Biodieselentscheidung: Deckungskauf (Schadensersatz statt der Leistung)

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

K kauft am 1.10. bei V 20.000 l Diesel. Am 15.10. verweigert V die Lieferung, da ihr Lieferant insolvent ist. K besteht auf die Lieferung. Gleichzeitig besorgt sie Ersatz bei H, wo der Diesel €5.000 mehr kostet. Am 31.10. liefert V nun doch. K will dennoch die Mehrkosten für den bei H gekauften Diesel ersetzt bekommen.

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Einordnung des Falls

Biodieselentscheidung: Deckungskauf (Schadensersatz statt der Leistung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach der herrschenden Meinung kann K die Mehrkosten des Deckungskaufes als Verzögerungsschaden nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB ersetzt verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die richtige Anspruchsgrundlage für die Mehrkosten eines Deckungskaufes ist umstritten. Die herrschende Meinung qualifiziert den Deckungskaufs als funktionalen Ersatz der Leistung. Die damit verbundenen Mehrkosten stellen damit einen Schaden statt der Leistung dar. Da der Deckungskauf die Leistung ersetzt bzw. der Schaden in Form des Nichterhalts des Diesels bei rechtzeitiger Leistung entfallen wäre, liegt nach herrschender Ansicht ein Schaden statt der Leistung vor. K kann damit nur unter den Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB Ersatz verlangen.
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2. Nach Ansicht eines Teils der Literatur (Lorenz/Faust) kann K die Mehrkosten des Deckungskaufes als Verzögerungsschaden nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB ersetzt verlangen.

Ja!

Ein Teil der Literatur (Lorenz/Faust) differenziert danach, ob der Deckungskauf vor dem Erlöschen der Leistungspflicht (dann Verzögerungsschaden) oder danach (dann Schaden statt der Leistung) getätigt wurde.Die Lieferung des Diesels war für V nicht unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB). Da K zur Zeit des Deckungskaufs noch keinen Schadensersatz verlangt hat, ist die Pflicht zur Leistung auch nicht nach § 281 Abs. 4 BGB erloschen. Nach Ansicht von Lorenz/Faust könnte K die Mehrkosten unter den Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB ersetzt verlangen. Auch in der Klausur solltest Du die Prüfung mit §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB beginnen. Dabei steht es Dir frei, welcher Meinung Du Dich anschließt. Die verschiedenen Argumente findest Du: hier

3. Da V sich geweigert hat, zu liefern, lag eine Pflichtverletzung vor.

Genau, so ist das!

Eine Pflichtverletzung ist jede objektive Abweichung des Verhaltens einer Partei des Schuldverhältnisses vom geschuldeten Pflichtenprogramm des § 241 BGB.Da K und V nichts anderes vereinbart haben, schuldete V die Lieferung des Öls sofort (§ 271 Abs. 1 BGB). Diese Leistung hat sie nicht erbracht und die Lieferung sogar verweigert. Damit ist sie von ihrer vertraglich geschuldeten Pflicht abgewichen und eine Pflichtverletzung liegt vor.

4. Bevor er Schadensersatz verlangen kann, musste K der V eine Frist zur Nachholung der Leistung setzen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die nach § 281 Abs. 1 BGB zu setzende Frist ist gem. Abs. 2 entbehrlich, wenn der Schuldner die Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigert. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn der Schuldner eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Verpflichtungen nicht nachkommen, und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich durch eine Aufforderung zur Leistung umstimmen ließe. Die Weigerung muss das letzte Wort des Schuldners sein.Da V die Lieferung verweigerte und insoweit auf die Insolvenz ihres Lieferanten verwies, erscheint es ausgeschlossen, dass sie ihrer Leistungspflicht nachkommen würde. Eine Fristsetzung war somit entbehrlich.

5. Als K den Diesel von H kaufte, lagen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches gegen V nach §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB vor.

Ja!

