Fensterwurf-Fall (Risikoersetzung)

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Vater V wirft seine vom Feuertod bedrohte Tochter T aus dem Fenster des brennenden Hauses, wodurch T nur eine geringe Sturzverletzung erleidet.

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Einordnung des Falls

Fensterwurf-Fall (Risikoersetzung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn der Täter das Risiko eines Schadens verringert oder aufhebt, ohne dabei eine neue Gefahr zu schaffen, entfällt die objektive Zurechenbarkeit.

Genau, so ist das!

Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn durch das Verhalten des Täters (1) eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen worden ist, die (2) sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert. Risikoverringerung liegt vor, wenn jemand einen bereits angelegten Kausalverlauf im Umfang der drohenden Schäden für den Betroffenen auf die Weise reduziert, dass er diese in ihrer nachteiligen Wirkung abschwächt, ohne zugleich eine eigenständige, anders gelagerte Gefahr zu setzen. In diesem Fall hat der Täter keine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen. Denn es entspricht nicht dem Sinn von Strafrechtsnormen, Verhaltensweisen zu missbilligen, die die Wirkung von Rechtsgutsverletzungen abschwächen.
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2. V ist der Körperverletzungserfolg objektiv zuzurechnen.

Ja!

Risikoverringerung liegt vor, wenn jemand einen bereits angelegten Kausalverlauf im Umfang der drohenden Schäden für den Betroffenen auf die Weise reduziert, dass diese in ihrer nachteiligen Wirkung abschwächt, ohne zugleich eine eigenständige, anders gelagerte Gefahr zu setzen.Indem V die T aus dem Fenster hinausgeworfen hat, hat er die Gefahr des Verbrennens für T aufgehoben, aber zugleich eine neue rechtlich missbilligte Gefahr (Sturz) geschaffen. Er hat eine neue, eigenständige Ursachenreihe eröffnet (Risikoersetzung).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

H. Schmidt von Church

H. Schmidt von Church

22.10.2020, 10:06:12

Verstehe ich es richtig, dass der einzige Unterschied zu dem vorherigen Fall mit den herunterfallenden Ziegelsteinen ist, dass der Sturz im Vergleich zum Schubser eine erheblicher Gefahr darstellt?

Daniel G

Daniel G

22.10.2020, 18:17:26

gute Frage, ich hätte in beiden Fällen die

objektive zurechnung

bejaht, aber die Rechtswidrigkeit verneint

Ira

Ira

26.10.2020, 20:38:11

Wo ist der Unterschied zu dem Fall, wo der Vater seine Kinder nicht aus dem Fenster des brennenden Hauses werfen wollte und (ich glaube sogar) wg. Todschlags für schuldig befunden wurde? etwa darin, dass unten Menschen standen, die die Kinder auffangen wollten? ergibt für mich keinen Sinn und genau solche Punkte sollten erläutert werden. So versteht man den Unterscheid gar nicht! Auch hier ein Minuspunkt, da es keine Möglichkeit gibt, wieder zurückzugehen, um Vergleiche anzustellen.

Melanie 🐝

Melanie 🐝

9.11.2020, 08:25:11

Ich würde das auch gerne wissen, mir ist der Unterschied zum Ziegelstein Fall auch nicht klar. In beiden Fällen haben die Täter die Opfer vor einer schlimmeren RGV gerettet

Ciranje

Ciranje

9.11.2020, 21:59:24

Hey ihr Lieben, von einer Risikoverringerung kann nur dann ausgegangen werden, wenn sich das ursprünglich angelegte Risiko verringert. Bei den herunterfallenden Ziegelsteinen wird die drohende Körperverletzung abgeschwächt. Im vorliegenden Fall geht es aber eben nichtmehr um das Risikos des Feuertods, vielmehr wird vom Vater eben ein ganz anderes neues Risiko geschaffen (Körperverletzung durch Sturz ungleich Feuertod). Deshalb spricht man hier von Risikoersetzung. Eine Verringerung kann schon deshalb nicht angenommen werden weil man solche Dinge zumeist nicht gegeneinander abwägen kann.

Sambajamba10

Sambajamba10

29.5.2023, 11:18:18

@[Ira ](133117) Bei dem Fall, wo der Vater seine Kinder nicht aus dem Fenster geworfen hat, ging es um die Kausalitätsprüfung. Dort wurde eine Quasi-Kausalität bejaht, weil er bei Vornahme der gebotenen Handlung (Wurf aus dem Fenster) seine Kinder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerettet hätte. Auch in dem Fall, dass er dies getan hätte (dann wären wir im Grunde genommen bei dem Fall hier), würden wir die objektive Zurechenbarkeit bejahen. Denn man kann hier einwenden, dass er durch den Fenstersturz eben eine neue Gefahr geschaffen hat und sich eben diese im Erfolg realisiert hat (Risikoersetzung statt Risikoverringerung). Im Original Fall, wo der Vater seine Kinder eben nicht gerettet hat, ist die

objektive Zurechnung

ebenso zu bejahen, da er durch das Nichtstun eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat und dieses Nichtstun sich dann auch im Feuertod realisiert hat.

Isabell

Isabell

17.11.2020, 14:19:00

Er wäre aber entschuldigt, oder?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

17.11.2020, 14:26:48

Hallo Isabell, ja, je nach Konstellation kommt in Betracht, dass die Tat entweder schon nicht rechtswidrig ist (§ 34 StGB) oder V nach § 35 StGB entschuldigt ist. Hier geht es aber aus didaktischen Gründen nur um die

objektive Zurechnung

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