Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Schadensersatz wegen Unmöglichkeit (Leistungsstörungsrecht)

Nachträgliche Unmöglichkeit und Vertretenmüssen (Beschaffungsrisiko)

Nachträgliche Unmöglichkeit und Vertretenmüssen (Beschaffungsrisiko)

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Produzent P kündigt ein limitiertes, mit Wasserstoff betriebenes Rad an. Vertragshändlerin H verspricht K, das Rad zu besorgen. P entscheidet später, das Rad ausnahmsweise direkt an die Kunden zu verkaufen und beliefert H nicht. Auf dem Markt kann H trotz aller Anstrengung das Rad nicht besorgen. K hätte das Rad mit Gewinn verkaufen können.

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Einordnung des Falls

Nachträgliche Unmöglichkeit und Vertretenmüssen (Beschaffungsrisiko)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Lieferung des Rades ist für H nach Vertragsschluss unmöglich geworden.

Ja, in der Tat!

Kann der Schuldner die geschuldete Leistung objektiv oder subjektiv endgültig nicht (mehr) erfüllen, so liegt Unmöglichkeit vor und er wird von seiner Leistungspflicht frei (§ 275 Abs. 1 BGB). Liegt das Leistungshindernis bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschluss vor, so handelt es sich um anfängliche Unmöglichkeit, tritt es erst danach ein, so handelt es sich um nachträgliche Unmöglichkeit.Da es H nicht möglich ist, auf dem Markt ein Rad zu bekommen, liegt jedenfalls subjektive Unmöglichkeit vor (§ 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Diese ist nach Vertragsschluss eingetreten. Anspruchsgrundlage eines Schadensersatzanspruches ist damit §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB.
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2. H hat die Unmöglichkeit zu vertreten, da sie fahrlässig gehandelt hat.

Nein!

Maßstab für das Vertretenmüssen sind die §§ 276 ff. BGB. Sofern also keine strengere oder mildere Haftung vereinbart ist, hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Maßgeblich ist damit die Beachtung der verkehrsüblichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB). Das Vertretenmüssen wird vermutet. Dies ergibt sich aus der Negativformulierung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB („das gilt nicht wenn“).H hat die Unmöglichkeit nicht vorsätzlich herbeigeführt. Sie hat zudem alle Anstrengungen unternommen, das Rad auf dem Markt zu besorgen. Somit hat sie die im Verkehr übliche Sorgfalt an den Tag gelegt.

3. H hat die Unmöglichkeit zu vertreten, da sie das Beschaffungsrisiko übernommen hat.

Genau, so ist das!

Ein Vertretenmüssen kann auch ohne Verschulden vorliegen, wenn die Parteien eine schärfere Haftung vereinbart haben, z.B durch Übernahme des Beschaffungsrisikos (§ 276 Abs. 1 BGB). Hier trägt der Schuldner im Allgemeinen das Risiko, sich einen geeigneten Leistungsgegenstand zu beschaffen. Die Pflicht findet regelmäßig dort ihre Grenze, wo das Hindernis nicht nur für den Schuldner, sondern für jedermann besteht (insbesondere das Produktionsrisiko).Hs Versprechen, das Rad nach erfolgter Produktion zu liefern, stellt eine marktbezogene Gattungsschuld dar. Das Fahrrad wurde produziert und auch auf dem Markt verkauft. Es liegt insoweit nur subjektive Unmöglichkeit vor. Aufgrund der verschärften Haftung hat H die Unmöglichkeit zu vertreten.

4. K hat einen Schaden erlitten.

Ja, in der Tat!

Der Schaden liegt für den Gläubiger im Verlust seines primären Leistungsanspruchs. Der Umfang der Schadenshöhe richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB. Da die Lieferung für H unmöglich ist, hat K den Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Rades verloren (§ 275 Abs. 1 BGB). Ohne das schädigende Ereignis, hätte K das Rad mit Gewinn weiterverkaufen können. Diesen entgangenen Gewinn muss H ihr somit ersetzen (§ 249 Abs.1, 252 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DAN

Daniel

29.12.2021, 13:21:40

Wieso liegt kein Fall der anfänglichen Unmöglichkeit vor?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

30.12.2021, 17:28:25

Hallo Daniel, die Entscheidung das Rad direkt an die Kunden zu verkaufen, fiel erst nach dem Vertragsschluss. Ansonsten läge in der Tat bereits

anfängliche Unmöglichkeit

vor. Wir haben das im Sachverhalt noch etwas präzisiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

20.2.2024, 22:34:26

Lässt sich also allgemein sagen, dass Garantie und

Beschaffungsrisiko

durch die

objektive Unmöglichkeit

durchbrochen werden, mithin in diesen Fällen kein Vertretenmüssen hinsichtlich der Unmöglichkeit vorliegt?


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