Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Objektive Zurechnung

Zusammenwirken zweier für sich betrachtet nicht tödlicher Giftmengen (Atypischer Kausalverlauf)

Zusammenwirken zweier für sich betrachtet nicht tödlicher Giftmengen (Atypischer Kausalverlauf)

3. Juni 2025

15 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

A und B schütten unabhängig voneinander eine jeweils für sich betrachtet nicht tödlich wirkende Menge Gift in das Getränk des O. O trinkt und stirbt durch die Gesamtmenge des Giftes.

Diesen Fall lösen 38,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A und B ist der Tod des O jeweils objektiv zuzurechnen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn durch das Verhalten des Täters (1) eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen worden ist, die (2) sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert. Ein atypischer Kausalverlauf ist gegeben, wenn dieser so sehr außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegt, dass mit ihm vernünftigerweise nicht gerechnet zu werden braucht.A und B haben jeweils mit der Giftgabe eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen. Die jeweilige Gefahr hat sich aber nicht im konkreten Erfolg realisiert. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist es völlig unwahrscheinlich, dass die Vergiftung des Opfers mit einer an sich unzureichenden Dosis gerade deshalb gelingt, weil unabhängig davon gleichzeitig eine zweite Vergiftung durch jemand anderen erfolgt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BEN

Benvabene

1.11.2019, 14:05:28

Ist dies nicht eher ein Fall der kumulativen Kausalität, anstatt der atypischen Kausalität?

Ultima_ratio

Ultima_ratio

1.11.2019, 19:52:48

Es ist beides.

ER

Eric

31.12.2019, 13:00:54

Die

kumulative Kausalität

gehört zum Prüfungspunkt der Kausalität. Der atypische

Kausalverlauf

wird dagegen unter dem Punkt der objektiven Zurechnung geprüft. Es kann sich also um einen Fall der

kumulative Kausalität

und gleichzeitig um einen atypischen

Kausalverlauf

handeln.

DEN

Dennis

10.11.2020, 05:34:34

In einer Klausur wäre hier doch zumindest die Körperverletzung mit Todesfolge für beide zu prüfen und vsl. zu bejahen?

Real Thomas Fischer Fake 🐳

Real Thomas Fischer Fake 🐳

10.11.2020, 10:57:28

Nein! Es kommt nur der Versuch in Betracht! Ob versuchte(r)

Totschlag

, Mord oder KV ist abhängig vom Vorsatz.

JuraladyTizia

JuraladyTizia

19.3.2022, 07:34:02

Wenn die

objektive Zurechnung

entfällt, dann entfällt doch der Tatbestand.

Jakob

Jakob

14.5.2023, 17:56:17

Der Erfolg der KV ist doch objektiv zurechenbar. Und in jedem Tötungsdelikt, auch wenn dieser Erfolg nicht objektiv zurechenbar ist, wird vorher eine KV realisiert. Und der Gefahrspezifische Zusammenhang wäre zumindest nach der Handlungslehre geben. Lg

Jonas22

Jonas22

31.5.2023, 17:06:28

Der Tod ist den beiden doch objektiv nicht zurechenbar. Also auch nicht bei der KV mit Todesfolge. Zu prüfen sind meiner Meinung nach dann nur noch versuchte Tötungsdelikte und vollendete gefährliche KV, da das Gift auch vor dem Tod zumindest das körperliche Wohlbefinden beeinträchtigt haben dürfte.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

17.2.2024, 22:34:35

Nach welchen Voschriften sind sie dann strafbar?

FUCH

fuchsig

20.2.2024, 15:30:24

Wohl nur nach §

§223

I, 224 I Nr. 1. Bei §227 I als EQ dürfte wieder die

objektive Zurechnung

entfallen. Für einen versuchten

Totschlag

oder auch Mord ist die Frage, ob Vorsatz da war und den lese ich aus dem Fall nicht heraus.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

20.2.2024, 15:43:25

Und 222 (-) weil es nicht objektiv vorhersehbar war? @[Lukas Mengestu](221887) we need you :)

Sophiechen.2002

Sophiechen.2002

29.5.2024, 18:32:19

Ja genau, beide für sich schufen ja nicht das Risiko, dass jemand durch das Gift sterben könnte

sy

sy

15.3.2025, 16:18:36

ich muss gestehen, dass ich bei solchen Fragen die Antwort und die Fallgestaltung als dünn betrachte. Es stellen sich für den Lernenden sehr viele Anschlussfragen, die leider überhaupt nicht aufgegriffen werden. Didaktisch wertvoll wäre indes auch mögliche Straftatbestände abzufragen. Schade.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

29.11.2024, 17:56:37

Der BGH lehnt ja grds. die

objektive Zurechnung

ab und prüft stattdessen den atypischen

Kausalverlauf

im Vorsatz. Nun sagt man ja, dass dies egal ist, da hL über

objektive Zurechnung

und BGH über Vorsatz bei atypischen Kausalverläufen zum selben Ergebnis kommen. Aber was ist, wenn der Täter den atypischen Verlauf gerade in seinen Vorsatz aufnimmt? Der Täter vorliegend also beispielsweise in Kauf nimmt, dass ein

Nebentäter

ebenfalls Gift reinmischt. Der BGH würde den Vorsatz ja dann bejahen. Im Rahmen der objektiven Zurechnung müsste man jedoch einen atypischen Verlauf annehmen, oder prüft man dann auch im objektiven Tatbestand subjektive Elemente, um zum selben Ergebnis zu kommen?

Juraganter

Juraganter

1.1.2025, 15:51:36

Nach der Logik müsste der BGH dann auch die Strafbarkeit bei dem Flugzeug-Fall bejahen, bei dem jemand einen anderen zum Urlaub überredet in der Hoffnung, dass das Flugzeug abstürze und das Opfer sterben werde. Schließlich war gerade dieser unwahrscheinliche Fall vom Täter gewollt, wenn er sich auch über dessen Eintritt nicht sicher sein konnte. Wie gleicht der BGH das eigentlich aus?


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