Öffentliches Recht

VwGO

Anfechtungsklage

Anfechtungsklage - Begründetheit (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO)

Anfechtungsklage - Begründetheit (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO)


Wie prüfst Du die Begründetheit einer Anfechtungsklage?

  1. Vorliegen einer rechtmäßigen Ermächtigungsgrundlage

    Die Verwaltung darf nur in die Rechtssphäre des Bürgers eingreifen, wenn der Eingriff der ordnungsgemäße Vollzug eines rechtmäßigen Gesetzes ist (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung). Ein erlassener Verwaltungsakt kann daher nur rechtmäßig sein, wenn er aufgrund einer rechtmäßigen Ermächtigungsgrundlage ergangen ist. Rechtsgrundlage für den Erlass eines Exekutivakts kann ein Parlamentsgesetz, eine Rechtsverordnung oder eine Satzung sein. Wenn mehrere Ermächtigungsgrundlagen in Betracht kommen, kannst Du an dieser Stelle auch mehrere nennen und Dich erst später - im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit - festlegen.

    1. Formelle Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage

      Die Ermächtigungsgrundlage kann nur dann den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigen, wenn sie selbst rechtmäßig ist. Die Ermächtigungsgrundlage muss daher ebenfalls formell und materiell rechtmäßig sein. Dies solltest Du nur prüfen, wenn es im Sachverhalt Hinweise darauf gibt, dass die Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage fraglich ist bzw. vom Kläger angezweifelt wird. Gibt es keine Ausführungen dazu im Sachverhalt, kannst Du die Rechtmäßigkeit als gegeben ansehen.

    2. Materielle Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage

      Auch die materielle Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage sollte nur thematisiert werden, wenn es dazu Anhaltspunkte im Sachverhalt gibt. Dann ist zu prüfen, ob die Rechtsgrundlage mit höherrangigem Recht vereinbar ist.

  2. Formelle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts

    Formell rechtmäßig ist ein Verwaltungsakt, wenn er die anwendbaren Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften einhält. Die Reihenfolge der Prüfungspunkte ist nicht so wichtig. Bestehen an einzelnen Punkten keine Zweifel, kannst Du sie mit einem Satz feststellen und nur auf die problematischeren Punkte tiefer eingehen. Prüfe die Ermächtigungsgrundlage auf spezielle formelle Regelungen. Diese gehen den allgemeinen Regeln des VwVfG vor.

    1. Zuständigkeit

      Die handelnde Behörde muss örtlich, sachlich und instanziell zuständig gewesen sein. Dieser Prüfungspunkt dürfte im ersten Staatsexamen meist unproblematisch sein.

    2. Verfahren

      Der Verwaltungsakt muss unter Beachtung der maßgeblichen Verfahrensvorschriften ergangen sein. In der Regel ist dies anzunehmen, soweit nichts anderes im Sachverhalt angegeben wird. Sofern keine speziellen Vorschriften Anwendung finden, gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 21 ff. VwVfG. Gibt es in der Klausur Anhaltspunkte dafür, dass das Verfahren nicht ordnungsgemäß war, nimm Dir die Zeit, die Normen zu überfliegen.

    3. Form

      Sofern keine speziellen Formvorschriften gelten, beachte § 37 Abs. 2 - Abs. 5 VwVfG.

  3. Materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts

    Materiell rechtmäßig ist ein Verwaltungsakt, wenn er mit dem materiellen Recht vereinbar ist. Dafür müssen die materiellen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt sein. Das bedeutet, dass der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage erfüllt sein und die Behörde die richtige Rechtsfolge an das Vorliegen des Tatbestands geknüpft haben muss.

    1. Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen

      In der Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit musst Du zunächst die Tatbestandsvoraussetzungen aus der Ermächtigungsgrundlage aufführen und sauber subsumieren. Am besten orientierst Du Dich an der Struktur der Ermächtigungsgrundlage, damit Du kein Merkmal übersiehst. Keine Panik, wenn Du einmal eine Dir unbekannte Ermächtigungsgrundlage prüfen musst, deren Definitionen Du nicht auswendig kannst. Blättere einmal im Gesetz, ob es nicht Legaldefinitionen (meistens am Anfang des Gesetzes oder "in der Nähe" der Ermächtigungsgrundlage) gibt. Ansonsten definiere so gut es geht selbst. Die wahre Leistung ist es, mit dem fremden Gesetz umzugehen - nicht, die Definitionen perfekt abzuliefern!

    2. Richtige Rechtsfolge

      Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage vor, musst Du noch prüfen, ob die Behörde die richtige Rechtsfolge gewählt hat. Bei gebundenen Entscheidungen muss die Behörde den konkreten Verwaltungsakt erlassen, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Bei Ermessensentscheidungen dagegen hat die Behörde einen gewissen Entscheidungsspielraum ob und mit welchem konkreten Inhalt sie den Verwaltungsakt erlässt. In diesen Fällen musst Du prüfen, ob das Ermessen im konkreten Fall fehlerfrei ausgeübt wurde. Als Fehler kommen in Betracht: Ermessensnichtgebrauch, Ermessensfehlgebrauch und die Ermessensüberschreitung. Weiterhin kann es auch den Spezialfall der Ermessensreduzierung auf Null geben.

  4. Subjektive Rechtsverletzung des Klägers

    Ist der Verwaltungsakt rechtswidrig, muss auch noch eine subjektive Rechtsverletzung des Klägers vorliegen (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). An dieser Stelle findet quasi die "materielle Prüfung der Klagebefugnis" statt. Es ist konsequent, die Rechtsverletzung(en), die Du als "mögliche Rechtsverletzung(en)" in der Klagebefugnis angesprochen hast, an dieser Stelle erneut aufzugreifen und nun das tatsächliche Vorliegen dieser zu prüfen. Ist der Kläger der Adressat des rechtswidrigen Verwaltungsakts, kannst Du im Zweifel auf Art. 2 Abs. 1 GG abstellen. Denn wenn jemand einem rechtswidrigen Verwaltungsakt Folge leisten muss, liegt bereits darin eine subjektive Rechtsverletzung. An dieser Stelle kommt es also in der Regel nur dann zu einem höheren Begründungsaufwand, wenn der Kläger nicht gleichzeitig der Adressat des angegriffenen Verwaltungsakts ist.

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