Aufwendung auf fremde Sachen

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M hat eine Wohnung von V gemietet. Das Badezimmer der Wohnung ist zwar alt, aber noch voll funktionsfähig. M findet die dort verbauten geblümten Fliesen jedoch schrecklich. Sie entfernt sie und verlegt neue. Als V das erfährt, ist sie erfreut, da sie die Fliesen ohnehin erneuern wollte.

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Einordnung des Falls

Aufwendung auf fremde Sachen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die alten Fliesen stellten einen Mietmangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB dar.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 536 Abs. 1 BGB ist ein Mietmangel jeder Mangel der Mietsache, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert. Die alten Fliesen im Badezimmer der Wohnung haben den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung als Mietsache weder aufgehoben, noch gemindert. Vielmehr war das Badezimmer noch voll funktionsfähig, sodass der vertragsgemäße Gebrauch uneingeschränkt möglich war.
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2. M hat einen Aufwendungsersatzanspruch gegen V aus § 536a Abs. 2 BGB.

Nein!

Nach § 536a Abs. 2 BGB kann der Mieter einen Mietmangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB unter bestimmten Voraussetzungen selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. Die alten Fliesen stellen keinen Mietmangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB dar. Schon deshalb scheidet ein Aufwendungsersatzanspruch aus § 536a Abs. 2 BGB aus.

3. Auch diejenigen Aufwendungen des Mieters auf die Mietsache, die nicht der Mangelbeseitigung dienen, sind unter bestimmten Voraussetzungen ersatzfähig.

Genau, so ist das!

Der Mieter kann vom Vermieter Aufwendungen auf die Mietsache, die der Vermieter ihm nicht nach § 536a Abs. 2 zu ersetzen hat, nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen (§ 539 Abs. 1 BGB). Bei dieser Norm handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung. Das heißt, die Voraussetzungen eines Aufwendungsersatzanspruchs aus GoA nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB müssen erfüllt sein.§ 539 Abs. 1 BGB ist nur anwendbar, wenn es sich nicht um einen Mietmangel handelt. Bei Mietmängeln sind die Regelungen der §§ 536ff. BGB vorrangig. Deren Voraussetzungen (insb. Anzeigepflicht) dürfen nicht unter Rückgriff auf § 539 Abs. 1 BGB unterlaufen werden.

4. Die Erneuerung der Fliesen stellt ein für M auch-fremdes Geschäft dar.

Ja, in der Tat!

Ein auch-fremdes Geschäft fällt nach außen erkennbar sowohl in den Rechts- und Interessenkreis eines anderen, als auch in denjenigen des Geschäftsführers selbst. Die Erneuerung der Fliesen ist einerseits ein Geschäft des V, da sie Eigentümerin der Wohnung ist. Zum anderen stellt sie auch ein Geschäft des M dar, da sie Mieterin der Wohnung ist.

5. Der Fremdgeschäftsführungswille wird nach Auffassung des BGH vorliegend widerlegbar vermutet.

Ja!

Der Fremdgeschäftsführungswille wird laut BGH bei auch fremden Geschäften genauso wie bei objektiv fremden Geschäften grundsätzlich widerlegbar vermutet. Die Erneuerung der Fliesen ist ein auch-fremdes Geschäft.

6. M hat gegen V einen Aufwendungsersatzanspruch aus GoA nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB.

Genau, so ist das!

Die Voraussetzungen eines Aufwendungsersatzanspruchs aus GoA sind vorliegend erfüllt. Als Aufwendungen kommen vorliegend die Kosten für die neuen Fliesen in Betracht.Die Arbeitskraft des M wäre dagegen nicht als Aufwendung ersatzfähig. Nach h.M. ist die Arbeitskraft des Geschäftsführers im Rahmen einer GoA in analoger Anwendung des § 1877 Abs. 3 BGB nur dann als Aufwendung ersatzfähig, wenn das ausgeführte Geschäft dem Beruf oder dem Gewerbe des Geschäftsführers entspricht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Hanna

Hanna

5.1.2023, 15:38:02

Ergibt sich hier ein wirklicher Wille des V daraus, dass er sowieso die Fliesen austauschen wollte? Und muss ein solcher Wille irgendwie objektiv erkennbar werden? Danke im Voraus!

