Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Erlöschen des Schuldverhältnisses

Leistung an Erfüllung statt - Mangel beim hingegebenen Gegenstand

Leistung an Erfüllung statt - Mangel beim hingegebenen Gegenstand

15. Februar 2025

12 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K schuldet V €700. Da er kein Geld hat, bietet K dem V stattdessen seinen angeblich unfallfreien Roller (Wert: €800) an. V nimmt das Angebot an. Später zeigt sich, dass der Roller - wie K wusste - schon mal einen Unfall hatte und deshalb nur €400 wert ist. V will den Roller nicht mehr.

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Einordnung des Falls

Leistung an Erfüllung statt - Mangel beim hingegebenen Gegenstand

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Besteht Vs ursprüngliche Forderung noch, nachdem er den Roller an Erfüllung statt angenommen hat?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nimmt der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllung statt an, so erlischt seine Forderung (§ 364 Abs. 1 BGB).V hat den Roller "statt der Leistung" akzeptiert und damit seinen Anspruch auf Zahlung der €700 verloren.
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2. Trägt der Gläubiger bei der Leistung an Erfüllung statt das Risiko, dass der hingegebene Gegenstand mangelhaft ist (§ 365 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Zum Schutz des Gläubigers haftet der Schuldner bei der Leistung an Erfüllung statt für Sach- und Rechtsmängel wie ein Verkäufer (§ 365 BGB iVm §§ 434 ff. BGB). Das bedeutet, der Gläubiger kann bei Mängeln zunächst Nacherfüllung verlangen und nach erfolgloser Frist mindern, zurücktreten oder Schadensersatz verlangen.Näheres hierzu findest Du im Kapitel Kaufrecht.

3. Wenn V zurücktreten darf und den Roller zurückgibt, erhält er dann im Gegenzug die €800, die der Roller mangelfrei wert gewesen wäre?

Nein!

Bezugspunkt der Gewährleistungsrechte ist nach herrschender Meinung die ursprüngliche Schuld und nicht der Wert des hingegebenen Gegenstandes. Der Gläubiger hat also lediglich einen Anspruch auf Wiederbegründung der ursprünglichen - nach § 364 Abs. 1 BGB erloschenen - Forderung.Die ursprüngliche Schuld beträgt €700. Sofern V zurücktritt oder Schadensersatz fordert, kann er nach herrschender Auffassung nur Wiederbegründung seiner ursprünglichen Forderung (€700), nicht dagegen den Wert verlangen, den ein mangelfreier Roller gehabt hätte (€800).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Martin

Martin

17.1.2023, 14:29:22

Liebe Jurafüchse, Ist die

Annahme an Erfüllung statt

eine Willenserklärung? Bzw. kommt eine Anfechtung wegen

arglistig

er Täuschung in Betracht? (Die wird ja bekanntlich nicht vom

Mängelgewährleistung

srecht verdrängt.) Grüße, Martin

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.1.2023, 14:09:20

Hallo Martin, die rechtliche Einordnung der Vereinbarung der

Leistung an Erfüllung statt

ist im Einzelnen zwar in der Literatur streitig (

Schuld

änderungsvertrag, entgeltlicher Austauschvertrag, Erfüllungsvertrag [hM]). Bei allen diskutierten Varianten liegt indes ein Vertrag und entsprechend korrespondierende Willenserklärungen vor. Insofern spricht in der Tat nichts dagegen, im Fall der

arglistig

en Täuschung die zugrundeliegende Annahmeerklärung anzufechten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Jopies

Jopies

15.12.2023, 02:16:00

Warum kann der Gläubiger nicht den Wert der mangelfreien Sache verlangen, das wirkt wertungswidersprüchlich und willkürlich auf mich.

Jopies

Jopies

25.12.2023, 14:24:08

Meine Begründung: ist es nicht so, dass bei der Vereinbarung einer

Leistung an Erfüllung statt

der Gläubiger seine ursprüngliche (Geld)forderung aufgibt um eine neue zu erhalten? Eine Begrenzung auf die Höhe der ursprünglichen Forderung halte ich für problematisch, weil 1. sich der Gläubiger vielleicht nur auf diese Erfüllungsart (und dem Mehraufwand dahinter) eingelassen hat, weil der Gegenstand mehr wert ist als die Forderung 2. Das Spiegelbild der Verwertungsgefahr die dem Gläubiger obliegt ist die Verwertungschance, also die Möglichkeit des

Mehrerlös

es. Bei der mangelfreien Sache ist dies doch wohl unproblematisch, warum sollte also beim SE Anspruch anders gewichtet werden (gerade wenn der

Schuld

ner den Mangel zu vertreten hat) 3. Letztlich überzeugt mich auch der Verweis auf das

Gewährleistung

srecht nicht. Primär ist das ja immer ein

Nacherfüllungsanspruch

- auf Herstellung des versprochenen (wertvolleren) Zustandes. Daran müsste sich doch dann auch der sekundäre SE Anspruch orientieren. Spätestens wenn der

Schuld

ner wie hier den Gläubiger

arglistig

über Eigenschaften der Sache täuscht, will mir nicht einfallen inwiefern er schutzwürdig ist nur über die ursprüngliche Summe zu haften. Vielleicht kann ja jemand meine Bedenken gegen die Lösung ausräumen?