Der Anspruch setzt voraus: (1) Schuldverhältnis, (2) Schuldner leitet - trotz Möglichkeit - nicht ordnungsgemäß, (3) erfolgloser Ablauf / Entbehrlichkeit einer angemessenen Nachfrist, (4)Vertretenmüssen des Schuldners, (5)Schaden beim Gläubiger.V hat nicht geleistet und aufgrund ihrer Weigerung war eine Fristsetzung entbehrlich. Das Vertretenmüssen wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet (auch wenn sie für die Insolvenz des L nichts kann, trägt sie das Beschaffungsrisiko und hätte sich nach alternativen Lieferanten umsehen müssen!). Ein Schaden des L besteht in Höhe der zusätzlich aufgewendeten Kosten von €5.000.

6. K kann die Mehrkosten auch dann noch ersetzt verlangen, nachdem er die verspätete Lieferung von V angenommen hat.

Nein, das ist nicht der Fall!

Verlangt der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz, so ist damit der Anspruch auf die Leistung ausgeschlossen (§ 281 Abs. 4 BGB). Umgekehrt schließt aber auch die Annahme der Leistung, einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung aus.Da sich K dafür entschieden hat, den Diesel von V anzunehmen, kann er danach nicht mehr die Mehrkosten des Deckungskaufes ersetzt verlangen.Wählt man als Anspruchsgrundlage den Verzögerungsschaden, so kommt man zu diesem Ergebnis nur durch die Korrektur über die Kausalität (Lorenz) bzw. das Mitverschulden (Faust).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

GEL

gelöscht

2.3.2022, 08:59:15

Habt ihr mir Vlt. einen Aufbauhinweis wo ich den Streit im Rahmen von 280 I, II, 286 bringe? Mach ich eine Vorprüfung „I. Anwendbarkeit“?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.3.2022, 09:29:31

Hallo dielaura1, der Aufbau ist an dieser Stelle in der Tat nicht ganz einfach. Du könntest entweder zunächst mit der Prüfung des §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB beginnen und dann bei der Frage ob ein ersatzfähiger Schaden vorliegt rausfliegen. Anschließend würdest Du dann §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB prüfen (so z.B. Klawitter, Verspätungen mit Folgen?, JuS 2016, 1012). Alternativ könntest Du auch direkt mit §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB starten und den Streit auch dort bei der Rechtfsfolge prüfen (vgl. Dörnhöfer, Der verfrühte

Deckungskauf

, ZJS 2013, 176 - in den Fundstellen verlinkt). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Sarah

Sarah

19.1.2023, 18:51:34

Lehnt die hM nicht die analoge Anwendung von 281 abs 4 BGB ab? Es handelt sich gerade nicht um eine planwidrige Regelungslücke, da der Gesetzgeber mit Absicht nur den Anspruch auf Leistung ausgeschlossen hat, aber nicht den Ausschluss des Anspruchs auf SE beim Verlangen der Leistung. Unbillige Ergebnisse könnte man auch im Einzelfall über Treu und Glauben regeln.

DAV

David.

31.7.2023, 11:07:12

Einer Analogie des § 281 IV bedarf es hier gar nicht, da sich die Erfüllung und ein SE statt der Leistung schon begrifflich ausschließen. K hätte als entweder SE statt verlangen oder -wie er es hier auch gemacht hat- die Leistung annehmen können. Das entspricht auch der hM, wie der BGH sie vertritt.

RAP

Raphaeljura

4.6.2023, 13:09:54

Da er nicht Lieferung doch angenommen hat, bleibt er auf den Mehrkosten des

Deckungskauf

s sitzen?

DAV

David.

31.7.2023, 11:14:59

Genau, das Verlangen nach SE-statt der Leistung und nach Erfüllung schließen sich gegenseitig aus. Hätte K stattdessen allerdings vor Annahme des Diesels schon SE-statt der Leistung verlangt, dann wäre nach § 281 IV auch der Anspruch auf die Leistung entfallen. So wie hier konnte er allerdings die Leistung des V noch annehmen, allerdings dann nicht mehr SE-statt der Leistung verlangen.


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