Hanna

Hanna

5.1.2023, 15:57:29

Ergänzung: danke, dass in der darauffolgenden Einheit zum

Fremdgeschäftsführungswille

n das Thema behandelt wird! Das Problem bei dem hier gebildeten Fall war für mich, dass nicht deutlich wird, dass V diesen Willen ausdrücklich oder

konkludent

äußert. Nur aus der Tatsache, dass er das eh wollte, ist für mich eine Äußerung noch nicht ersichtlich.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.1.2023, 13:18:12

Hallo Hanna, es kommt primär auf den inneren Willen des Geschäftsherrn an. Dieser muss auch nach außen hervorgetreten sein. Nicht entscheidend ist, dass der Geschäftsführer von diesem Willen Kenntnis hatte oder hätte erlangen können oder überhaupt, dass der Wille konkret dem Geschäftsführer gegenüber oder einer Person in dessen Umfeld geäußert wird. Eine lebensnahe Sachverhaltsauslegung ergibt also hier, dass ein wirklicher Wille vorliegt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

PET

Petrus

17.7.2023, 08:48:51

Wären Aufwendungen auf fremde Sachen (jetzt abgesehen von der Mietrechtskonstellation) dann objektiv fremde Geschäfte? Wie sähe es aus, wenn jemand denkt Eigentümer geworden zu sein und Aufwendungen auf eine Sache tätigt, aber dann ein Dritter (der wahre Eigentümer) ums Eck kommt und die Sache wieder will? Wäre das dann trotzdem ein objektiv fremdes Geschäft bei dem der

Fremdgeschäftsführungswille

vermutet wird?

Antonia

Antonia

31.7.2023, 11:28:35

Der Fremd

geschäftswille

wird widerlegbar vermutet, also würde er in deiner Konstellation entfallen.

LS2024

LS2024

11.3.2024, 12:44:39

Im Fall trat der wirkliche Wille der V erst nach der Vornahme der Geschäftsbesorgung zum Ausdruck. Zum Zeitpunkt der Geschäftsbesorgung kann also nur ihr mutmaßlicher Wille maßgeblich sein. Dem mutmaßlichen Willen der V wird es aber nicht entsprochen haben die Fließen zu entfernen. Da es auf den Zeitpunkt der Vornahme der ersten Geschäftshandlung ankam, handelte es sich also zunächst um eine unberechtigte GoA, die durch die V wohl nachträglich

konkludent

genehmigt und somit ex tunc zur berechtigten GoA wurde.

Dogu

Dogu

13.8.2024, 18:02:53

Auf was stützt Du den fehlenden mutmaßlichen Willen? Regelmäßig wird bei objektiv nützlicher, d.h. im Interesse des GH liegender, Geschäftsführung auch vom mutmaßlichen Willen ausgehen sein. Bei fachmännischer Modernisierung alter Fliesen sehe ich keine Zweifel an der objektiven Nützlichkeit und damit dem Interesse des GH. Ewas völlig anderes wäre natürlich bei stümperhafter Arbeit oder Beschädigungen der Wohnung anzunehmen.

Dogu

Dogu

13.8.2024, 18:07:40

Denn es ergibt sich ein Vermögensplus für die GH im vorliegenden Fall: Der Wert der Wohnung hat sich erhöht. Sie muss nichts für die Arbeitskraft der GF bezahlen, falls sie keine Fliesenlegerin sein sollte. Daher spricht nichts gegen einen mutmaßlichen Willen. Die Annahme, die GH wollte aus Affektionsinteresse an unmodischen Fliesen festhalten, ist hier unwahrscheinlicher als das Gegenteil aufgrund den Erwägungen nach objektiver Nützlichkeit.

LS2024

LS2024

16.8.2024, 14:08:00

Laut Sachverhalt sind die Fließen in einwandfreiem Zustand. Der M gefallen sie nur nicht. Dadurch erhöht sich der Wert nicht. Dass der Vermieterin die Fließen auch nicht gefallen steht im Sachverhalt nicht. Wie du das tust lässt sich sicher argumentieren, dass der Austausch der Fließen aufgrund einer allgemeinen modischen Veränderung wertsteigernd ist. Selbst dann entspräche es allerdings nicht dem mutmaßlichen Willen der Vermieterin, da es sich um nützliche und nicht um

notwendige Verwendungen

handelt. Ich habe mir notiert, dass

notwendige Verwendungen

nicht dem mutmaßlichen Willen des Vermieters entsprechen (habe ich damals in irgendeinem Kommentar gefunden, aber wo genau habe ich leider nicht notiert, basierte aber wenn ich mich richtig erinnere auf Rechtsprechung). Das finde ich auch sehr logisch. Denn ansonsten könnte der Mieter ja einfach das Mietobjekt nach seinem Belieben verbessern und die Kosten dafür vom Vermieter ersetzt verlangen. Dieses Recht hat allerdings nur der Vermieter (vgl.

§ 903 BGB

).

Dogu

Dogu

16.8.2024, 18:58:46

Ich widerspreche der Ansicht,

nützliche Verwendungen

würden nicht im objektiven Interesse und damit im mutmaßlichen Willen liegen. Die Wertsteigerung ist ja konstitutiv für diese Art von Verwendung. Außerdem existiert das von dir genannte Problem in der Vertragsrealität regelmäßig nicht, da Formularmietverträge explizite Angaben zu den erlaubten Mietereinbauten oder baulichen Veränderungen haben. Somit ist der tatsächliche Wille des GH hier klar und es kommt nicht auf einen mutmaßlichen an

Dogu

Dogu

16.8.2024, 18:59:44

Siehe beispielsweise § 9 beim Formularvertrag des Mieterbunds https://mieterbund.de/service/checks-formulare/mietvertrag/

Dogu

Dogu

16.8.2024, 19:01:15

Extremfälle könnte man außerdem auch über das TBM der Erforderlichkeit der Aufwendungen abfangen (macht der BGH ja häufiger siehe Schwarzarbeit).

