Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Erlöschen des Schuldverhältnisses

Leistung an Erfüllung statt - Mangel beim hingegebenen Gegenstand

Leistung an Erfüllung statt - Mangel beim hingegebenen Gegenstand

2. April 2025

13 Kommentare

4,8(16.792 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K schuldet V €700. Da er kein Geld hat, bietet K dem V stattdessen seinen angeblich unfallfreien Roller (Wert: €800) an. V nimmt das Angebot an. Später zeigt sich, dass der Roller - wie K wusste - schon mal einen Unfall hatte und deshalb nur €400 wert ist. V will den Roller nicht mehr.

Diesen Fall lösen 66,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Leistung an Erfüllung statt - Mangel beim hingegebenen Gegenstand

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Besteht Vs ursprüngliche Forderung noch, nachdem er den Roller an Erfüllung statt angenommen hat?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nimmt der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllung statt an, so erlischt seine Forderung (§ 364 Abs. 1 BGB).V hat den Roller "statt der Leistung" akzeptiert und damit seinen Anspruch auf Zahlung der €700 verloren.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Trägt der Gläubiger bei der Leistung an Erfüllung statt das Risiko, dass der hingegebene Gegenstand mangelhaft ist (§ 365 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Zum Schutz des Gläubigers haftet der Schuldner bei der Leistung an Erfüllung statt für Sach- und Rechtsmängel wie ein Verkäufer (§ 365 BGB iVm §§ 434 ff. BGB). Das bedeutet, der Gläubiger kann bei Mängeln zunächst Nacherfüllung verlangen und nach erfolgloser Frist mindern, zurücktreten oder Schadensersatz verlangen.Näheres hierzu findest Du im Kapitel Kaufrecht.

3. Wenn V zurücktreten darf und den Roller zurückgibt, erhält er dann im Gegenzug die €800, die der Roller mangelfrei wert gewesen wäre?

Nein!

Bezugspunkt der Gewährleistungsrechte ist nach herrschender Meinung die ursprüngliche Schuld und nicht der Wert des hingegebenen Gegenstandes. Der Gläubiger hat also lediglich einen Anspruch auf Wiederbegründung der ursprünglichen - nach § 364 Abs. 1 BGB erloschenen - Forderung.Die ursprüngliche Schuld beträgt €700. Sofern V zurücktritt oder Schadensersatz fordert, kann er nach herrschender Auffassung nur Wiederbegründung seiner ursprünglichen Forderung (€700), nicht dagegen den Wert verlangen, den ein mangelfreier Roller gehabt hätte (€800).
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Martin

Martin

17.1.2023, 14:29:22

Liebe Jurafüchse, Ist die

Annahme an Erfüllung statt

eine Willenserklärung? Bzw. kommt eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in Betracht? (Die wird ja bekanntlich nicht vom Mängelgewährleistungsrecht verdrängt.) Grüße, Martin

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.1.2023, 14:09:20

Hallo Martin, die rechtliche Einordnung der Vereinbarung der

Leistung an Erfüllung statt

ist im Einzelnen zwar in der Literatur streitig (Schuldänderungsvertrag, entgeltlicher

Austauschvertrag

, Erfüllungsvertrag [hM]). Bei allen diskutierten Varianten liegt indes ein Vertrag und entsprechend korrespondierende Willenserklärungen vor. Insofern spricht in der Tat nichts dagegen, im Fall der arglistigen Täuschung die zugrundeliegende Annahmeerklärung anzufechten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Jopies

Jopies

15.12.2023, 02:16:00

Warum kann der Gläubiger nicht den Wert der mangelfreien Sache verlangen, das wirkt wertungswidersprüchlich und willkürlich auf mich.

