Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Schadensersatz wegen Unmöglichkeit (Leistungsstörungsrecht)
Grundfall: anfängliche Unmöglichkeit
Grundfall: anfängliche Unmöglichkeit
4. Juli 2025
22 Kommentare
4,7 ★ (37.118 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft bei Händlerin V einen von John Lennon handsignierten, gebrauchten Bulli T4. Nach Übergabe zeigt sich, dass dieser früher einen Unfall hatte. Dies wusste V nicht, hätte es aber bei oberflächlicher Untersuchung erkennen können. K hätte den unfallfreien Wagen mit Gewinn weiterverkaufen können.
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Einordnung des Falls
Grundfall: anfängliche Unmöglichkeit
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K kann von V den entgangenen Gewinn ersetzt verlangen, wenn die Voraussetzungen der §§437 Nr. 3, 311a Abs. 2 BGB vorliegen.
Genau, so ist das!
2. Zwischen K und V besteht ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis.
Ja, in der Tat!
3. Durch die Übergabe des Fahrzeuges hat V ihre vertraglich geschuldete Pflicht erfüllt.
Nein!
4. V kann die Pflichtverletzung beheben.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. V wusste, dass der Wagen bereits einen Unfall hatte.
Nein, das trifft nicht zu!
6. V hatte die Unkenntnis über den Unfall zu vertreten.
Ja!
7. K ist ein Schaden entstanden.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Raphaeljura
4.6.2023, 13:39:30
Was bedeutet "seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat"? Wenn im Sachverhalt dazu keine Angabe ist, dann wird es vermutet, richtig?
LR
10.7.2023, 21:19:38
Genau. Die negative Formulierung zeigt, dass hier eine Beweislastumkehr vorliegt, sodass das
Vertretenmüssen(widerleglich) vermutet wird.
QuiGonTim
21.2.2024, 23:27:28
Es handelt sich um ein über 20 Jahre altes Auto. Lässt sich in diesem Fall ohne weiteres die Unfallfreiheit als Teil der objektiv üblichen
Beschaffenheitim Sinne des § 434 Abs. 3 Nr. 2 BGB annehmen?

JCF
25.6.2025, 19:51:35
„Sofern die Parteien keine abweichende
Beschaffenheitvereinbaren, stellen alterstypische Abnutzungs- und Verschleißerscheinungen bei Gebrauchtwagen, soweit sie nicht über das hinausgehen, was bei einem Fahrzeug des betreffenden Typs angesichts seiner Laufleistung zu erwarten ist, keinen Sachmangel […] dar.“ (Vuia: Der Sachmangel bei Kaufverträgen über Gebrauchtwagen, DS 2015, 111, 116) ABER: „Haben die Parteien keine
Beschaffenheitsvereinbarung getroffen […], ist ein nicht unfallfreies Gebrauchtfahrzeug unabhängig von der Durchführung einer fachgerechten Reparatur mangelhaft, weil der Käufer auch beim Kauf eines Gebrauchtfahrzeugs erwarten kann, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist […]. Anders als bei einer
Beschaffenheitsvereinbarung kann ein Sachmangel […] allerdings von einem Gewährleistungsausschluss erfasst werden.“ (Vuia: Der Sachmangel bei Kaufverträgen über Gebrauchtwagen, DS 2015, 111, 115 f.) „Ein Unfallvor
schadenstellt […] regelmäßig einen Mangel iSd § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 dar. Dabei gelten als relevante Vorschäden nicht reine Bagatellen, die rückstandslos und fachgerecht beseitigt worden sind. Soweit hingegen kein reiner Bagatell
schadenvorliegt, besteht ein Mangel auch dann, wenn im Übrigen eine einwandfreie Reparatur erfolgt ist, da der Verkehr insoweit regelmäßig einen merkantilen Minderwert des Fahrzeugs ansetzt.“ (MüKoBGB/Maultzsch, 9. Aufl. 2024, BGB § 434 Rn. 112)

Steinfan
22.4.2024, 16:14:18
Bei §
311a II BGBspricht man nicht von einer „Pflichtverletzung“, da eine Pflicht infolge der
Unmöglichkeitvon Anfang nicht entstanden ist. Daher ist
§ 311a BGBauch systematisch nicht bei den §§ 280 ff. BGB geregelt. Das Wort „Pflichtverletzung“ würde ich daher aus der Lösung entfernen. LG

