Bezahlung fremder Schuld II - Hypothek

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Zur Umsetzung ihrer Geschäftsidee nimmt G bei Bank B ein Darlehen in Höhe von € 50.000 auf. Ihre Mutter M bestellt B zur Absicherung des Darlehens eine Hypothek auf ihr Grundstück. Da das Geschäft der G nicht richtig läuft, bezahlt M das Darlehen bei Fälligkeit zurück.

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Einordnung des Falls

Bezahlung fremder Schuld II - Hypothek

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hatte einen Rückzahlungsanspruch gegen G aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB.

Ja!

Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen (§ 488 Abs. 1 BGB). G und B haben einen Darlehensvertrag geschlossen. Entsprechend diesem hatte B an G €50.000 ausgezahlt. Daraus folgte ein Rückzahlungsanspruch der B gegen G in Höhe von € 50.000. Dieser Anspruch war bereits fällig.
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2. B hatte keinerlei Ansprüche gegen M.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 1147 BGB hat der Inhaber einer Hypothek einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen den Eigentümer des mit der Hypothek belasteten Grundstücks, sobald die mit der Hypothek abgesicherte Forderung und damit die Hypothek selbst fällig ist. B war Inhaber der auf das Grundstück der M bestellten Hypothek. Mit der Fälligkeit der damit abgesicherten Darlehensforderung wurde auch die Hypothek fällig.

3. Indem M das Darlehen der G an B zurückzahlte, ist die Darlehensforderung der B gegen M aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB auf sie übergegangen.

Ja, in der Tat!

Der Eigentümer eines mit einer Hypothek belasteten Grundstücks ist berechtigt, den Gläubiger der dazugehörigen Forderung zu befriedigen (§ 1142 Abs. 1 BGB). In Höhe der von ihm geleisteten Zahlung geht die Forderung per Legalzession auf ihn über (§ 1143 Abs. 1 S. 1 BGB). M war Eigentümerin des mit der Hypothek belasteten Grundstücks. B war Gläubigerin der damit abgesicherten Forderung. M hat die Darlehensforderung in Höhe von € 50.000 vollständig beglichen und ist damit Forderungsinhaberin geworden. Nach § 1153 BGB ging mit der Forderung auch die Hypothek auf die M über (Akzessorietät der Hypothek).

4. Die Bestellung der Hypothek war für M ein objektiv fremdes Geschäft.

Ja!

Ein objektiv fremdes Geschäft fällt nach außen erkennbar in den Rechts- und Interessenkreis eines anderen. Die Bestellung einer Hypothek zur Absicherung einer Forderung fällt in den Rechts- und Interessenkreis des Schuldners dieser Forderung, also der G. Die Rückzahlung des Darlehens durch M stellt dagegen ein alleiniges Geschäft von M dar. Die Tilgung einer fremden Schuld ist für den Leistenden zwar grundsätzlich als ein fremdes Geschäft einzustufen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Schuldtilgung wie hier nach § 1143 Abs. 1 S. 1 BGB eine Legalzession zur Folge hat. Dann stellt sie ausschließlich ein Geschäft des Zahlenden dar. In Betracht kommt neben einer Geschäftsführung ohne Auftrag beispielsweise auch ein Auftrag oder sogar eine Schenkung im Verhältnis zwischen B und M. Darüber wissen wir allerdings nicht Näheres und die Sachverhaltsdarstellung schweigt zu jeder Art der Einigung zwischen B und M, sodass wir im Folgenden von einer Geschäftsführung ohne Auftrag ausgehen wollen.

5. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet.

Genau, so ist das!

Bei objektiv fremden Geschäften wird der Fremdgeschäftsführungswille sowohl nach Ansicht des BGH, als auch nach Ansicht der Literatur widerlegbar vermutet. Die Bestellung der Hypothek stellt ein für M objektiv fremdes Geschäft dar.

6. Die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB sind erfüllt.

Ja, in der Tat!

Nach § 677 BGB setzen Ansprüche aus echter GoA (egal, ob berechtigt oder unberechtigt) voraus, dass ein Geschäftsführer (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen ausführt, (3) ohne vom Geschäftsherrn beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Die Bestellung der Hypothek stellt ein für M objektiv fremdes Geschäft dar. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet. G hat M weder zur Bestellung der Hypothek beauftragt, noch war M gegenüber G sonst dazu berechtigt.

7. Die Bestellung der Hypothek stellt eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar.

Ja!

