Verstoß gegen StVO = verwerflich?
11. Juli 2025
8 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T will auf die Autobahn auffahren, auf der O bereits mit 80 km/h fährt. Sie beschleunigt zum Auffahren auf 90 km/h und biegt in einem Abstand von wenigen Metern vor O auf die Fahrspur. O ist gezwungen stark abzubremsen. Eine konkrete Gefährdung tritt nicht ein.
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Einordnung des Falls
Verstoß gegen StVO = verwerflich?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T könnte den objektiven Tatbestand von § 240 Abs. 1 StGB erfüllt haben. Kommt hier nur eine Drohung in Betracht?
Nein!
2. T hat gegen die StVO verstoßen. Ergibt sich bereits daraus, dass Ts Handlung verwerflich i.S.d. § 240 Abs. 2 StGB war?
Nein, das ist nicht der Fall!
3. T hat O einmalig und nur kurz beeinträchtigt und nicht gefährdet. Handelte T verwerflich (§ 240 Abs. 2 StGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Blotgrim
15.10.2022, 01:21:41
Ich verstehe das mit dem Ergebnis einmaligem Vorfall nicht ganz, wenn ich jetzt drohe jemanden zu schlagen kann das doch auch einmalig sein. Oder verstehe ich die Antwort gerade komplett falsch ^^ Lg

Simon
14.9.2023, 18:46:43
Für mich läuft das unter dem Punkt der Erheblichkeitsschwelle. Ein einmaliges Abbremsen zu verursachen ist nicht ausreichend, um den T strafrechtlich zu sanktionieren. Jemanden einen Faustschlag zu verpassen ist damit nicht vergleichbar schon wegen der Schmerzen und der mit dem Faustschlag verbundenen Geringschätzung durch den Schlagenden.

Linne Hempel
10.7.2025, 16:22:05
Hallo ihr zwei, bisher waren die Subsumtionen zu diesem Fall leider recht oberflächlich. In der Tat ist für die Feststellung der Verwerflichkeit Voraussetzung, dass eine Bagatellschwelle überschritten wird. Im Straßenverkehr sind kurzfristige und gefahrlose Einwirkungen auf andere deswegen in der Regel nicht als verwerflich anzusehen. Wie immer kommt es aber auch auf den Einzelfall an. Im Zuge einer umfassenderen Überarbeitung der Einheiten zur Nötigung haben wir diesen Aspekt jetzt in die Subsumtion mit aufgenommen und die Antworten präziser gestaltet. Viele Grüße! Linne – für das Jurafuchs-Team
Kind als Schaden
2.1.2024, 13:25:36
Inwiefern passt der Vertiefungstext hier denn zum Ergebnis? Im Ergebnis scheidet eine Strafbarkeit ja aus. Die Vertiefung besagt aber, dass es nicht der gesetzgeberischen Konzeption entspricht, vorsätzliche Verstöße als bloße Ordnungswidrigkeit zu ahnden.

Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat
21.6.2024, 12:10:17
Ich glaube du missverstehst den Vertiefungshinweis. Dieser sagt, dass es auch nicht der gesetzgeberischen Konzeption entsprechen würde, diese Handlung als Nötigung einzustufen, da der Gesetzgeber auch vorsätzliche Verstöße gegen die StVO grds. nur als Ordnungswidrigkeiten einstuft.
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