Verleitung zum Vertragsbruch
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Designerin D hat zur Sicherung eines Darlehens alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus dem Verkauf ihrer entworfenen Kleidungsstücke an die Bank B abgetreten. Die Stoffe für die Kleidung werden ihr von Lieferant L unter verlängertem Eigentumsvorbehalt geliefert.
Diesen Fall lösen 76,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Verleitung zum Vertragsbruch
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Kaufpreisforderungen (§ 433 Abs.2 BGB) gegen die Kunden stehen aufgrund der Abtretung grundsätzlich der Bank B zu.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der wirksamen Abtretung an die Bank B steht es nach dem Prioritätsprinzip grundsätzlich nicht entgegen, dass später ebenfalls eine Abtretung an L erfolgt (im Rahmen des verlängerten Eigentumsvorbehalts).
Genau, so ist das!
3. Dass sich die Bank regelmäßig aufgrund des Prioritätsprinzips durchsetzen wird, ist nach der herrschenden Vertragsbruchstheorie hinzunehmen.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Die Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) erfasst lediglich das Verpflichtungsgeschäft (=Sicherungsabrede). Das Verfügungsgeschäft (=Abtretung) bleibt wirksam.
Nein!
5. Ist die Bank Inhaberin der Kaufpreisforderungen geworden?
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Macke
10.2.2023, 13:51:16
Liegt hier hinsichtlich der Ausnahme vom Abstraktionsprinzip ein Fall von
Fehleridentitätvor? Viele Grüße :)
Lukas_Mengestu
10.2.2023, 16:42:29
Hallo Macke, in der Tat ist der vorliegende Fall unter dem Schlagwort "
Fehleridentität" bekannt. Vorsicht allerdings bei Formulierungen wie "Ausnahme" vom Abstraktionsprinzip (auch beliebt: der Fehler aus dem Verpflichtungsgeschäft "schlägt" auf das
Verfügungsgeschäftdurch). Letztlich bleibt auch in diesen Fällen das Trennungs- und Abstraktionsprinzip gewahrt. Beide Geschäfte leiden lediglich (unabhängig voneinander) unter dem identischen Mangel, weshalb beide aus dem gleichen Grund unwirksam sind. Es handelt sich lediglich um eine terminologische Feinheit. Es gibt aber eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Prüfer:innen, die bei Unschärfen in diesem Bereich leider ziemlich ungnädig reagieren. Deswegen solltest Du unscharfe Formulierunen hier nach Möglichkeit vermeiden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
unvorsätzlicher Totschläger
8.11.2024, 14:11:13
Die Formulierung "Ausnahme vom Abstraktionsprinzip" findet sich leider auch in der Jurafuchs-Aufgabe hier: https://applink.jurafuchs.de/Q0JEc7sfmOb 🙈
patko
18.5.2023, 20:59:41
Ich verstehe nicht so ganz, an welcher Stelle des Prüfungsschemas ich den Streitstand am besten ansprechen soll. Wäre sehr Dankbar, wenn mir jemand helfen könnte!:)
se.si.sc
19.5.2023, 11:18:44
Im Detail hängt die Antwort hängt auch davon ab, wie die Fallfrage genau gestellt ist. In einer (Klausur- oder mündlichen Prüfungs-)Aufgabe wird das Problem häufig so kommen, dass L und B sich streiten, weil einer der beiden die Forderungen einziehen will bzw behauptet, er sei Forderungsinhaber, und der andere das abstreitet. Eventuell ist die Frage also "Ist die B Inhaberin der Forderungen gegen die Kunden?" oder "Wem stehen die Forderungen gegen die Kunden zu?". Dann muss (ggf inzident) geprüft werden, wem die Forderung zusteht bzw ob sie einer bestimmten Person (zB der Bank) zusteht. IRd (Wirksamkeit der) Einigung zwischen D und B über den Forderungsübergang würdest du dann darstellen, dass und warum die Einigung hier nach § 138 I BGB wegen Verleiten zum Vertragsbruch nichtig ist.
B.H.
4.9.2024, 08:56:59
Folglich besteht Seitens der Bank kein Sicherungsmittel mehr, da die als Sicherung vereinbarte Globalzession nach § 138 I BGB nichtig ist. Die Bank hat daher nur den „einfachen“ Rückzahlungsanspruch, richtig?