Bedrängende Fahrweise – Bagatelle?

11. Juli 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

P fährt mit 110 km/h auf der linken Spur der Autobahn. F will viel schneller fahren. Sie fährt deshalb über mehrere Kilometer hinweg immer wieder bis auf 2 Meter auf P auf. Dabei hupt und blinkt sie ständig. P bricht in Angstschweiß aus und wechselt schließlich die Spur.

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Einordnung des Falls

Bedrängende Fahrweise – Bagatelle?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. P könnte Gewalt durch die drängelnde Fahrweise Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 Alt. 1 StGB ausgeübt haben. Würde es dafür bereits ausreichen, wenn F körperliche Kraft entfaltet und F sich dadurch unter Druck gesetzt gefühlt hat?

Nein, das ist nicht der Fall!

Sieht man das Hervorrufen einer rein psychischen Wirkung als Gewalt an, verstößt das nach Rspr. des BVerfG gegen die Wortlautgrenze des Art. 103 Abs. 2 GG. Gewalt ist deshalb nur zu bejahen, wenn beim Genötigten eine physische Zwangswirkung ausgelöst wird.P ist in Angstschweiß ausgebrochen. Das ist eine physische Reaktion auf die Krafteinwirkung (Drängeln) der F. F hat somit nach Ansicht der Rspr. Gewalt ausgeübt.In der Literatur wird diese Auffassung teils kritisiert, da es vom Zufall abhängen könne, ob sich Angst beim Genötigten physisch zeige oder nicht. Das BVerfG hat diese Rspr. jedoch grundsätzlich gebilligt (BVerfG NJW 2007, 1669).
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2. Ist ein Nötigungserfolg eingetreten?

Ja, in der Tat!

Der Täter muss ein Opferverhalten, das in einer Handlung, Duldung oder Unterlassung liegen kann, herbeigeführt haben (= Nötigungserfolg). Handlung meint dabei ein positives Tun.P ist mit seinem Auto auf die rechte Fahrspur ausgewichen und hat so gehandelt. Ein Nötigungserfolg ist eingetreten.P hat auch gehandelt, weil F ihn bedrängt hat (= nötigungsspezifischer Zusammenhang). F handelte zudem vorsätzlich.

3. Durch die aufdrängende Fahrweise wurde P nicht konkret gefährdet. Scheidet damit die Verwerflichkeit der Handlung ohne Weiteres aus (§ 240 Abs. 2 StGB)?

Nein!

Es soll nur solches Verhalten strafbar sein, das von einem verständigen Dritten als sozial unerträglich und strafwürdiges Unrecht empfunden wird. Bagatelleinwirkungen scheiden hier aus. Insbesondere im Straßenverkehr ist die Verwerflichkeit bei kurzen Einwirkungen, die den Genötigten nicht gefährden, i.d.R. zu verneinen. Es bleibt aber dabei, dass Du die Verwerflichkeit nach einer Bewertung der gesamten Umstände beurteilen musst.

4. P wurde hier zumindest abstrakt gefährdet. Zudem handelte F allein, um selbst schneller fahren zu können. Sprechen diese Umstände dafür, dass F hier verwerflich gehandelt hat?

Genau, so ist das!

F ist über mehrere Kilometer bei einer Geschwindigkeit von über 100 km/h immer wieder nah auf P aufgefahren. Auch wenn P nicht konkret gefährdet wurde, kam es zumindest zu einer abstrakten Gefährdung des P. Das spricht gegen das Vorliegen einer Bagatelle. Auch die Intensität der Einwirkung (über eine längere Strecke, mit einem sehr kurzen Abstand von nur 2 Metern, ergänzt durch Hupen und Blinken) spricht dafür, dass ihr Verhalten als verwerflich zu werten ist. Auch Fs eigennütziges Motiv - schneller fahren zu können - muss bei der Prüfung zu ihren Lasten berücksichtigt werden. Zum Unterschied zu einem reinen „Bagatellfall“ vergleiche den vorherigen Fall.
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