§ 315c Abs. 1 StGB: Führen ohne Motorkraft

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T ist alkoholbedingt fahruntüchtig. Dennoch setzt er sich an das Steuer seines Lkw, löst die Bremse und lässt den Wagen die leicht abfallende Fahrbahn ohne Motorkraft hinabrollen. Zu einer kritischen Verkehrssituation kommt es nicht.

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Einordnung des Falls

§ 315c Abs. 1 StGB: Führen ohne Motorkraft

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der objektive Tatbestand der "Gefährdung des Straßenverkehrs" (§ 315c Abs. 1 StGB) ist verwirklicht, wenn eine der genannten Verhaltensweisen zu einer konkreten Gefahr für eines der genannten Rechtsgüter führt.

Genau, so ist das!

§ 315c StGB schützt die Sicherheit des Straßenverkehrs im Hinblick auf Leben, Gesundheit und fremdes Eigentum vor vorschriftswidrigem Verkehrsverhalten im fließenden und ruhenden Verkehr. Der objektive Tatbestand setzt das (1) Führen eines Fahrzeugs (2) im öffentlichen Straßenverkehr (3) trotz Fahruntüchtigkeit (§ 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder unter Begehung eines Verstoßes nach § 315c Abs. 1 Nr. 2a - g StGB voraus, (4) wodurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden müssen. Insoweit handelt es sich um ein aus einem Handlungs- und Gefährdungsteil zusammengesetztes konkretes Gefährdungsdelikt.
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2. T hat seinen Lkw "im Straßenverkehr trotz Fahruntüchtigkeit" geführt (§ 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Ja!

Fahruntüchtigkeit liegt vor, wenn der Fahrzeugführer nicht fähig ist, eine längere Strecke so zu steuern, dass er den Anforderungen des Straßenverkehrs so gewachsen ist, wie es von einem durchschnittlichen Fahrzeugführer zu erwarten ist. Diese Fahruntüchtigkeit kann sowohl rauschbedingt sein (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB) als auch auf geistigen oder körperlichen Mängeln beruhen (§ 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB). Es steht fest, dass T alkoholbedingt fahruntüchtig war (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB). Er hat seinen Lkw auch im öffentlichen Verkehrsraum und damit im Straßenverkehr geführt.

3. Der nötige Gefahrerfolg ist eingetreten (§ 315c Abs. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 315c Abs. 1 StGB setzt den Eintritt einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert voraus. Bei einer objektiven nachträglichen Prognose muss es zu einem "Beinahe-Unfall" gekommen sein, von dem ein unbeteiligter Beobachter sagen würde, dass "das noch einmal gut gegangen" sei. Es ist aber gerade nicht zu einer kritischen Verkehrssituation gekommen. Der nötige Gefahrerfolg liegt nicht vor (§ 315c Abs. 1 StGB). Es verbleibt nur die Möglichkeit einer Bestrafung wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB).

4. Indem T die Bremse löste und den Wagen die leicht abfallende Fahrbahn hinabrollen ließ, hat er ein "Fahrzeug geführt" (§ 315c Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Fahrzeuge sind vor allem Kfz aller Art, aber auch sonstige Fortbewegungsmittel (z.B. Fahrräder). Ein Fahrzeug führt, wer es unter Beherrschung seiner Antriebskräfte in Bewegung setzt oder das Fahrzeug unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung ganz oder zum Teil lenkt. Der Lkw des T ist ein Kfz und daher unstrittig ein Fahrzeug. Dass T sich keiner Motorkraft bediente, sondern nur die Schwerkraft als alleiniges Antriebsmittel nutzte, ändert nichts daran, dass er seinen Lkw unter Beherrschung der dafür erforderlichen technischen Funktionen bewegte. Auch für den Fall einer Abfahrt im Leerlauf würde niemand ein "Führen" bestreiten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

R.H.K.

R.H.K.

16.10.2024, 10:51:03

Ich hatte zu Beginn meiner „juristischen Karriere“ Probleme den Unterschied bei

315c

und 316 im Bezug auf den Alkoholkonsum zu verstehen. Mittlerweile ist es natürlich einfach, wenn man es verstanden hat und weis worauf es ankommt. Hier wird es schön und einfach dargestellt. Schade, dass ich nicht früher auf Jurafuchs aufmerksam geworden bin.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

17.10.2024, 16:33:58

Hallo R.H.K., vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team

WY

Wysiati

17.10.2024, 16:39:17

Vorweg: ich bin im Strafrecht nicht übermäßig fit. Ich meine den Gefahrerfolg so zu verstehen, dass eben eine konkrete Gefahr entstanden ist. Demgegenüber gibt es ja Erfolgsdelikte. Diese zeichnen sich durch einen bestimmten Erfolg aus. Um einen solchen handelt es sich bei §

315c StGB

gerade nicht. Viel eher muss eine Gefährdung eintreten. Diese ist noch dahingehend spezifiziert, dass sie konkret sein muss. Ein konkretes Gefährdungsdelikt also (ich hoffe das ist eine einigermaßen korrekte Bezeichnung). Gefahrerfolg aber klingt für mich nach einem Erfolg. Man kann natürlich die konkrete Gefahr als Erfolg ansehen, darum geht es in diesem Delikt aber gerade nicht. Gibt es einen guten Grund, Gefahrerfolg zu schreiben, oder ist das nur eine unbedeutende Formulierung, weil ja sowieso auf das entscheidende „Gefahr“ abgestellt wird? Ich hoffe das ist jetzt nicht vollkommen hinfällige Wortklauberei ;)

TI

Timurso

17.10.2024, 19:46:12

Die konkrete Gefahr ist der in §

315c StGB

erforderliche Taterfolg. Es handelt sich um ein Erfolgsdelikt, nicht um ein Tätigkeitsdelikt. Letztere sind nur solche, die ein Verhalten bereits aufgrund seiner abstrakten Gefährlichkeit unter Strafe stellen.

WY

Wysiati

19.10.2024, 15:38:00

Alles klar, vielen Dank!


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