Aufwendung auf fremde Sachen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M hat eine Wohnung von V gemietet. Das Badezimmer der Wohnung ist zwar alt, aber noch voll funktionsfähig. M findet die dort verbauten geblümten Fliesen jedoch schrecklich. Sie entfernt sie und verlegt neue. Als V das erfährt, ist sie erfreut, da sie die Fliesen ohnehin erneuern wollte.
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Einordnung des Falls
Aufwendung auf fremde Sachen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die alten Fliesen stellten einen Mietmangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB dar.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. M hat einen Aufwendungsersatzanspruch gegen V aus § 536a Abs. 2 BGB.
Nein!
3. Auch diejenigen Aufwendungen des Mieters auf die Mietsache, die nicht der Mangelbeseitigung dienen, sind unter bestimmten Voraussetzungen ersatzfähig.
Genau, so ist das!
4. Die Erneuerung der Fliesen stellt ein für M auch-fremdes Geschäft dar.
Ja, in der Tat!
5. Der Fremdgeschäftsführungswille wird nach Auffassung des BGH vorliegend widerlegbar vermutet.
Ja!
6. M hat gegen V einen Aufwendungsersatzanspruch aus GoA nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Hanna
5.1.2023, 15:38:02
Ergibt sich hier ein wirklicher Wille des V daraus, dass er sowieso die Fliesen austauschen wollte? Und muss ein solcher Wille irgendwie objektiv erkennbar werden? Danke im Voraus!
Hanna
5.1.2023, 15:57:29
Ergänzung: danke, dass in der darauffolgenden Einheit zum
Fremdgeschäftsführungswillen das Thema behandelt wird! Das Problem bei dem hier gebildeten Fall war für mich, dass nicht deutlich wird, dass V diesen Willen ausdrücklich oder
konkludentäußert. Nur aus der Tatsache, dass er das eh wollte, ist für mich eine Äußerung noch nicht ersichtlich.
Nora Mommsen
11.1.2023, 13:18:12
Hallo Hanna, es kommt primär auf den inneren Willen des Geschäftsherrn an. Dieser muss auch nach außen hervorgetreten sein. Nicht entscheidend ist, dass der Geschäftsführer von diesem Willen Kenntnis hatte oder hätte erlangen können oder überhaupt, dass der Wille konkret dem Geschäftsführer gegenüber oder einer Person in dessen Umfeld geäußert wird. Eine lebensnahe Sachverhaltsauslegung ergibt also hier, dass ein wirklicher Wille vorliegt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Petrus
17.7.2023, 08:48:51
Wären Aufwendungen auf fremde Sachen (jetzt abgesehen von der Mietrechtskonstellation) dann objektiv fremde Geschäfte? Wie sähe es aus, wenn jemand denkt Eigentümer geworden zu sein und Aufwendungen auf eine Sache tätigt, aber dann ein Dritter (der wahre Eigentümer) ums Eck kommt und die Sache wieder will? Wäre das dann trotzdem ein objektiv fremdes Geschäft bei dem der
Fremdgeschäftsführungswillevermutet wird?
Antonia
31.7.2023, 11:28:35
LS2024
11.3.2024, 12:44:39
Im Fall trat der wirkliche Wille der V erst nach der Vornahme der Geschäftsbesorgung zum Ausdruck. Zum Zeitpunkt der Geschäftsbesorgung kann also nur ihr mutmaßlicher Wille maßgeblich sein. Dem mutmaßlichen Willen der V wird es aber nicht entsprochen haben die Fließen zu entfernen. Da es auf den Zeitpunkt der Vornahme der ersten Geschäftshandlung ankam, handelte es sich also zunächst um eine unberechtigte GoA, die durch die V wohl nachträglich
konkludentgenehmigt und somit ex tunc zur berechtigten GoA wurde.
