Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Erlöschen des Schuldverhältnisses

Leistung an Erfüllung statt - Mangel beim hingegebenen Gegenstand

Leistung an Erfüllung statt - Mangel beim hingegebenen Gegenstand

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K schuldet V €700. Da er kein Geld hat, bietet K dem V stattdessen seinen angeblich unfallfreien Roller (Wert: €800) an. V nimmt das Angebot an. Später zeigt sich, dass der Roller - wie K wusste - schon mal einen Unfall hatte und deshalb nur €400 wert ist. V will den Roller nicht mehr.

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Einordnung des Falls

Leistung an Erfüllung statt - Mangel beim hingegebenen Gegenstand

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Besteht Vs ursprüngliche Forderung noch, nachdem er den Roller an Erfüllung statt angenommen hat?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nimmt der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllung statt an, so erlischt seine Forderung (§ 364 Abs. 1 BGB).V hat den Roller "statt der Leistung" akzeptiert und damit seinen Anspruch auf Zahlung der €700 verloren.
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2. Trägt der Gläubiger bei der Leistung an Erfüllung statt das Risiko, dass der hingegebene Gegenstand mangelhaft ist (§ 365 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Zum Schutz des Gläubigers haftet der Schuldner bei der Leistung an Erfüllung statt für Sach- und Rechtsmängel wie ein Verkäufer (§ 365 BGB iVm §§ 434 ff. BGB). Das bedeutet, der Gläubiger kann bei Mängeln zunächst Nacherfüllung verlangen und nach erfolgloser Frist mindern, zurücktreten oder Schadensersatz verlangen.Näheres hierzu findest Du im Kapitel Kaufrecht.

3. Wenn V zurücktreten darf und den Roller zurückgibt, erhält er dann im Gegenzug die €800, die der Roller mangelfrei wert gewesen wäre?

Nein!

Bezugspunkt der Gewährleistungsrechte ist nach herrschender Meinung die ursprüngliche Schuld und nicht der Wert des hingegebenen Gegenstandes. Der Gläubiger hat also lediglich einen Anspruch auf Wiederbegründung der ursprünglichen - nach § 364 Abs. 1 BGB erloschenen - Forderung.Die ursprüngliche Schuld beträgt €700. Sofern V zurücktritt oder Schadensersatz fordert, kann er nach herrschender Auffassung nur Wiederbegründung seiner ursprünglichen Forderung (€700), nicht dagegen den Wert verlangen, den ein mangelfreier Roller gehabt hätte (€800).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Martin

Martin

17.1.2023, 14:29:22

Liebe Jurafüchse, Ist die Annahme an Erfüllung statt eine Willenserklärung? Bzw. kommt eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in Betracht? (Die wird ja bekanntlich nicht vom Mängelgewährleistungsrecht verdrängt.) Grüße, Martin

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.1.2023, 14:09:20

Hallo Martin, die rechtliche Einordnung der Vereinbarung der

Leistung an Erfüllung statt

ist im Einzelnen zwar in der Literatur streitig (Schuldänderungsvertrag, entgeltlicher Austauschvertrag, Erfüllungsvertrag [hM]). Bei allen diskutierten Varianten liegt indes ein Vertrag und entsprechend korrespondierende Willenserklärungen vor. Insofern spricht in der Tat nichts dagegen, im Fall der arglistigen Täuschung die zugrundeliegende Annahmeerklärung anzufechten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Jopies

Jopies

15.12.2023, 02:16:00

Warum kann der Gläubiger nicht den Wert der mangelfreien Sache verlangen, das wirkt wertungswidersprüchlich und willkürlich auf mich.

Jopies

Jopies

25.12.2023, 14:24:08

Meine Begründung: ist es nicht so, dass bei der Vereinbarung einer

Leistung an Erfüllung statt

der Gläubiger seine ursprüngliche (Geld)forderung aufgibt um eine neue zu erhalten? Eine Begrenzung auf die Höhe der ursprünglichen Forderung halte ich für problematisch, weil 1. sich der Gläubiger vielleicht nur auf diese Erfüllungsart (und dem Mehraufwand dahinter) eingelassen hat, weil der Gegenstand mehr wert ist als die Forderung 2. Das Spiegelbild der Verwertungsgefahr die dem Gläubiger obliegt ist die Verwertungschance, also die Möglichkeit des M

ehre

rlöses. Bei der mangelfreien Sache ist dies doch wohl unproblematisch, warum sollte also beim SE Anspruch anders gewichtet werden (gerade wenn der Schuldner den Mangel zu vertreten hat) 3. Letztlich überzeugt mich auch der Verweis auf das Gewährleistungsrecht nicht. Primär ist das ja immer ein

Nacherfüllungsanspruch

- auf Herstellung des versprochenen (wertvolleren) Zustandes. Daran müsste sich doch dann auch der sekundäre SE Anspruch orientieren. Spätestens wenn der Schuldner wie hier den Gläubiger arglistig über Eigenschaften der Sache täuscht, will mir nicht einfallen inwiefern er schutzwürdig ist nur über die ursprüngliche Summe zu haften. Vielleicht kann ja jemand meine Bedenken gegen die Lösung ausräumen?

paulmachtexamen

paulmachtexamen

20.1.2024, 16:03:46

Warum wird hier nicht (auch) eine Anfechtung nach § 123 BGB geprüft? Schließlich ist eine Anfechtung wg arglistiger Täuschung auch neben dem Mängelgewährleistungsrecht anwendbar.

Peter im Pech

Peter im Pech

2.2.2024, 22:51:28

Kann man auch. Schau mal in die alten Kommentare.

LS2024

LS2024

20.5.2024, 14:32:11

Wie funktioniert die Wiederbegründung der Schuld? Durch ein abstraktes Schuldanerkenntnis?

LELEE

Leo Lee

21.5.2024, 08:19:55

Hallo LS2024, vielen Dank für die sehr gute Frage! Die Wiederbegründung der Schuld wird vom BGH oft genutzt und wird zwar nicht explizit rechtlich begründet; allerdings beruft sich der BGH hier auf eine „Vereinbarung“, weshalb die Wiederbegründung einen Teil der ursp. Vereinbarung oder auch einen Teil einer expliziten (neuen) Vereinbarung nach 311, 241 (sui generis) darstellen könnte. Hierzu kann ich die Lektüre des Leitsatzes der Entscheidung sehr empfehlen (findest du hier: https://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/viiizr83_16.htm) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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