Jopies

Jopies

25.12.2023, 14:24:08

Meine Begründung: ist es nicht so, dass bei der Vereinbarung einer

Leistung an Erfüllung statt

der Gläubiger seine ursprüngliche (

Geld

)forderung aufgibt um eine neue zu erhalten? Eine Begrenzung auf die Höhe der ursprünglichen Forderung halte ich für problematisch, weil 1. sich der Gläubiger vielleicht nur auf diese Erfüllungsart (und dem Mehraufwand dahinter) eingelassen hat, weil der Gegenstand mehr wert ist als die Forderung 2. Das Spiegelbild der Verwertungsgefahr die dem Gläubiger obliegt ist die Verwertungschance, also die Möglichkeit des Mehrerlöses. Bei der mangelfreien Sache ist dies doch wohl unproblematisch, warum sollte also beim SE Anspruch anders gewichtet werden (gerade wenn der Schuldner den Mangel zu vertreten hat) 3. Letztlich überzeugt mich auch der Verweis auf das Gewährleistungsrecht nicht. Primär ist das ja immer ein

Nacherfüllungsanspruch

- auf Herstellung des versprochenen (wertvolleren) Zustandes. Daran müsste sich doch dann auch der

sekundär

e SE Anspruch orientieren. Spätestens wenn der Schuldner wie hier den Gläubiger arglistig über Eigenschaften der Sache täuscht, will mir nicht einfallen inwiefern er schutzwürdig ist nur über die ursprüngliche Summe zu haften. Vielleicht kann ja jemand meine Bedenken gegen die Lösung ausräumen?

AME

Amelie7

27.11.2024, 16:33:23

@[Jopies](144186) Das gleiche habe ich mich auch gefragt, schließlich soll der Gläubiger bei der

Leistung an Erfüllung statt

ja gerade das Verwertungsrisiko aber auch die Möglichkeit auf Gewinnchancen tragen

Simon

Simon

23.1.2025, 13:51:00

Ihr habt hier in der Tat einen wunden Punkt getroffen. Bei der Annahme an Erfüllungs statt scheint mir vieles umstritten zu sein. Im Rahmen von § 365 BGB muss man differenzieren: Tritt der Gl. nach §§ 365, 437 Nr. 2 Alt. 2, 326 V, 323 I BGB zurück, so sind nach § 346 I BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Der Gl. hat also den Pkw herauszugeben und zurück zu übereignen, während der Sch. die Befreiung von seiner Verbindlichkeit i.H.v. 700€ zurückzugewähren hat (und zwar in Form der Wiederbegründung des ursprünglichen Schuldverhältnisses). Spannender wird es hingegen beim

Schadensersatz

nach §§ 365, 437 Nr. 3 Alt. 1,

311a

II BGB. Die h.M. (Fetzer, in: MüKo-BGB, 9. Aufl. 2022, § 365 Rn. 3 m.w.N.) bejaht nur einen Anspruch auf Neubegründung der ursprünglichen Schuld, während eine a.A. (Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 22. Aufl. 2021, § 22 Rn. 13) auf den Wert des an Erfüllungs statt geleisteten Gegenstands abstellt. M.E. sprechen die überzeugenderen Gründe für die letztgenannte Ansicht. Beim

Schadensersatz statt der Leistung

ist auf Rechtsfolgenseite zu fragen, wie der Gl. bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde, § 249 I BGB. Damit lässt sich aber die Neubegründung der ursprünglichen Schuld gerade nicht erklären, denn hätte der Sch. einen mangelfreien Pkw übereignet, wäre seine Verbindlichkeit erloschen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass der Gl. nun einen Wagen erhalten hat, der anstatt 800€ nur 400€ wert ist. Selbst wenn man stärker auf das alte Schuldverhältnis abstellen wollte und die

Pflichtverletzung

in der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung desselben sieht, wäre der hypothetische Zustand nicht das Fortbestehen der ursprünglichen Verbindlichkeit. Dass die Wiederbegründung der alten Schuld nicht die richtige Rechtsfolge sein kann, zeigt sich auch daran, dass dies Folge eines

Rücktritt

s wäre (s.o.). Während der

Rücktritt

allerdings auf die Herstellung des status quo ante gerichtet ist (Rückabwicklung nach §§ 346 ff.), geht es beim

