Wirklicher Wille (nicht) geäußert?

25. April 2025

14 Kommentare

4,7(14.860 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die G beobachtet, wie der Hund der Nachbarin N von dieser unbemerkt durch das offene Fenster nach draußen springt und davon rennt. Als G versucht, das Tier für die N wieder einzufangen, beißt der Hund sie in die Hand.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Wirklicher Wille (nicht) geäußert?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G verlangt nun von N Ersatz der Heilbehandlungskosten für die Bisswunde. Scheitert ein Anspruch aus GoA bereits an den Grundvoraussetzungen aus § 677 BGB?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 677 BGB setzen Ansprüche aus echter GoA (egal, ob berechtigt oder unberechtigt) voraus, dass ein Geschäftsführer (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen ausführt, (3) ohne vom Geschäftsherrn beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Das Einfangen des Hundes der N ist ein reines Geschäft der N und damit für G objektiv fremd. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet. N hat die G weder dazu beauftragt, noch war die G gegenüber N sonst dazu berechtigt. Vielmehr wusste N gar nicht, dass ihr Hund entwischt ist.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Damit ein Aufwendungsersatz nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB besteht, muss die GoA berechtigt im Sinne des § 683 S. 1 BGB sein.

Ja!

Eine GoA ist nach § 683 S. 1 BGB berechtigt, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn ist dabei stets vorrangig zu prüfen. Sein mutmaßlicher Wille wird erst relevant, wenn sein wirklicher Wille nicht ermittelbar ist, weil er diesen nicht zum Ausdruck gebracht hat. Der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn ergibt sich in der Regel aus seinem objektiven Interesse.

3. Wenn der wirkliche Wille des Geschäftsherrn nicht feststellbar ist, scheidet eine berechtige GoA aus (§ 683 S. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Wenn der wirkliche Wille des Geschäftsherrn nicht ermittelbar oder erkennbar ist, so ist dessen mutmaßlicher Wille entscheidend (§ 683 S. 1 BGB). Der mutmaßliche Wille wird aus objektiver Sicht bestimmt. Maßgeblich ist, ob der Geschäftsherr bei objektiver Betrachtung der gesamten Umstände mit der Geschäftsübernahme einverstanden gewesen wäre. Der mutmaßliche Wille entspricht daher regelmäßig dem Interesse des Geschäftsherrn (§ 683 S. 1 BGB).

4. Entspricht die Geschäftsführung dem zum Ausdruck gebrachten wirklichen Willen der N?

Nein!

Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn ist der Wille, den dieser zum Zeitpunkt der Geschäftsübernahme entweder tatsächlich oder konkludent (aus den Umständen erkennbar) zum Ausdruck gebracht hat. Nicht erforderlich ist, dass dieser Wille gegenüber dem Geschäftsführer geäußert worden ist oder dann dieser Kenntnis von der Willensäußerung hat. Da N gar nicht bemerkte, wie ihr Hund entwischte, konnte sie auch keinen Willen bezüglich des Einfangens des Tieres äußern.

5. Ist die GoA hier berechtigt im Sinne des § 683 S. 1 BGB?

Ja, in der Tat!

Da der wirkliche Wille der N nicht feststellbar ist, kommt es auf ihren mutmaßlichen Willen an. Bei objektiver Betrachtung der Gesamtumstände wäre N mit dem Einfangen ihres unbemerkt entlaufenden Hundes durch G einverstanden gewesen. Daher entspricht das Einfangen ihrem mutmaßlichen Willen.

6. Kann G somit die Heilbehandlungskosten für die Bisswunde an ihrer Hand von N ersetzt verlangen (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB)?

Ja!

Nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB hat der Geschäftsführer einer berechtigten GoA einen Anspruch auf Ersatz derjenigen Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Nach h.M. zählen auch sog. risikotypische Begleitschäden als Aufwendungen im Sinne des § 670 BGB analog. Der Hundebiss ist ein typischer Personenschaden, der beim Einfangen eines Hundes entstehen kann. G hat somit einen Anspruch gegen N aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB auf Ersatz der Heilbehandlungskosten. Art und Umfang des Aufwendungsersatzanspruchs schauen wir uns später genauer an!
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen