Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Erlöschen des Schuldverhältnisses
Leistung an Erfüllung statt - Mangel beim hingegebenen Gegenstand
Leistung an Erfüllung statt - Mangel beim hingegebenen Gegenstand
15. Februar 2025
12 Kommentare
4,8 ★ (15.945 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K schuldet V €700. Da er kein Geld hat, bietet K dem V stattdessen seinen angeblich unfallfreien Roller (Wert: €800) an. V nimmt das Angebot an. Später zeigt sich, dass der Roller - wie K wusste - schon mal einen Unfall hatte und deshalb nur €400 wert ist. V will den Roller nicht mehr.
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Einordnung des Falls
Leistung an Erfüllung statt - Mangel beim hingegebenen Gegenstand
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Besteht Vs ursprüngliche Forderung noch, nachdem er den Roller an Erfüllung statt angenommen hat?
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Trägt der Gläubiger bei der Leistung an Erfüllung statt das Risiko, dass der hingegebene Gegenstand mangelhaft ist (§ 365 BGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
3. Wenn V zurücktreten darf und den Roller zurückgibt, erhält er dann im Gegenzug die €800, die der Roller mangelfrei wert gewesen wäre?
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Martin
17.1.2023, 14:29:22
Liebe Jurafüchse, Ist die
Annahme an Erfüllung statteine Willenserklärung? Bzw. kommt eine Anfechtung wegen
arglistiger Täuschung in Betracht? (Die wird ja bekanntlich nicht vom
Mängelgewährleistungsrecht verdrängt.) Grüße, Martin

Lukas_Mengestu
18.1.2023, 14:09:20
Hallo Martin, die rechtliche Einordnung der Vereinbarung der
Leistung an Erfüllung stattist im Einzelnen zwar in der Literatur streitig (
Schuldänderungsvertrag, entgeltlicher Austauschvertrag, Erfüllungsvertrag [hM]). Bei allen diskutierten Varianten liegt indes ein Vertrag und entsprechend korrespondierende Willenserklärungen vor. Insofern spricht in der Tat nichts dagegen, im Fall der
arglistigen Täuschung die zugrundeliegende Annahmeerklärung anzufechten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Jopies
15.12.2023, 02:16:00
Warum kann der Gläubiger nicht den Wert der mangelfreien Sache verlangen, das wirkt wertungswidersprüchlich und willkürlich auf mich.

Jopies
25.12.2023, 14:24:08
Meine Begründung: ist es nicht so, dass bei der Vereinbarung einer
Leistung an Erfüllung stattder Gläubiger seine ursprüngliche (Geld)forderung aufgibt um eine neue zu erhalten? Eine Begrenzung auf die Höhe der ursprünglichen Forderung halte ich für problematisch, weil 1. sich der Gläubiger vielleicht nur auf diese Erfüllungsart (und dem Mehraufwand dahinter) eingelassen hat, weil der Gegenstand mehr wert ist als die Forderung 2. Das Spiegelbild der Verwertungsgefahr die dem Gläubiger obliegt ist die Verwertungschance, also die Möglichkeit des
Mehrerlöses. Bei der mangelfreien Sache ist dies doch wohl unproblematisch, warum sollte also beim SE Anspruch anders gewichtet werden (gerade wenn der
Schuldner den Mangel zu vertreten hat) 3. Letztlich überzeugt mich auch der Verweis auf das
Gewährleistungsrecht nicht. Primär ist das ja immer ein
Nacherfüllungsanspruch- auf Herstellung des versprochenen (wertvolleren) Zustandes. Daran müsste sich doch dann auch der sekundäre SE Anspruch orientieren. Spätestens wenn der
Schuldner wie hier den Gläubiger
arglistigüber Eigenschaften der Sache täuscht, will mir nicht einfallen inwiefern er schutzwürdig ist nur über die ursprüngliche Summe zu haften. Vielleicht kann ja jemand meine Bedenken gegen die Lösung ausräumen?
Amelie7
27.11.2024, 16:33:23
@[Jopies](144186) Das gleiche habe ich mich auch gefragt, schließlich soll der Gläubiger bei der
Leistung an Erfüllung stattja gerade das Verwertungsrisiko aber auch die Möglichkeit auf Gewinnchancen tragen