Dogu
13.8.2024, 18:02:53
Auf was stützt Du den fehlenden mutmaßlichen Willen? Regelmäßig wird bei objektiv nützlicher, d.h. im Interesse des GH liegender, Geschäftsführung auch vom mutmaßlichen Willen ausgehen sein. Bei fachmännischer Modernisierung alter Fliesen sehe ich keine Zweifel an der objektiven Nützlichkeit und damit dem Interesse des GH. Ewas völlig anderes wäre natürlich bei stümperhafter Arbeit oder Beschädigungen der Wohnung anzunehmen.
Dogu
13.8.2024, 18:07:40
Denn es ergibt sich ein Vermögensplus für die GH im vorliegenden Fall: Der Wert der Wohnung hat sich erhöht. Sie muss nichts für die Arbeitskraft der GF bezahlen, falls sie keine Fliesenlegerin sein sollte. Daher spricht nichts gegen einen mutmaßlichen Willen. Die Annahme, die GH wollte aus Affektionsinteresse an unmodischen Fliesen festhalten, ist hier unwahrscheinlicher als das Gegenteil aufgrund den Erwägungen nach objektiver Nützlichkeit.
LS2024
16.8.2024, 14:08:00
Laut Sachverhalt sind die Fließen in einwandfreiem Zustand. Der M gefallen sie nur nicht. Dadurch erhöht sich der Wert nicht. Dass der Vermieterin die Fließen auch nicht gefallen steht im Sachverhalt nicht. Wie du das tust lässt sich sicher argumentieren, dass der Austausch der Fließen aufgrund einer allgemeinen modischen Veränderung wertsteigernd ist. Selbst dann entspräche es allerdings nicht dem mutmaßlichen Willen der Vermieterin, da es sich um nützliche und nicht um
notwendige Verwendungenhandelt. Ich habe mir notiert, dass
notwendige Verwendungennicht dem mutmaßlichen Willen des Vermieters entsprechen (habe ich damals in irgendeinem Kommentar gefunden, aber wo genau habe ich leider nicht notiert, basierte aber wenn ich mich richtig erinnere auf Rechtsprechung). Das finde ich auch sehr logisch. Denn ansonsten könnte der Mieter ja einfach das Mietobjekt nach seinem Belieben verbessern und die Kosten dafür vom Vermieter ersetzt verlangen. Dieses Recht hat allerdings nur der Vermieter (vgl.
§ 903 BGB).
Dogu
16.8.2024, 18:58:46
Ich widerspreche der Ansicht,
nützliche Verwendungenwürden nicht im objektiven Interesse und damit im mutmaßlichen Willen liegen. Die Wertsteigerung ist ja konstitutiv für diese Art von Verwendung. Außerdem existiert das von dir genannte Problem in der Vertragsrealität regelmäßig nicht, da Formularmietverträge explizite Angaben zu den erlaubten Mietereinbauten oder baulichen Veränderungen haben. Somit ist der tatsächliche Wille des GH hier klar und es kommt nicht auf einen mutmaßlichen an
Dogu
16.8.2024, 18:59:44
Siehe beispielsweise § 9 beim Formularvertrag des Mieterbunds https://mieterbund.de/service/checks-formulare/mietvertrag/
Dogu
16.8.2024, 19:01:15
Extremfälle könnte man außerdem auch über das TBM der Erforderlichkeit der Aufwendungen abfangen (macht der BGH ja häufiger siehe Schwarzarbeit).
Dogu
16.8.2024, 19:03:27
Ich finde das auch nur billig, denn wenn der Vermieter dem Mieter nunmal den Gebrauch an der
Mietsacheeinräumt, hat er auch die Verantwortung, seinen Willen über die Grenzen des Gebrauchs klar zum Ausdruck zu bringen.