Eine GoA ist nach § 683 S. 1 BGB berechtigt, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn ist dabei stets vorrangig zu prüfen. Sein mutmaßlicher Wille wird erst relevant, wenn sein wirklicher Wille nicht ermittelbar ist, weil er diesen nicht geäußert hat. Der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn ergibt sich in der Regel aus seinem objektiven Interesse. G hat ihren Willen in Bezug auf die Bestellung der Hypothek nicht geäußert. Sie entsprach jedoch ihrem objektiven Interesse, da die B nur so bereit war, einen Darlehensvertrag mit ihr zu schließen. Somit entsprach die Bestellung auch ihrem mutmaßlichen Willen.

8. M hat einen Aufwendungsersatzanspruch gegen G aus GoA nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB.

Genau, so ist das!

Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Die Bestellung des Darlehens entsprach dem mutmaßlichen Willen der G. M kann von G Ersatz ihrer Aufwendungen in Höhe von € 50.000 verlangen. Daneben hat M den Anspruch gegen G aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB, der per Legalzession auf sie übergegangen ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

cjackson94

cjackson94

16.4.2023, 07:09:11

Die Rückzahlung des Darlehens ist laut Fall ein eigenes Geschäft, wenn die Forderung auf den Zahlenden übergeht nach § 1143. Wieso verneint man dort nun ein Tätigwerden für einen anderen? Man stellt zwar darauf ab, dass die Forderung nach der Zahlung übergeht? Aber kann das wirklich das Argument sein? Weiß der Hypothekenbesteller als Laie, dass die Forderung auf ihn übergeht? 🤔

INDUB

InDubioProsecco

9.6.2023, 12:14:14

Es kommt m. E. nicht auf einen subjektiven Maßstab an, sondern für die Bestimmung ist allein maßgebend, ob die Zahlung "nach außen" in den Rechts-/Interessenkreis der Zahlenden fällt. Dass man sagt, dass es ein eigenes Geschäft des Zahlenden ist, macht Sinn, denn im Gegensatz zu einer Zahlung mit

Tilgungsbestimmung

, erlischt die Forderung ja gerade nicht sondern geht auf ihn selbst über. Der Schuldner wird durch die Zahlung ja nur im Verhältnis zur Bank von ihrer Verpflichtung frei. Primär fällt die Zahlung daher in den Rechts- und Interessenkreis des Zahlenden, da die Zahlung dem Schuldner so gesehen "nicht viel bringt".

Richi

Richi

7.6.2023, 11:06:00

Für mich war aus dem Sachverhalt nicht klar zu erkennen, dass die M die Hypothek bei B bestellt. Bei der Frage, ob B keine Ansprüche gegen M hat, kam es daher zu Verwirrung. Die M hätte die Hypothek ja auch woanders bestellen können; gerade bei Familienangelegenheiten kann es doch sein, dass die Tochter schon gar nicht mehr in der Nöhe der Mutter wohnt und diese aber trotzdem helfen will und bei ihrer lokalen Bank (andere als B) bestellt. Könnte man im Sachverhalt vielleicht anmerken, dass M bei B die Hypothek bestellt? Oder übersehe ich etwas?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

9.6.2023, 15:57:45

Hallo Richi, tatsächlich spricht der Sachverhalt davon dass M die Hypothek bei B auf ihr Grundstück bestellt. Es sollte also eigentlich klar daraus hervorgehene. Vielleicht ist das ein guter Reminder für dich, Sachverhalte in Klausuren sorgfältig zu lesen. Es gehen einem ja leider schnell mal wichtige Details durch. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

JUS

justlaw

17.7.2023, 17:13:09

Warum ist die Bestellung der Hypothek hier ohne Auftrag erfolgt? Geht man sonst nicht normalerweise von einem Auftrag iSd § 662 BGB bei der Bestellung von Sicherheiten für Familienmitglieder aus?

EVA

evanici

6.9.2023, 21:57:18

Das heißt, wenn Hypotheken/Bürgschaften aus reiner

Gefälligkeit

bestellt/vereinbart werden, ist es im Ergebnis trotzdem so, als ob der Sicherheitsgeber beauftragt worden wäre aufgrund des Verweises auf § 670. GoA ist aber am Ende trotzdem "schwächer", weil eben nur auf einen Teil der Normen im Auftragsrecht verwiesen wird wie der

Aufwendungsersatz

?