AME

Amelie7

27.11.2024, 16:33:23

@[Jopies](144186) Das gleiche habe ich mich auch gefragt, schließlich soll der Gläubiger bei der

Leistung an Erfüllung statt

ja gerade das Verwertungsrisiko aber auch die Möglichkeit auf Gewinnchancen tragen

Simon

Simon

23.1.2025, 13:51:00

Ihr habt hier in der Tat einen wunden Punkt getroffen. Bei der Annahme an Erfüllungs statt scheint mir vieles umstritten zu sein. Im Rahmen von

§ 365 BGB

muss man differenzieren: Tritt der Gl. nach §§ 365, 437 Nr. 2 Alt. 2, 326 V,

323 I BGB

zurück, so sind nach § 346 I BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Der Gl. hat also den Pkw herauszugeben und zurück zu

übereignen

, während der Sch. die Befreiung von seiner Verbindlichkeit i.H.v. 700€ zurückzugewähren hat (und zwar in Form der Wiederbegründung des ursprünglichen

Schuldverhältnis

ses). Spannender wird es hingegen beim Schadensersatz nach §§ 365, 437 Nr. 3 Alt. 1,

311a

II BGB. Die h.M. (Fetzer, in: MüKo-BGB, 9. Aufl. 2022, § 365 Rn. 3 m.w.N.) bejaht nur einen Anspruch auf Neubegründung der ursprünglichen

Schuld

, während eine a.A. (Medicus/Lorenz,

Schuld

recht I, 22. Aufl. 2021, § 22 Rn. 13) auf den Wert des an Erfüllungs statt geleisteten Gegenstands abstellt. M.E. sprechen die überzeugenderen Gründe für die letztgenannte Ansicht. Beim Schadensersatz statt der Leistung ist auf Rechtsfolgenseite zu fragen, wie der Gl. bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde, § 249 I BGB. Damit lässt sich aber die Neubegründung der ursprünglichen

Schuld

gerade nicht erklären, denn hätte der Sch. einen mangelfreien Pkw übereignet, wäre seine Verbindlichkeit erloschen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass der Gl. nun einen Wagen erhalten hat, der anstatt 800€ nur 400€ wert ist. Selbst wenn man stärker auf das alte

Schuldverhältnis

abstellen wollte und die Pflichtverletzung in der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung desselben sieht, wäre der hypothetische Zustand nicht das Fortbestehen der ursprünglichen Verbindlichkeit. Dass die Wiederbegründung der alten

Schuld

nicht die richtige Rechtsfolge sein kann, zeigt sich auch daran, dass dies Folge eines Rücktritts wäre (s.o.). Während der Rücktritt allerdings auf die Herstellung des status quo ante gerichtet ist (Rückabwicklung nach §§ 346 ff.), geht es beim Schadensersatz um die Verwirklichung des ge

schuld

eten Zustands (status ad quem, s. § 249 I), sodass es nicht sein kann, dass beide Rechtsinstitute auf die gleiche Folge hinauslaufen. Diese Unterscheidung ist auch in § 325 BGB angelegt. Zudem kann man - wenn man nicht der h.M. folgt - einen Gleichlauf mit den anderen mängelrechtlichen Rechtsbehelfen erzielen: Der Gl. könnte nach §§ 365, 437 Nr. 1,

439 BGB

im Falle eines behebbaren Mangels auch

Nacherfüllung

verlangen, und so den Zustand herbeiführen, der bestünde, wenn der Sch. einen mangelfreien Pkw im Wert von 800€ geleistet hätte. Dass dies bei einem unbehebbaren Mangel (hier: Unfallwagen) nicht möglich ist, darf den Gl. nicht schlechter stellen. Der einzige Grund, der m.M.n. für die h.M. spricht, ist der Umstand, dass es eigentlich darum geht, dass der Sch. seine ursprüngliche

Schuld

nicht ordnungsgemäß erfüllt, sodass der "gefühlte Schaden" des Gl. nur in dieser Nichterfüllung besteht und es unbillig wäre, den Gl. besser zu stellen als er bei sofortiger Zahlung durch den Sch. gestanden hätte. Das verkennt m.E. aber, dass sich die Parteien privatautonom (!) auf eine Leistung an Erfüllungs statt geeinigt (!) haben. Auch soll sich - im Gegensatz zur

Leistung erfüllungshalber

- der Gl. aus dem neuen Gegenstand nicht lediglich befriedigen können, sondern dieser neue Gegenstand stellt nunmehr die ge

schuld

ete Leistung dar. Im Übrigen stimme ich mit den Argumenten von @[Jopies](144186) überein.

paulmachtexamen

paulmachtexamen

20.1.2024, 16:03:46

Warum wird hier nicht (auch) eine Anfechtung nach § 123 BGB geprüft? Schließlich ist eine Anfechtung wg

arglistig

er Täuschung auch neben dem

Mängelgewährleistung

srecht anwendbar.

Peter im Pech

Peter im Pech

2.2.2024, 22:51:28

Kann man auch. Schau mal in die alten Kommentare.

LS2024

LS2024

20.5.2024, 14:32:11

Wie funktioniert die Wiederbegründung der

Schuld

? Durch ein abstraktes

Schuld

anerkenntnis?

LELEE

Leo Lee

21.5.2024, 08:19:55

Hallo LS2024, vielen Dank für die sehr gute Frage! Die Wiederbegründung der

Schuld

wird vom BGH oft genutzt und wird zwar nicht explizit rechtlich begründet; allerdings beruft sich der BGH hier auf eine „Vereinbarung“, weshalb die Wiederbegründung einen Teil der ursp. Vereinbarung oder auch einen Teil einer expliziten (neuen) Vereinbarung nach 311, 241 (sui generis) darstellen könnte. Hierzu kann ich die Lektüre des Leitsatzes der Entscheidung sehr empfehlen (findest du hier: https://lorenz.userweb.mwn.de/

urteil

e/viiizr83_16.htm) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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