Dogu
16.8.2024, 19:04:08
Natürlich kann man das auch anders sehen. Würde mich aber in der Klausur taktisch entscheiden. ;)
LS2024
16.8.2024, 21:16:19
Naja, ich finde es schlicht schwierig zu begründen, dass das hier dem (wohlgemerkt) mutmaßlichen Willen des Vermieters entsprechen soll. Es handelt sich rein objektiv schon nicht um nützliche Aufwendungen. Dadurch, dass voll funktionsfähige Fließen ausgetauscht werden, nur weil sie der Mieterin besser gefallen, entstehen ausschließlich Kosten. Eine Wertsteigerung tritt durch einen bloßen Austausch gerade nicht ein. Verstehe meinen ursprünglichen Kommentar also bitte mehr so: Ich finde es handelt sich hier schon nicht um nützliche Aufwendungen. Insofern entspricht es auf keinen Fall dem mutmaßlichen Willen des Vermieters. Insbesondere wenn - wie auf der Zeichnung - die Mieterin das selbst in die Hand nimmt und dadurch vermutlich sogar eine Wertminderung eintreten wird. Selbst wenn man allerdings annähme, dass es sich um
nützliche Verwendungenhandelte, dann müsste man die spezielle Interessenlage des Mietrechts berücksichtigen: Das hieße der Mieter könnte das Linoleum gegen Parkett austauschen lassen und das dann dem Vermieter in Rechnung stellen (immer noch eine sinnvollere Investition als einwandfreie Fließen aus einem ästhetischen Gefühl heraus auszutauschen). Die Wände mit Mahagoni vertäfeln lassen, die Ikea-Lampe durch einen Kronleuchter austauschen usw. Das gibt zwei Problem: (1) Der Wert der
Mietsacheerhöht sich, die Miete bleibt aber gleich. Ich könnte meinen Vermieter dazu zwingen, meine Studentenbude in ein Luxusappartement zu verwandeln, ohne dass der die Miete erhöhen könnte. (2) Vielleicht hat der Vermieter aktuell kein Geld, dann müsste er einen Kredit aufnehmen, um dem ästhetischen Befinden des Mieters zu schmeicheln. (3) Ganz zu schweigen von den erheblichen wirtschaftlichen Abwägungen, die einer solche Investitionsentscheidung zugrunde liegen. In welcher Preisklasse platziert sich das Mietobjekt. Ist zukünftig an diesem Ort mit erhöhter Nachfrage zu rechnen, oder lohnt sich eine Investition schon mangels potenzieller Nachmieter nicht? Vielleicht möchte der Vermieter nach dem Ende des Mietvertrages ohnehin grundsanieren, um das Mietobjekt den Marktbedingungen anzupassen, sodass die „nützlichen“ Verwendungen nicht mehr in das Gesamtkonzept passen und dadurch völlig wertlos werden. Diese Abwägungen kann der Mieter schon gar nicht sinnvoll treffen, weil ihm die Informationen fehlen. (4) Und das muss er auch gar nicht, denn die Investitionsentscheidungen hat allein der Eigentümer zu treffen, vgl.
§ 903 BGB. Ergo können mMn auch
nützliche Verwendungenniemals dem Willen des Vermieters entsprechen. Ganz zu schweigen davon, dass es aus den oben genannten Gründen rechtsökonomisch geboten ist, hier einen
Aufwendungsersatzanspruchzu verneinen.
LS2024
16.8.2024, 21:16:42
Auch klausurtaktisch ergibt es mMn wenig Sinn diese Aspekte erst bei der Erforderlichkeit anzusprechen. Man würde keinerlei zusätzliche relevante Inhalte zu Papier bringen. Das Einzige, das man erreicht ist, dass man noch zusätzliche Prüfungspunkte hat, eine (mMn siehe oben) falsche Schwerpunktsetzung trifft und am Ende vielleicht noch zu wenig Zeit hat.
Eileen 🦊
11.6.2024, 14:13:47
Mir erschließt sich nicht ganz der Ausschluss der Aufwendungen aus Arbeitskraft (im Erklärkasten). Bezüglich des 1877 Abs. 3 verwirrt etwas das „auch“, was auf eine Erweiterung statt eines Ausschlusses hindeutet. Würdet Ihr das bitte noch einmal Erläutern? Vielen Dank!