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Ein mit 15 Passagieren besetztes Flugzeug ist defekt und droht, auf die Münchner Allianz Arena zu stürzen. Dort befinden sich gerade 100.000 Besucher. Nur durch den Abschuss des Flugzeuges konnten die Besucher gerettet werden. Alle Insassen starben durch den Abschuss.

Einordnung des Falls

Interessenabwägung: Kein Leben gegen Leben

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Tod der Stadionbesucher ist nicht anders abwendbar.

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Ja, in der Tat!

Für die Notstandshandlung darf die Gefahr nicht anders abwendbar sein. Das Merkmal der Nicht-anders-Abwendbarkeit entspricht dem der Erforderlichkeit bei der Notwehr (§ 32 StGB). Das Verteidigungsmittel muss demnach überhaupt zur Verteidigung geeignet sein und zugleich das relativ mildeste Mittel darstellen. Der Abschuss ist geeignet, den Absturz auf das Stadion und damit den Tod der Besucher zu verhindern. Auch ist der Abschuss das einzige Mittel, mildere und gleichwirksame Mittel sind nicht vorhanden.

2. Die Notstandshandlung setzt sich aus der Nicht-anders-Abwendbarkeit und der Angemessenheit zusammen.

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Nein!

Für eine Notstandshandlung darf die Gefahr nicht anders abwendbar sein, dies entspricht dem Merkmal der Erforderlichkeit bei der Notwehr (§ 32 StGB). Zudem muss das geschützte Rechtsgut das durch die Notstandshandlung beeinträchtige Rechtsgut wesentlich überwiegen, ob dies der Fall ist, ist im Rahmen einer Interessenabwägung festzustellen. Außerdem muss die Verteidigung angemessen sein (§ 34 S. 2 StGB).

3. Im Rahmen der Interessenabwägung spielt lediglich das Rangverhältnis der Rechtsgüter eine Rolle.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Für die Notstandshandlung muss das geschützte Rechtsgut (Erhaltungsgut) das durch die Notstandshandlung beeinträchtige Rechtsgut (Eingriffsgut) wesentlich überwiegen. Ob dies der Fall ist, ist im Rahmen einer Interessenabwägung festzustellen. Besonders auf den Rang der betroffenen Rechtsgüter ist abzustellen. Da es sich aber nicht um eine reine Güterabwägung handelt, sondern um eine umfassende Interessenabwägung, sind weitere Abwägungskriterien zu beachten. So kann auch ein Eingriff in ein höheres Rechtsgut interessengerecht sein. Abwägungskriterien können beispielsweise der Grad der Gefahr oder auch die Berücksichtigung eines Defensivnotstandes sein.

4. Durch den Abschuss werden zwar 15 Menschen getötet, jedoch können 100.000 Menschen gerettet werden. Damit war der Abschuss interessengerecht.

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Nein, das trifft nicht zu!

Eine Abwägung von Leben gegen Leben ist nach h.M. nicht möglich. Danach ist das Rechtsgut Leben abwägungsfest, es kann nicht qualifiziert und quantifiziert werden. Hier steht das Leben von 15 Menschen dem Leben von 100.000 Menschen gegenüber. Leben kann nicht quantifiziert werden. Damit zählen die 15 Leben so viel wie die 100.000 Leben.

5. Da die Gefahr von dem Flugzeug ausging, war der Abschuss ausnahmsweise doch interessengerecht.

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Nein!

Nach h.M. ist bei einem Defensivnotstand, nach dem Grundgedanken des § 228 BGB, das Eingriffsgut weniger schutzwürdig. Es darf aber kein krasses Missverhältnis herrschen. Jedoch überwiegt auch bei einem Defensivnotstand nach der h.M. das Erhaltungsgut nicht das Eingriffsgut Leben. Das Flugzeug droht 100.000. Menschen zu töten, damit geht von dem Flugzeug selbst eine Gefahr aus. Allerdings führt der Abschuss auch zum Tod der 15 Insassen. Damit ist das Eingriffsgut Leben betroffen und auch bei einem Defensivnotstand kann nicht gegen Leben abgewogen werden. Eine Rechtfertigung nach § 34 StGB scheidet aus.

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