Dogu

Dogu

16.8.2024, 19:03:27

Ich finde das auch nur billig, denn wenn der Vermieter dem Mieter nunmal den Gebrauch an der

Mietsache

einräumt, hat er auch die Verantwortung, seinen Willen über die Grenzen des Gebrauchs klar zum Ausdruck zu bringen.

Dogu

Dogu

16.8.2024, 19:04:08

Natürlich kann man das auch anders sehen. Würde mich aber in der Klausur taktisch entscheiden. ;)

LS2024

LS2024

16.8.2024, 21:16:19

Naja, ich finde es schlicht schwierig zu begründen, dass das hier dem (wohlgemerkt) mutmaßlichen Willen des Vermieters entsprechen soll. Es handelt sich rein objektiv schon nicht um nützliche Aufwendungen. Dadurch, dass voll funktionsfähige Fließen ausgetauscht werden, nur weil sie der Mieterin besser gefallen, entstehen ausschließlich Kosten. Eine Wertsteigerung tritt durch einen bloßen Austausch gerade nicht ein. Verstehe meinen ursprünglichen Kommentar also bitte mehr so: Ich finde es handelt sich hier schon nicht um nützliche Aufwendungen. Insofern entspricht es auf keinen Fall dem mutmaßlichen Willen des Vermieters. Insbesondere wenn - wie auf der Zeichnung - die Mieterin das selbst in die Hand nimmt und dadurch vermutlich sogar eine Wertminderung eintreten wird. Selbst wenn man allerdings annähme, dass es sich um

nützliche Verwendungen

handelte, dann müsste man die spezielle Interessenlage des Mietrechts berücksichtigen: Das hieße der Mieter könnte das Linoleum gegen Parkett austauschen lassen und das dann dem Vermieter in Rechnung stellen (immer noch eine sinnvollere Investition als einwandfreie Fließen aus einem ästhetischen Gefühl heraus auszutauschen). Die Wände mit Mahagoni vertäfeln lassen, die Ikea-Lampe durch einen Kronleuchter austauschen usw. Das gibt zwei Problem: (1) Der Wert der

Mietsache

erhöht sich, die Miete bleibt aber gleich. Ich könnte meinen Vermieter dazu zwingen, meine Studentenbude in ein Luxusappartement zu verwandeln, ohne dass der die Miete erhöhen könnte. (2) Vielleicht hat der Vermieter aktuell kein Geld, dann müsste er einen Kredit aufnehmen, um dem ästhetischen Befinden des Mieters zu schmeicheln. (3) Ganz zu schweigen von den erheblichen wirtschaftlichen Abwägungen, die einer solche Investitionsentscheidung zugrunde liegen. In welcher Preisklasse platziert sich das Mietobjekt. Ist zukünftig an diesem Ort mit erhöhter Nachfrage zu rechnen, oder lohnt sich eine Investition schon mangels potenzieller Nachmieter nicht? Vielleicht möchte der Vermieter nach dem Ende des Mietvertrages ohnehin grundsanieren, um das Mietobjekt den Marktbedingungen anzupassen, sodass die „nützlichen“ Verwendungen nicht mehr in das Gesamtkonzept passen und dadurch völlig wertlos werden. Diese Abwägungen kann der Mieter schon gar nicht sinnvoll treffen, weil ihm die Informationen fehlen. (4) Und das muss er auch gar nicht, denn die Investitionsentscheidungen hat allein der Eigentümer zu treffen, vgl.

§ 903 BGB

. Ergo können mMn auch

nützliche Verwendungen

niemals dem Willen des Vermieters entsprechen. Ganz zu schweigen davon, dass es aus den oben genannten Gründen rechtsökonomisch geboten ist, hier einen

Aufwendungsersatzanspruch

zu verneinen.

LS2024

LS2024

16.8.2024, 21:16:42

Auch klausurtaktisch ergibt es mMn wenig Sinn diese Aspekte erst bei der Erforderlichkeit anzusprechen. Man würde keinerlei zusätzliche relevante Inhalte zu Papier bringen. Das Einzige, das man erreicht ist, dass man noch zusätzliche Prüfungspunkte hat, eine (mMn siehe oben) falsche Schwerpunktsetzung trifft und am Ende vielleicht noch zu wenig Zeit hat.

Eileen 🦊

Eileen 🦊

11.6.2024, 14:13:47

Mir erschließt sich nicht ganz der Ausschluss der Aufwendungen aus Arbeitskraft (im Erklärkasten). Bezüglich des 1877 Abs. 3 verwirrt etwas das „auch“, was auf eine Erweiterung statt eines Ausschlusses hindeutet. Würdet Ihr das bitte noch einmal Erläutern? Vielen Dank!


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