Schadensersatz

um die Verwirklichung des geschuldeten Zustands (status ad quem, s. § 249 I), sodass es nicht sein kann, dass beide Rechtsinstitute auf die gleiche Folge hinauslaufen. Diese Unterscheidung ist auch in § 325 BGB angelegt. Zudem kann man - wenn man nicht der h.M. folgt - einen Gleichlauf mit den anderen mängelrechtlichen Rechtsbehelfen erzielen: Der Gl. könnte nach §§ 365, 437 Nr. 1, 439 BGB im Falle eines behebbaren Mangels auch Nacherfüllung verlangen, und so den Zustand herbeiführen, der bestünde, wenn der Sch. einen mangelfreien Pkw im Wert von 800€ geleistet hätte. Dass dies bei einem unbehebbaren Mangel (hier: Unfallwagen) nicht möglich ist, darf den Gl. nicht schlechter stellen. Der einzige Grund, der m.M.n. für die h.M. spricht, ist der Umstand, dass es eigentlich darum geht, dass der Sch. seine ursprüngliche Schuld nicht ordnungsgemäß erfüllt, sodass der "gefühlte

Schaden

" des Gl. nur in dieser Nichterfüllung besteht und es unbillig wäre, den Gl. besser zu stellen als er bei sofortiger Zahlung durch den Sch. gestanden hätte. Das verkennt m.E. aber, dass sich die Parteien privatautonom (!) auf eine

Leistung an Erfüllungs statt

geeinigt (!) haben. Auch soll sich - im Gegensatz zur

Leistung erfüllungshalber

- der Gl. aus dem neuen Gegenstand nicht lediglich befriedigen können, sondern dieser neue Gegenstand stellt nunmehr die geschuldete Leistung dar. Im Übrigen stimme ich mit den Argumenten von @[Jopies](144186) überein.

BGB OK

BGB OK

19.3.2025, 16:08:53

@[Simon](131793) das sind mal hervorragende Ausführungen gewesen und hat mir die Materie nochmal ganz anders eröffnet! Ich stimme dir zu, dass es bei einem SEA erstmal plausibler erscheint auf den Wert des an Erfüllung statt Geleisteten abzustellen. Als zusätzliche Erwägung vielleicht noch: auch umgekehrt erscheint es dann bei einem SEA gerechtfertigt, wenn der Gläubiger bei geringerwertigen Gegenständen auch nur den geringeren Wert ersetzt bekommt. Die Besserstellung des Gläubigers als Argument der hM erscheint insofern erstmal fraglich, da die Besserstellung nach Parteivereinbarung ja genauso einer Schlechterstellung entsprechen könnte. Allerdings, was hiergegen dann vielleicht stichhaltiger angeführt werden könnte, wäre, dass der Gläubiger aus der Wahl des

Rücktritt

srechts stattdessen die alte Forderung, in Form der Freistellung von der (dann höheren) Gesamtsumme zurückerhalten würde. Er würde daher das Risiko eines geringeren Wertes nicht im selben Umfang tragen wie den Vorteil eines höheren Wertes. Wogegen sich freilich wieder anführen lässt, dass es schließlich ein Versäumnis des Schuldners war, durch welches das

Rücktritt

srecht dann erst entstanden ist. Damit erscheint aber die hM zumindest nicht als ganz überwiegende Bauchgefühlsentscheidung, denke ich?

paulmachtexamen

paulmachtexamen

20.1.2024, 16:03:46

Warum wird hier nicht (auch) eine Anfechtung nach § 123 BGB geprüft? Schließlich ist eine Anfechtung wg arglistiger Täuschung auch neben dem Mängelgewährleistungsrecht anwendbar.

Peter im Pech

Peter im Pech

2.2.2024, 22:51:28

Kann man auch. Schau mal in die alten Kommentare.

LS2024

LS2024

20.5.2024, 14:32:11

Wie funktioniert die Wiederbegründung der Schuld? Durch ein abstraktes Schuldanerkenntnis?

LELEE

Leo Lee

21.5.2024, 08:19:55

Hallo LS2024, vielen Dank für die sehr gute Frage! Die Wiederbegründung der Schuld wird vom BGH oft genutzt und wird zwar nicht explizit rechtlich begründet; allerdings beruft sich der BGH hier auf eine „Vereinbarung“, weshalb die Wiederbegründung einen Teil der ursp. Vereinbarung oder auch einen Teil einer expliziten (neuen) Vereinbarung nach 311, 241 (sui generis) darstellen könnte. Hierzu kann ich die Lektüre des Leitsatzes der Entscheidung sehr empfehlen (findest du hier: https://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/viiizr83_16.htm) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen