Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Schadensersatz wegen Unmöglichkeit (Leistungsstörungsrecht)
Grundfall: anfängliche Unmöglichkeit
Grundfall: anfängliche Unmöglichkeit
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft bei Händlerin V einen von John Lennon handsignierten, gebrauchten Bulli T4. Nach Übergabe zeigt sich, dass dieser früher einen Unfall hatte. Dies wusste V nicht, hätte es aber bei oberflächlicher Untersuchung erkennen können. K hätte den unfallfreien Wagen mit Gewinn weiterverkaufen können.
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Einordnung des Falls
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K kann von V den entgangenen Gewinn ersetzt verlangen, wenn die Voraussetzungen der §§437 Nr. 3, 311a Abs. 2 BGB vorliegen.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Zwischen K und V besteht ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis.
Ja, in der Tat!
3. Durch die Übergabe des Fahrzeuges hat V ihre vertraglich geschuldete Pflicht erfüllt.
Nein!
4. V kann die Pflichtverletzung beheben.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. V wusste, dass der Wagen bereits einen Unfall hatte.
Nein, das trifft nicht zu!
6. V hatte die Unkenntnis über den Unfall zu vertreten.
Ja!
7. K ist ein Schaden entstanden.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Raphaeljura
4.6.2023, 13:39:30
Was bedeutet "seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat"? Wenn im Sachverhalt dazu keine Angabe ist, dann wird es vermutet, richtig?
LR
10.7.2023, 21:19:38
Genau. Die negative Formulierung zeigt, dass hier eine
Beweislastumkehrvorliegt, sodass das Vertretenmüssen (widerleglich) vermutet wird.
QuiGonTim
21.2.2024, 23:27:28
Es handelt sich um ein über 20 Jahre altes Auto. Lässt sich in diesem Fall ohne weiteres die Unfallfreiheit als Teil der objektiv üblichen
Beschaffenheitim Sinne des § 434 Abs. 3 Nr. 2 BGB annehmen?
Steinfan
22.4.2024, 16:14:18
Bei § 311a II BGB spricht man nicht von einer „Pflichtverletzung“, da eine Pflicht infolge der Unmöglichkeit von Anfang nicht entstanden ist. Daher ist § 311a BGB auch systematisch nicht bei den §§ 280 ff. BGB geregelt. Das Wort „Pflichtverletzung“ würde ich daher aus der Lösung entfernen. LG
Nora Mommsen
22.4.2024, 18:02:44
Hallo Steinfan, es gibt durchaus eine starke Meinung, die die Position vertritt, dass im Rahmen des § 311a Abs. 2 BGB nicht von Pflichtverletzung gesprochen werden kann. (u.a. Lorenz). Andererseits verweist der § 280 Abs. 1 BGB auf den § 311a Abs. 2 BGB, der wiederum eine Pflichtverletzung voraussetzt. Daher folgen wir bei Jurafuchs der Formulierung "Pflichtverletzung in Form der anfänglichen Unmöglichkeit" und dann eben entsprechende Kenntnis/
fahrlässige Unkenntnisdavon. So entsteht auch eine Parallelität mit den anderen vertraglichen Schadensersatzansprüchen. Das erleichtert auch das Lernen! Nichts desto trotz ergibt sich aus § 275 BGB, dass bei Unmöglichkeit keine
Leistungspflichtentstanden ist, weil das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluss vorlag. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
simon175
4.10.2024, 12:47:06
Als der erste T4 auf den Straßen fuhr war John Lennon schon 10 Jahre tot. K könnte also auch nach § 119 II BGB den Vertrag anfechten, falls man die Unterschrift als
verkehrswesentliche Eigenschaftinterpretieren darf, weil sie nicht echt sein kann. (Vielleicht kann der Zeichner noch den T4 in einen T3 umwandeln, dann würde das passen). Cheers
der D
13.10.2024, 10:14:50
Hallo zusammen! Sind §311a II BGB und §§280 I, III, 283 BGB parallel zueinander anwendbar? Wenn ich das richtig sehe, unterscheiden sie sich in dem Anknüpfungspunkt für das Vertretenmüssen des Ersatzpflichtigen. Es könnte ja die Situation geben, dass jemand einen Mangel selbst vor Vertragsschluss herbeigeführt hat und darüber
fahrlässige Unkenntnisüber diesen hatte.
Leo Lee
20.10.2024, 11:52:17
Hallo der D, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Das ist in der Tat eine sehr interessante Frage. Da allerdings die beiden Normen darüber sprechen, ob die Unmöglichkeit vor oder nach Vertragsschluss eingetreten ist, schließen sich die Normen ggs. aus. In dem Fall, dass jemand einen Mangel (Behebung unmöglich) vor Vertragsschluss herbeigeführt hat und
fahrlässige Unkenntnisdarüber hatte, haftet er ganz normal nach 311a II 2, da hier auch die
fahrlässige Unkenntnismit erfasst wird. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Ernst Rn. 12 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Padawan Jura
24.10.2024, 10:59:25
Eine Frage bezüglich der ersten Tatbestandsvoraussetzung. Streng genommen steht der 311a systematisch im Recht Schuldverhältnisse aus Verträgen. Dann ist doch die erste Voraussetzung kein Schuldverhältnis, sondern ein Vertrag oder ?
Leo Lee
27.10.2024, 10:34:47
Hallo Padawan Jura, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Vorab: Du hast völlig Recht mit der Aussage, dass 311a systematisch gesehen nur auf Verträge Anwendung finden müsste. Allerdings wird - wie du vielleicht schon gemerkt hat - Schuldverhältnis und Verträge nicht immer so streng getrennt (nicht mal vom Gesetzgeber selbst). So ist 311a auch insofern auf SVe anwendbar, als die Vorschrift etwa auch für die
Auslobunggilt, die z.b. keinen Vertrag darstellt. Deshalb würden wir empfehlen, bei dem Begriff "Schuldverhältnis" zu bleiben, da dieses auch den Vertrag mit umfasst. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Ernst § 311a rn. 18 f. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo