mehrere Personen sind zur einer Leistung verpflichtet


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Jurafuchs

A und B werden als Gesamtschuldner verurteilt, an C Schadensersatz in Höhe von € 2.000 zu leisten. A möchte den B, der in finanziellen Schwierigkeiten ist, schonen und zahlt die gesamte Summe an C. Später verlangt A von B Zahlung von € 1.000.

Einordnung des Falls

mehrere Personen sind zur einer Leistung verpflichtet

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A kann von B Zahlung der € 1.000 nach § 426 Abs. 2 BGB verlangen.

Ja!

Zahlt ein Gesamtschuldner eine bestehende Verbindlichkeit, befreit er auch die übrigen Gesamtschuldner im Außenverhältnis zum Gläubiger nach § 422 Abs. 1 BGB. Im Innenverhältnis kann er nach § 426 Abs. 2 Ausgleich von den übrigen Schuldnern fordern (Regress nehmen). Die Höhe der Regressforderung bestimmt sich nach der im Innenverhältnis geltenden Ausgleichsquote – im Zweifel gilt die „Kopfteilsregel“ des § 426 Abs. 1 BGB. A kann von B Zahlung von € 1.000 verlangen (§ 426 Abs. 2 BGB).

2. Das Innenverhältnis der Gesamtschuldner ist durch die §§ 421 ff. BGB abschließend geregelt. Die §§ 421ff. BGB verdrängen die GoA.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Teil der Lit. sieht die §§ 421 ff. BGB als abschließende Regelung des Ausgleichs im Innenverhältnis. Die Vorschriften der GoA seien nicht anwendbar. Die h.M hält die Regelungen der GoA neben den Regelung über die Gesamtschuld für anwendbar. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 426 Abs. 1 BGB („soweit nicht ein anderes bestimmt ist“). Die Regelungen der §§ 421 ff. sollten deshalb gerade nicht abschließend sein.

3. A kann von B Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn er einen Anspruch auf Aufwendungsersatz hat (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB).

Ja, in der Tat!

Voraussetzung für einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB ist, dass A (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen, (3) ohne Auftrag oder einer sonstigen Berechtigung geführt hat und die (4) Geschäftsführung berechtigt war.

4. Indem A die gesamte Schadensersatzsumme gezahlt hat, hat er "ein Geschäft besorgt" (§ 677 BGB).

Ja!

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis. Sie liegt vor, wenn jemand (der Geschäftsführer) ein Geschäft für einen anderen (den Geschäftsherrn) besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Geschäftsbesorgung ist wie im Auftragsrecht (§ 662 BGB) weit zu verstehen und umfasst jede fremdnützige tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit, auch von kurzer Dauer. Die Zahlung eines Geldbetrags ist eine tatsächliche Tätigkeit. A hat ein Geschäft besorgt.

5. Die Zahlung des A stellt ein auch-fremdes Geschäft dar.

Genau, so ist das!

Unter "auch-fremde" Geschäfte fallen Tätigkeiten, die ihrer äußeren Erscheinung nach nicht nur in den Interessenkreis des Geschäftsherrn fallen, sondern auch dem Geschäftsführer zugute kommen (Handeln im Doppelinteresse). Wer als Gesamtschuldner seine Verpflichtung erfüllt, befreit damit die übrigen Gesamtschuldner im Außenverhältnis zum Gläubiger (§ 422 Abs. 1 BGB). Die Leistung stellt also objektiv ein auch-fremdes Geschäft dar, weil sie von mehreren Personen parallel („auf einer Stufe“) geschuldet wird.

6. A handelte mit Fremdgeschäftsführungswillen.

Ja, in der Tat!

Der Fremdgeschäftsführungswille wird bei auch- fremden Geschäften grundsätzlich vermutet. Regelmäßig will der Gesamtschuldner aber nur die eigene Zahlungspflicht zum Erlöschen bringen. Denn der Gläubiger kann nach § 421 S. 1 BGB nach seinem Belieben die gesamte Leistung von jedem einzelnen Schuldner fordern. Dann kann ein Fremdgeschäftsführungswille nicht vermutet werden. Vorliegend wollte A aber bewusst den B schonen und für ihn leisten. A handelte mit Fremdgeschäftsführungswille.

7. Die Geschäftsführung des A war berechtigt (§ 683 S. 1 BGB).

Ja!

Die Geschäftsführung ist berechtigt, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Der wirkliche Wille kann entweder ausdrücklich oder konkludent geäußert werden. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte, ist davon auszugehen, dass die Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen Willen des B entsprach.

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Thore Inselmann

Thore Inselmann

31.7.2020, 20:23:54

Müsste es bei der Definition eines "auch-fremden" Geschäfts nicht korrekterweise heißen, dass das Geschäft auch im Interesse des Geschäftsführers, anstatt eines Dritten, ist? Denn wenn das Geschäft auch im Interesse eines Dritten ist, bleibt es doch trotzdem für den Geschäftsführer vollständig fremd, oder nicht?

GEL

gelöscht

22.8.2020, 07:05:38

Hallo Thore, im auch fremden Geschäft liegt gerade der Sinn, dass der Geschäftsführer ein Geschäft besorgt, welches nicht nur seinen eigenen Interessen, sondern auch denen eines anderen, dem Geschäftsherrn, entspricht. Kein eigenes Interesse hat der GF nur bei Führung eines objektiv fremden Geschäftes. Hoffe, das hilft dir ☺

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

1.11.2021, 10:21:39

Hallo ihr beiden, völlig richtiger Hinweis: beim objektiv fremden Geschäft liegt das Geschäft ausschließlich im Interesse des Geschäftsherren, während es beim auch fremden Geschäft im Interesse des Geschäftsherren und AUCH im Interesse des Geschäftsführers liegt. Um dies nun in der Definition klarer zu machen, haben wir es entsprechend Thores Vorschlag nun umgedreht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

3.1.2022, 16:45:37

Wird die GoA bei Gesamtschuldnern im Ergebnis nicht verneint? Da die Gesamtschuld einen “Auftrag” darstellt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.1.2022, 18:35:08

Hallo Mariam, allein der Umstand, dass im Falle einer echten Gesamtschuld beide Schuldner verpflichtet sind, den Gläubiger zu befriedigen, führt nicht dazu, dass eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Gesamtschuldnern und insoweit ein vorrangiger "Auftrag" vorliegt. Bei einer echten Gesamtschuld wird häufig vielmehr kritisiert, dass es an einem Fremdgeschäftsführungswillen des zahlenden Gesamtschuldners fehle. Der BGH lässt dennoch die GoA zu, begrenzt die Rechtsfolgen aber im Umfang auf die Rechtsfolgen des § 426 BGB, sodass es hier nicht zu einer Besserstellung kommt (vgl. BGH NJW-RR 2010, 831, Thole, in: BeckOGK-BGB, 1.8.2021, § 677 RdNr. 125). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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