Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Dreipersonenverhältnisse
Zufällige Schadensverlagerung: Obligatorische Gefahrentlastung (Frachtkauf)
Zufällige Schadensverlagerung: Obligatorische Gefahrentlastung (Frachtkauf)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V verkauft ein Gemälde an K. K bittet V um den Versand des Bildes. V beauftragt das gewerbliche Transportunternehmen U mit der Überbringung des Gemäldes. Das Gemälde wird während des Transportes zerstört.
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Einordnung des Falls
Zufällige Schadensverlagerung: Obligatorische Gefahrentlastung (Frachtkauf)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Kann K von V erneute Lieferung des Bildes verlangen (§ 433 Abs. 1 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Muss K an V trotzdem den Kaufpreis bezahlen?
Ja, in der Tat!
3. K kann im Hinblick auf den zu zahlenden Kaufpreis Schadensersatz von V verlangen (§§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB).
Nein!
4. V ist durch die Zerstörung des Bildes ein ersatzfähiger Schaden entstanden.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Kann K einen Schadensersatzanspruch gegen U geltend machen?
Ja, in der Tat!
6. Liegt vorliegend ein Fall der Drittschadensliquidation vor?
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
suessmaus
8.8.2023, 20:24:57
Leo Lee
9.8.2023, 15:07:38
Hallo suessmaus, in der Tat könnte man meinen, der Anspruch folge (auch) aus einem
Vertrag zugunsten Dritter. Beachte jedoch, dass eine
Drittschadensliquidation- deren gesetzliche Normierung der § 421 I HGB darstellt - fordert, dass derjenige, der den Anspruch geltend macht, eben KEINE eigenen Ansprüche hat (aber einen Schaden). Bei einem VzD kriegt derjenige, der den Anspruch geltend macht, freilich gerade einen EIGENEN Anspruch (somit auch einen Sekundäranspruch - also wenn etwas schief geht, jedoch str.). Somit wäre schon die erste Voraussetzung der DSL (Anspruchsteller hat einen Schaden, aber KEINEN Anspruch) nicht erfüllt. Mithin verbleibt es bei § 421 I HGB. Beachte i.Ü. noch, dass § 421 I HGB alleine Anwendung findet und nicht etwa "i.V.m. den Grundsätzen der DSL", da § 421 I HGB wie erwähnt eine explizit Normierung ist :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
David.
9.8.2023, 16:03:34
Hallo @[Leo Lee](213375), vielleicht verstehe ich dich an der Stelle hier falsch, aber der Frachtvertrag stellt doch einen
Vertrag zugunsten Dritterdar. § 421 I HGB berechtigt sowohl den Käufer als auch den Verkäufer seinen Schadensersatz gegenüber der Transportperson geltend zu machen. Damit liegen die Voraussetzungen für die
Drittschadensliquidationeben nicht mehr vor.
Leo Lee
9.8.2023, 16:12:26
Hallo David, genauso ist es, § 421 I HGB hat zwei Sätze. Satz 1 normiert, dass der Empfänger eigene Rechte ggü. dem Frachtführer eingeräumt bekommt (weshalb dieser Satz als sog. gesetzlich normierter Fall des VzD bezeichnet wird). Satz 2 normiert, was wir eigentlich als "
Drittschadensliquidation" benennen (der Empfänger darf gerade in diesem Fall im eigenen Namen den Schaden geltend machen, obwohl er nicht der Vertragspartner darf); insofern ergänz der Satz 2 den Gedanken aus dem Satz 1, nämlich, dass der Frachtvertrag ein gesetzlicher Fall des VzD ist (wie du völlig zu Recht anmerkst). Der § 328 BGB ist aber insofern "fehl am Platz", als § 421 I HGB eben als lex Specials eben das BGB in diesem Fall verdrängt und auch zugleich die DSL regelt, womit wir auf weder noch zurückgreifen müssen, um den vorliegenden "problematischen" Fall zu lösen :). Falls noch weiter Unklarheiten verblieben sein sollten: Ich freue mich auf dein Feedback, David! :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
David.
9.8.2023, 16:58:03
Ok dann hatte ich dich wirklich nur falsch verstanden, ich wollte mit meiner Ausführung auch nicht bezweifeln, dass § 328 hier "fehl am Platz" ist, da sich die Rechtsfolge (wie du ja auch schon angemerkt hast) bereits aus § 421 I ergibt. Ich hatte deine erste Ausführung nur dahingehend verstanden, dass du meintest, da die DSL voraussetzt dass der Gläubiger keinen Anspruch hat, hier kein Fall eines Vertrages zugunsten Dritter vorliegen könnte, da dieser eben dem Gläubiger einen Anspruch verschafft. Aber dann sind wir ja jetzt auf einem Nenner :D
Leo Lee
9.8.2023, 17:22:08
Das ist überhaupt kein Problem David, danke für deinen bereichernden Beitrag, aufgrund dessen jetzt mehr Klarheit herrscht :D!
Bioshock Energy
14.5.2024, 13:09:42
Zum Verständnis: Also greift die DSL beim Versendungsverkauf heutzutage nur noch im B2B und C2C Bereich, wenn ein Fall des § 447 I BGB vorliegt, die geschuldete Leistung während des Versands unmöglich wird und die Versandperson kein gewerbliches Unternehmen ist (bzw. kein Frachtvertrag vorliegt)?
Falsus Prokuristor
26.5.2024, 18:20:54
Genau so ist es! Kleine Ergänzung: auch im (eher seltenen) Fall von C2B findet § 477 keine Anwendung, da der
Verbrauchsgüterkaufeinen Unternehmer auf Verkäuferseite voraussetzt. Anschließend gilt natürlich trotzdem die weitere Einschränkung, dass kein Frachtvertrag vorliegen darf.