SN

Sniter

21.12.2023, 19:12:35

Ich denke nicht, dass man im Verhältnis zwischen Bürgen (B) und Hauptschuldner (HS) (sei es bei Hypo oder bei Bürgschaft) jemals zu einer reinen

Gefälligkeit

kommt. Vielmehr ist das ein Auftrag (§§ 662 ff), eine Geschäftsbesorgung (§ 675 ff) oder auch mal eine Schenkung (§§ 516 ff). Alleine der wirtschaftliche Wert der (Gesamt)Angelegenheit muss mE für eine rechtliche Beziehung sprechen. Gibt es kein (besonderes) RechtsVH zwischen B und HS, besteht als ultima ratio dann die GoA zwischen ihnen. Unabhängig wie das InnenVH zwischen B und HS rechtlich ausgestaltet ist (Ausnahme: Schenkung), kommt man auf § 670.

IT

Itsajourney

9.11.2023, 22:25:01

Ich wollte nur mal ein Lob dalassen :) Euere Fälle, sowie die dazugehörigen Erklärungen und Vertiefungen finde ich didaktisch weitestgehend wirklich super, vielen Dank 😃

LELEE

Leo Lee

11.11.2023, 18:18:11

Hallo Itsajourney, vielen Dank für die lieben Worte! Solche Komplimente motivieren uns immer wieder aufs Neue, noch mehr solcher Fälle ins Leben zu rufen. Ich werden die Worte an die Redaktion weiterleiten und danke dir nochmal vielmals :)!! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

SN

Sniter

21.12.2023, 19:18:35

Liebes Team, warum stellt man -hins der Geschäftsbesorgung- hier auf die Bestellung der Hypo ab und nicht auf die Tilgungsleistung, dh auf die Zahlung der M an die Bank? Die Tilgungsleistung wäre mE ein auch-fremdes Geschäft, da die Mutter (i) zwar den Anspruch der Bank gegen sich selbst abwendet, aber (ii) am Ende des Tages ja die fremde Schuld der Tochter zahlt. In der Begleichung einer fremden Schuld liegt mE ein objektiv fremdes Geschäft.

Juriano

Juriano

12.4.2024, 19:23:23

@[Sniter](188129) Das wurde meine ich beschrieben. Im Falle einer Legalzession wird davon ausgegangen, dass kein fremdes Geschäft vorliegt, sondern der "Geschäftsführer" nur für sich selber handelt. In den Bürgschaftsfällen zuvor ist dies ebenfalls so.

LS2024

LS2024

8.3.2024, 15:00:49

Ist die GoA hier nicht aufgrund eines

konkludent

geschlossenen Auftragsvertrages ausgeschlossen? Wenn nicht hielte ich die Begründung dafür, dass kein Auftrag vorliegt zumindest für eine wichtige inhaltliche Ergänzung.

Maitre68

Maitre68

2.4.2024, 16:36:02

Das würde mich auch interessieren @[LS2024](144077)

Juriano

Juriano

12.4.2024, 19:20:06

@LS2024 Auch hier die Frage wo ist im Ergebnis der Unterschied. Wertungen und Vorschriften dürften sich nicht groß unterscheiden.

LS2024

LS2024

12.4.2024, 19:39:29

Dann läge keine GoA vor. Denn dann wäre die Geschäftsführung nicht ohne Auftrag.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

20.9.2024, 10:49:56

Hallo @[LS2024](144077), vielen Dank für deinen Hinweis. Fluch und Segen von minimalistischen Sachverhalten: Wir wissen hier schlicht nichts über das Rechtsverhältnis zwischen M und B. Es könnte zB sehr wohl das von Dir genannte Auftragsverhältnis sein (mit der Folge, dass GoA ausscheidet), es könnte sogar eine Schenkung sein, es könnte aber auch die hier vorgeschlagene GoA sein. Das lässt sich letztlich allein durch Auslegung und Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls beantworten, dementsprechend haben wir in unserem Fall viel Spielraum. Irgendeine Art von Aufforderung der B ggü M oder auch Einigung zwischen den beiden ist der Sachverhaltsdarstellung allerdings nicht zu entnehmen. Weil über das Verhältnis hier gar nichts gesagt wurde, es sich gleichzeitig aber um eine wirtschaftliche bedeutende Entscheidung handelt (spricht gegen bloße

Gefälligkeit

), nehmen wir hier eine GoA an. In einer Prüfungssituation würde die Sachverhhaltsdarstellung aber mehr Informationen enthalten, anhand derer man seine Auslegung und Entscheidung begründen könnte. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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