Nora Mommsen
22.4.2024, 18:02:44
Hallo Steinfan, es gibt durchaus eine starke Meinung, die die Position vertritt, dass im Rahmen des §
311aAbs. 2 BGB nicht von Pflichtverletzung gesprochen werden kann. (u.a. Lorenz). Andererseits verweist der § 280 Abs. 1 BGB auf den §
311aAbs. 2 BGB, der wiederum eine Pflichtverletzung voraussetzt. Daher folgen wir bei Jurafuchs der Formulierung "Pflichtverletzung in Form der anfänglichen
Unmöglichkeit" und dann eben entsprechende Kenntnis/
fahrlässige Unkenntnisdavon. So entsteht auch eine Parallelität mit den anderen vertraglichen
Schadensersatzansprüchen. Das erleichtert auch das Lernen! Nichts desto trotz ergibt sich aus §
275 BGB, dass bei
Unmöglichkeitkeine
Leistungspflichtentstanden ist, weil das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluss vorlag. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

JCF
25.6.2025, 18:47:45
simon175
4.10.2024, 12:47:06
Als der erste T4 auf den Straßen fuhr war John Lennon schon 10 Jahre tot. K könnte also auch nach § 119 II BGB den Vertrag anfechten, falls man die Unterschrift als
verkehrswesentliche Eigenschaftinterpretieren darf, weil sie nicht echt sein kann. (Vielleicht kann der Zeichner noch den T4 in einen T3 umwandeln, dann würde das passen). Cheers
Robert
19.12.2024, 11:13:15
Ich hab sogar gleich an
arglistige Täuschungi.S.d. §
123 BGBgedacht… eine Gebrauchtwagen-Verkäuferin muss wissen, wann das Fahrzeug gebaut wurde, und sie hätte ahnen oder zu mindestens prüfen müssen, dass die Unterschrift nicht echt sein kann. Insofern war das eine
Täuschungmit bedingtem Vorsatz oder eine Angabe ins Blaue hinein. 
der D
13.10.2024, 10:14:50
Hallo zusammen! Sind §
311a II BGBund §§280 I, III,
283 BGBparallel zueinander anwendbar? Wenn ich das richtig sehe, unterscheiden sie sich in dem Anknüpfungspunkt für das
Vertretenmüssendes Ersatzpflichtigen. Es könnte ja die Situation geben, dass jemand einen Mangel selbst vor Vertragsschluss herbeigeführt hat und darüber
fahrlässige Unkenntnisüber diesen hatte.
Leo Lee
20.10.2024, 11:52:17
Hallo der D, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Das ist in der Tat eine sehr interessante Frage. Da allerdings die beiden Normen darüber sprechen, ob die
Unmöglichkeitvor oder nach Vertragsschluss eingetreten ist, schließen sich die Normen ggs. aus. In dem Fall, dass jemand einen Mangel (Behebung unmöglich) vor Vertragsschluss herbeigeführt hat und
fahrlässige Unkenntnisdarüber hatte, haftet er ganz normal nach
311aII 2, da hier auch die
fahrlässige Unkenntnismit erfasst wird. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Ernst Rn. 12 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Padawan Jura
24.10.2024, 10:59:25
Eine Frage bezüglich der ersten Tatbestandsvoraussetzung. Streng genommen steht der
311asystematisch im Recht
Schuldverhältnisse aus Verträgen. Dann ist doch die erste Voraussetzung kein
Schuldverhältnis, sondern ein Vertrag oder ?
Leo Lee
27.10.2024, 10:34:47
Hallo Padawan Jura, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Vorab: Du hast völlig Recht mit der Aussage, dass
311asystematisch gesehen nur auf Verträge Anwendung finden müsste. Allerdings wird - wie du vielleicht schon gemerkt hat -
Schuldverhältnis und Verträge nicht immer so streng getrennt (nicht mal vom Gesetzgeber selbst). So ist
311aauch insofern auf SVe anwendbar, als die Vorschrift etwa auch für die
Auslobunggilt, die z.b. keinen Vertrag darstellt. Deshalb würden wir empfehlen, bei dem Begriff "
Schuldverhältnis" zu bleiben, da dieses auch den Vertrag mit umfasst. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Ernst §
311arn. 18 f. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

JCF
25.6.2025, 19:54:57
In dem Satz "Liegt das Leistungshindernis bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschluss vor, so handelt es sich um
anfängliche Unmöglichkeit" müsste es "Zeitpunkt des Vertragsschlusses" heißen. Außerdem fehlt ein Punkt am Ende des Satzes. 😉

JCF
25.6.2025, 19:56:15
In dem Satz "Ks
schadenbesteht darin, dass sie den unfallfreien Bulli T4 aufgrund der anfänglichen
Unmöglichkeitnicht erhält" müsste es "
Schaden" heißen.

JCF
25.6.2025, 19:56:26
LG JCF 😉