023, 11:39:23
Hallo Jacob, danke für deine Frage. Die § 307 ff. BGB und damit auch die Inhaltskontrolle nach § 309 BGB finden nicht allgemein auf Verträge Anwendung, sondern lediglich auf Allgemeine Geschäftsbedingungen. Vorliegend liegt ausweislich es Sachverhalts eine individualvertraglich vereinbarte Klausel vor. Die AGB Kontrolle gem. § 307 ff. BGB ist somit nicht anwendbar. Es bleibt lediglich eine allgemeine Sittenwidrigkeitskontrolle, die aufgrund der strengen Voraussetzungen hier eher fernliegend ist. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Jacob
7.9.2023, 12:03:34
Stimmt, so steht es im Sachverhalt. Ich habe nur gesehen, dass F ein (Fahrrad-)Händler ist und Sportler S wohl Verbraucher und so habe ich direkt AGB angenommen. Vielen Dank für die Antwort.
CR7
29.6.2024, 20:33:46
Liebes Team, ich würde hier vorschlagen, noch die besonders examensrelevanten Konstellationen "Eltern-Kind" Verhältnis als Fälle zu integrieren (habe diese bislang nicht gefunden, korrigiert mich gerne). Besonders examensrelevant: - Fahrtkosten der Eltern - Verdienstausfall der Eltern
Linne_Karlotta_
17.10.2024, 17:10:52
Hallo CR7, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team
Juri
6.8.2024, 19:44:05
Ich dachte es handelt sich hierbei gerade NICHT um einen Schadensersatzanspruch/Schmerzensgeld? Oder ist Schadensersatz einfach der Überbegriff für Schmerzensgeld und Hinterbliebenengeld?