Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Entscheidungen von 2022
Eilantrag gegen Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens (OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 19.01.2022 - 5 MR 11/21)
Eilantrag gegen Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens (OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 19.01.2022 - 5 MR 11/21)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
W ist Windenergieunternehmerin und beantragt bei der zuständigen Behörde L die Baugenehmigung für eine Windkraftanlage in der A-Gemeinde. A verweigert ihr gemeindliches Einvernehmen. L ersetzt As Einvernehmen, ordnet die sofortige Vollziehung an und erteilt W die Genehmigung.
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Einordnung des Falls
Eilantrag gegen Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens (OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 19.01.2022 - 5 MR 11/21)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A legt Widerspruch (§§ 68ff VwGO) gegen die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens und Drittwiderspruch gegen Ws Baugenehmigung ein. Haben die Widersprüche hier aufschiebende Wirkung?
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. A beantragt beim VG einstweiligen Rechtsschutz gegen die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens und die Wiederherstellung aufschiebender Wirkung. Ist § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO die statthafte Antragsart?
Genau, so ist das!
3. A ist antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog), da sie geltend machen kann, durch die Ersetzung ihres Einvernehmens in ihrer Garantie kommunaler Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) verletzt zu sein.
Ja, in der Tat!
4. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens ist ausnahmsweise unzulässig, da gegenüber W bereits eine Baugenehmigung ergangen ist.
Nein!
5. A fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, da W die Baugenehmigung bereits erhalten hat und A deshalb durch die gerichtliche Entscheidung keine günstigere Rechtsposition erlangen kann.
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Der Eilantrag ist also zulässig. Muss das Gericht für die Begründetheit nur eine summarische Prüfung vornehmen?
Ja, in der Tat!
7. Ls Verwaltungsakt war offensichtlich rechtswidrig, wenn L das gemeindliche Einvernehmen nicht nach § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB ersetzen durfte, was sich nach § 35 BauGB richtet.
Ja!
8. Ws Vorhaben, die Errichtung einer Windenergieanlage, ist nach einer summarischen Prüfung des § 35 BauGB zulässig und As Versagung des Einvernehmens rechtswidrig, sodass Ls Ersetzung rechtmäßig war.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
many
4.5.2024, 11:51:37
Für mich ergibt es sich nicht aus der Aufgabe, dass man sich im Außenbereich befindet. Vielleicht könnte man in der Hinsicht den Sachverhalt ergänzen. Es wird in einer der Fragen quasi angenommen, dass das Einvernehmen nur nach §§36 II iVm. 35 BauGB ersetzt werden kann. Möglich ist die Ersetzung doch aber theoretisch auch nach §§31ff BauGB. Den Außenbereich einfach anzunehmen, ohne weitere Angaben, finde ich etwas ungenau oder übersehe ich etwas?:)
GemäßigtSozialdemokratischerKoalabär
30.6.2024, 11:25:30
Ich vermute, dass sich der Außenbereich aus der Zeichnung ergeben soll - nur „grüne Wiese“ und ein B-Plan wird nicht erwähnt.
Steven
2.9.2024, 10:16:12
Man könnte argumentieren, dass § 35 BauGB ohnehin immer dann Anwendung findet, wenn wir keinen Bebauungsplan (§ 30 Abs. 1 und 3 BauGB) oder Innenbereich (§ 34 BauGB -
im Zusammenhang bebauter Ortsteil) haben. Da wir keine Angaben zu einem B-Plan oder einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil haben, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit demnach nach § 35 BauGB :)
DavidC10
11.6.2024, 18:13:54
In der Lösung steht "Dessen aufschiebende Wirkung entfällt gemäß §§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a BauGB, da Rechtsbehelfe von Dritten eine Bauzulassung nicht suspendieren sollen. As Widersprüche haben keine aufschiebende Wirkung." Das ist vorliegend aber gerade nicht aufgrund der gesetzlichen Regelung der Fall (dann wäre § 80 V 1 Alt. 1 VwGO - Anordnung - die richtige Antragsart): Auch wenn die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens keine Entscheidung darstellt, die unmittelbar unter den Anwendungsbereich der Vorschrift des § 212 a BauGB fällt (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 7. Mai 2024 – 2 B 11/24 –, Rn. 6, juris) Vielmehr - und deshalb steht es auch im Sachverhalt, andernfalls wäre das ja unnötig, ergibt sich hier der Wegfall einer aufschiebenden Wirkung aus der Anordnung des
Sofortvollzuges seitens der L.
DavidC10
11.6.2024, 18:20:03
Ich habe gerade bei einem erneuten Lesen meinen Fehler gefunden. Es wird richtigerweise differenziert hinsichtlich des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung und dem gegen die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens. Meinen Post also bitte ignorieren :)