Bei versuchter Unterlassung 1

12. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

T fährt versehentlich seinen Sohn S an, welcher erkennbar lebensbedrohlich verletzt wird. Da T sich dieses Jahr die Weihnachtsgeschenke sparen möchte, fährt er weiter und geht davon aus, dass S verstirbt, obwohl er einen Arzt rufen könnte. Später rettet ein Dritter den S.

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Einordnung des Falls

Bei versuchter Unterlassung 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der versuchte Totschlag durch Unterlassen ist strafbar (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB).

Ja!

Der Versuch durch Unterlassen ist dann strafbar, wenn es sich um ein Delikt handelt, bei dem der Versuch auch durch Handlung strafbar ist. Rechtsfolge des § 13 Abs. 1 StGB ist die Gleichstellung des Unterlassens mit einer Handlung im engeren Sinne. Dabei ist wie sonst auch der Versuch eines Verbrechens stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Totschlag ist ein Verbrechen, da die angedrohte Mindestfreiheitsstrafe 5 Jahre beträgt (§§ 212 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB).
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2. T hatte „Tatentschluss“ bezüglich der objektiven Merkmale des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Es gelten die Maßstäbe, die auch sonst für den Versuch gelten, wobei der Täter die Merkmale der unechten Unterlassungstat ebenfalls in den Vorsatz aufgenommen haben muss. T hatte Vorsatz in Bezug auf die objektiven Merkmale des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB), also die Tötung eines Menschen. Die hier vorliegende Zweiteilung dient der Verständlichkeit.

3. T hatte „Tatentschluss“, den Totschlag durch Unterlassen zu begehen.

Ja, in der Tat!

T hat eine Rettungsmöglichkeit erkannt und diese unterlassen, wobei er billigend in Kauf nahm, dass durch die Handlungsmöglichkeit der Tod von S ausbleiben könnte (Quasi-Kausalität). T wusste auch, dass er als Vater von S eine besondere Verantwortungsposition innehatte. Auch erkannte er, dass er die Gefährdung durch das fahrlässige Anfahren verursacht hat und daher für diese verantwortlich ist. Damit hat er Vorsatz bezüglich seiner Beschützergarantenposition und seiner Garantenposition durch Ingerenz in Form der Parallelwertung in seiner Laiensphäre. Die Entsprechungsklausel ist bei § 212 StGB nach herrschender Meinung nicht relevant, da die Entsprechung bei einem Erfolgsdelikt durch die Garantenstellung hergestellt wird und die Art der Handlung nicht relevant ist.

4. Das unmittelbare Ansetzen beim Unterlassungsdelikt unterscheidet sich vom unmittelbaren Ansetzen durch Tätigkeit.

Ja!

Das unmittelbare Ansetzen beim Unterlassungsdelikt weicht vom unmittelbaren Ansetzen beim Handlungsdelikt ab, da beim Handlungsdelikt am Vorgehen des Täters angeknüpft wird. Zwar lässt sich die gleiche Definition anwenden, allerdings sind die Kriterien beim Unterlassungsdelikt noch weniger greifbar, da regelmäßig nur an einen Zeitablauf angeknüpft wird und nicht an eine vom Täter vorgestellte Handlungskette.

5. T hat nach herrschender Meinung unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.

Genau, so ist das!

Die herrschende Meinung geht daher von einem unmittelbaren Ansetzen (§ 22 StGB) aus, wenn die erste mögliche Rettungshandlung nicht vorgenommen wird und eine unmittelbare Gefahr für das geschützte Rechtsgut entsteht. T hat den Arzt nicht gerufen, obwohl S erkennbar lebensbedrohlich verletzt und sein Leben daher gefährdet war.

6. Andere Theorien stellen auf absolute Zeitpunkte ab.

Ja, in der Tat!

Daneben werden andere Theorien vertreten, die sich nicht an der Gefährdung, sondern an Zeitpunkten zwischen Vorsatz und Vollendung oder Fehlschlag orientieren. Dabei stellt eine Theorie auf die letzte Handlungsmöglichkeit ab und eine andere auf die erste Handlungsmöglichkeit. Zwar werden die Theorien beide abgelehnt, in der Praxis wird jedoch im Ergebnis häufig auf die erste Handlungsmöglichkeit abgestellt, da das Kriterium der unmittelbaren Gefährdung wertungsoffen ist. Daneben wird teilweise vertreten, dass die letzte sichere Handlungsmöglichkeit ausschlaggebend ist. Bei der Argumentation für oder gegen eine Theorie muss man sich auch an der Wertung für das unmittelbare Ansetzen durch Handlung orientieren, da das Gesetz gerade keine Sonderregelungen für das Unterlassen vorsieht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

jomolino

21.10.2021, 15:07:08

In der vorletzten Antwort nennt ihr die Theorie der ersten Rettungsmöglichkeit als h.M. Im der letzten Antwort (m.M.n. Richtigerweise) als “andere Auffassung”. Das passt nicht zusammen.

DAN

Daniel

8.11.2021, 20:53:23

@nomamo: h.M.: Erste Rettungsmöglichkeit UND unmittelbare Rechtsgutsgefährdung. A.A.: SCHLICHT erste Rettungsmöglichkeit

APhM

APhM

16.12.2021, 10:16:08

Die App hat mich die kompletten 14 Aufgaben gleich zweimal durchgehen lassen. Beim ersten Mal hat sie zwar meine richtigen Fragen gezählt und mir eine silber Medallie gegeben. Die Aufgabe wurde jedoch nicht als vollständig erledigt= mit einem roten Kreis angezeigt. Dieser war nur halbvoll und die Prozente wurden komplett nicht der Erledingung des gesamten AT-Teil angerechnet. Nachdem zweiten Durchgang habe ich eine Goldmedallie und 46 richtig beantwortete Fragen (am Stück). Die Medallie und die Fragen wurden mir angerechnet, die Aufgabe ist jetzt zu 100% erledigt. Dafpr habe ich aber nur 40 Fragen am Stück richtig beantwortet (so wurde es mir angzeigt). Dies ist ebenfalls seltsam, da eine Goldmedaille doch eine vollständig korrekte Bearbeitung vorausgesetzt und in diesem Fall dazu 46 richtige Fragen (am Stück) benötigt werden? Beide Fehler sind mir schon öfters aufgefallen und ich dachte ich gebe einefach mal ein Feedback. Abgesehen von den paar Kinderkrankheiten, von denen ihr ja schon Stück für Stück einige behebt, sind die App und der Ausbau dieser bisher wirklich hilfreich :). Danke!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.12.2021, 12:45:15

Vielen Dank APhM für das Feedback! Das hören wir

tat

sächlich zum ersten Mal und ist für uns deswegen umso wichtiger. Wir schauen uns das einmal an. Dabei würde es uns super viel helfen, wenn Du uns - sofern das noch einmal auftaucht - noch einmal eine kurze Mail an support@jurafuchs.de schickst. Super wäre da ein Screenshot der Anzeige und die Angabe deiner E-Mail Adresse, die Du für die App verwendest. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BECCA00

Becca00

23.1.2024, 16:50:55

Knüpft die h.M. nicht an die Vorstellung des Täters an, wann aus seiner Sicht eine konkrete Gefährdung des Rechtsgutes vorliegt?


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