Grundfall: anfängliche Unmöglichkeit

19. Mai 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft bei Händlerin V einen von John Lennon handsignierten, gebrauchten Bulli T4. Nach Übergabe zeigt sich, dass dieser früher einen Unfall hatte. Dies wusste V nicht, hätte es aber bei oberflächlicher Untersuchung erkennen können. K hätte den unfallfreien Wagen mit Gewinn weiterverkaufen können.

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Einordnung des Falls

Grundfall: anfängliche Unmöglichkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K kann von V den entgangenen Gewinn ersetzt verlangen, wenn die Voraussetzungen der §§437 Nr. 3, 311a Abs. 2 BGB vorliegen.

Genau, so ist das!

Der Anspruch auf Schadensersatz wegen anfänglicher Unmöglichkeit (§ 311a Abs. 2 BGB) setzt voraus: (1) Schuldverhältnis, (2) Pflichtverletzung in Form der anfänglichen Unmöglichkeit, (3) Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Unmöglichkeit (Vertretenmüssen) und (4) Schaden.§ 311a Abs. 2 BGB enthält eine eigenständige Anspruchsgrundlage. Anders als § 283 BGB handelt es sich insoweit nicht um einen Unterfall des allgemeinen Pflichtverletzungstatbestands (§ 280 BGB).Sofern in der Klausur nicht direkt nach dem Ersatz des Schadens, sondern der Rechtslage gefragt wäre, so müsste man zunächst den Primärleistungsanspruch prüfen.
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2. Zwischen K und V besteht ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis.

Ja, in der Tat!

Zur Begründung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses ist grundsätzlich ein Vertrag zwischen den Beteiligten notwendig (§ 311 Abs. 1 BGB). Beim Kaufvertrag schuldet der Verkäufer Übergabe und Übereignung der Kaufsache (§ 433 Abs. 1 BGB). Der Käufer schuldet den Kaufpreis (§ 433 Abs. 2 BGB). K und V haben sich über die Übergabe und Übereignung des mangelfreien Wagens geeinigt. Somit liegt ein Kaufvertrag vor.

3. Durch die Übergabe des Fahrzeuges hat V ihre vertraglich geschuldete Pflicht erfüllt.

Nein!

Beim Kaufvertrag schuldet der Verkäufer eine mangelfreie Sache. Eine Sache ist nach § 434 Abs. 1 BGB n.F. mangelfrei, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven und den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen entspricht.Ein Unfall vermindert den Wert eines Fahrzeuges deutlich. Damit weist das Fahrzeug nicht die Beschaffenheit auf, die bei Sachen derselben Art üblich ist (§ 434 Abs. 3 Nr. 2 BGB) und ist objektiv mangelhaft.

4. V kann die Pflichtverletzung beheben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Kann der Schuldner die geschuldete Leistung nicht (mehr) erfüllen, so liegt Unmöglichkeit vor und er wird von seiner Leistungspflicht frei (§ 275 Abs. 1 BGB). Liegt das Leistungshindernis bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschluss vor, so handelt es sich um anfängliche UnmöglichkeitDie „Unfallfreiheit“ des Wagens lässt sich nicht durch Reparatur wiederherstellen. Da der individualisierte Wagen geschuldet war, konnte V auch keinen anderen Wagen liefern. Da wegen der fehlenden Möglichkeit zur Nacherfüllung die Pflicht zur mangelfreien Leistung von Anfang an unmöglich war, ist Vs Leistungspflicht ausgeschlossen (§ 275 Abs. 1 BGB).

5. V wusste, dass der Wagen bereits einen Unfall hatte.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 311a Abs. 2 S. 2 BGB schließt die Haftung des Schuldners aus, wenn er das Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht kannte und seine Unkenntnis nicht zu vertreten hatte.V hatte keine positive Kenntnis davon, dass es sich bei dem Wagen um ein Unfallfahrzeug handelt. Achtung: Der Bezugspunktpunkt des Vertretenmüssens ist bei der anfänglichen Unmöglichkeit also nicht die Frage, ob der Schuldner die Unmöglichkeit verursacht hat. Vielmehr bezieht sich dieses auf dessen Kenntnis des Leistungshindernisses.

6. V hatte die Unkenntnis über den Unfall zu vertreten.

Ja!

Maßstab für das Vertretenmüssen sind die §§ 276 ff. BGB. Sofern also keine strengere oder mildere Haftung vereinbart ist, hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Maßgeblich ist insoweit also die Beachtung der verkehrsüblichen Sorgfalt. Das Vertretenmüssen wird vermutet. Dies ergibt sich aus der Negativformulierung des § 311a Abs. 2 S. 2 BGB („das gilt nicht wenn“)Als Gebrauchtwagenhändlerin war von V zu erwarten, dass sie den Wagen zumindest oberflächlich untersucht. Da sie dabei die Anzeichen des früheren Unfalls hätte entdecken können, hat sie ihn zu vertreten.

7. K ist ein Schaden entstanden.

Genau, so ist das!

Schaden ist jede unfreiwillige Einbuße an einer rechtlich geschützten Position.Ks schaden besteht darin, dass sie den unfallfreien Bulli T4 aufgrund der anfänglichen Unmöglichkeit nicht erhält. Der Umfang dieses Schadens bemisst sich dabei nach den §§ 249 ff. BGB und insoweit insbesondere an dem dadurch entgangenen Gewinn (§ 252 BGB). Im Ergebnis kann K ihren entstandenen Schaden somit nach § 437 Nr. 3, 311a Abs. 2 BGB von V ersetzt verlangen.
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