Simon
23.1.2025, 13:51:00
Ihr habt hier in der Tat einen wunden Punkt getroffen. Bei der Annahme an Erfüllungs statt scheint mir vieles umstritten zu sein. Im Rahmen von
§ 365 BGBmuss man differenzieren: Tritt der Gl. nach §§ 365, 437 Nr. 2 Alt. 2, 326 V,
323 I BGBzurück, so sind nach § 346 I BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Der Gl. hat also den Pkw herauszugeben und zurück zu
übereignen, während der Sch. die Befreiung von seiner Verbindlichkeit i.H.v. 700€ zurückzugewähren hat (und zwar in Form der Wiederbegründung des ursprünglichen
Schuldverhältnisses). Spannender wird es hingegen beim Schadensersatz nach §§ 365, 437 Nr. 3 Alt. 1,
311aII BGB. Die h.M. (Fetzer, in: MüKo-BGB, 9. Aufl. 2022, § 365 Rn. 3 m.w.N.) bejaht nur einen Anspruch auf Neubegründung der ursprünglichen
Schuld, während eine a.A. (Medicus/Lorenz,
Schuldrecht I, 22. Aufl. 2021, § 22 Rn. 13) auf den Wert des an Erfüllungs statt geleisteten Gegenstands abstellt. M.E. sprechen die überzeugenderen Gründe für die letztgenannte Ansicht. Beim Schadensersatz statt der Leistung ist auf Rechtsfolgenseite zu fragen, wie der Gl. bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde, § 249 I BGB. Damit lässt sich aber die Neubegründung der ursprünglichen
Schuldgerade nicht erklären, denn hätte der Sch. einen mangelfreien Pkw übereignet, wäre seine Verbindlichkeit erloschen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass der Gl. nun einen Wagen erhalten hat, der anstatt 800€ nur 400€ wert ist. Selbst wenn man stärker auf das alte
Schuldverhältnisabstellen wollte und die Pflichtverletzung in der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung desselben sieht, wäre der hypothetische Zustand nicht das Fortbestehen der ursprünglichen Verbindlichkeit. Dass die Wiederbegründung der alten
Schuldnicht die richtige Rechtsfolge sein kann, zeigt sich auch daran, dass dies Folge eines Rücktritts wäre (s.o.). Während der Rücktritt allerdings auf die Herstellung des status quo ante gerichtet ist (Rückabwicklung nach §§ 346 ff.), geht es beim Schadensersatz um die Verwirklichung des ge
schuldeten Zustands (status ad quem, s. § 249 I), sodass es nicht sein kann, dass beide Rechtsinstitute auf die gleiche Folge hinauslaufen. Diese Unterscheidung ist auch in § 325 BGB angelegt. Zudem kann man - wenn man nicht der h.M. folgt - einen Gleichlauf mit den anderen mängelrechtlichen Rechtsbehelfen erzielen: Der Gl. könnte nach §§ 365, 437 Nr. 1,
439 BGBim Falle eines behebbaren Mangels auch
Nacherfüllungverlangen, und so den Zustand herbeiführen, der bestünde, wenn der Sch. einen mangelfreien Pkw im Wert von 800€ geleistet hätte. Dass dies bei einem unbehebbaren Mangel (hier: Unfallwagen) nicht möglich ist, darf den Gl. nicht schlechter stellen. Der einzige Grund, der m.M.n. für die h.M. spricht, ist der Umstand, dass es eigentlich darum geht, dass der Sch. seine ursprüngliche
Schuldnicht ordnungsgemäß erfüllt, sodass der "gefühlte Schaden" des Gl. nur in dieser Nichterfüllung besteht und es unbillig wäre, den Gl. besser zu stellen als er bei sofortiger Zahlung durch den Sch. gestanden hätte. Das verkennt m.E. aber, dass sich die Parteien privatautonom (!) auf eine Leistung an Erfüllungs statt geeinigt (!) haben. Auch soll sich - im Gegensatz zur
Leistung erfüllungshalber- der Gl. aus dem neuen Gegenstand nicht lediglich befriedigen können, sondern dieser neue Gegenstand stellt nunmehr die ge
schuldete Leistung dar. Im Übrigen stimme ich mit den Argumenten von @[Jopies](144186) überein.

paulmachtexamen
20.1.2024, 16:03:46
Warum wird hier nicht (auch) eine Anfechtung nach § 123 BGB geprüft? Schließlich ist eine Anfechtung wg
arglistiger Täuschung auch neben dem
Mängelgewährleistungsrecht anwendbar.
Peter im Pech
2.2.2024, 22:51:28
Kann man auch. Schau mal in die alten Kommentare.

LS2024
20.5.2024, 14:32:11
Leo Lee
21.5.2024, 08:19:55
Hallo LS2024, vielen Dank für die sehr gute Frage! Die Wiederbegründung der
Schuldwird vom BGH oft genutzt und wird zwar nicht explizit rechtlich begründet; allerdings beruft sich der BGH hier auf eine „Vereinbarung“, weshalb die Wiederbegründung einen Teil der ursp. Vereinbarung oder auch einen Teil einer expliziten (neuen) Vereinbarung nach 311, 241 (sui generis) darstellen könnte. Hierzu kann ich die Lektüre des Leitsatzes der Entscheidung sehr empfehlen (findest du hier: https://lorenz.userweb.mwn.de/
urteile/viiizr83_16.htm) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo