Mittäterexzess

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M1 und M2 kommen stillschweigend überein, der O ihre auf dem Beifahrersitz abgelegte Handtasche wegzunehmen. Während M1 vorgibt, O beim Ausparken zu helfen, will M2 die Beifahrertür öffnen. Diese ist aber verriegelt. Für M2 überraschend, schlägt M1 daher die O K.O. und entwendet selbst die Tasche.

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Einordnung des Falls

Mittäterexzess

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M1 hat sich wegen Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht, indem er O K.O. schlug und die Tasche entwendete.

Genau, so ist das!

Die Tasche der O war für M1 eine fremde bewegliche Sache. M1 hat durch den Schlag Personengewalt gegen O verübt. Die Wegnahme (=Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams) vollzog M1, indem er der O die Tasche entwendete. Der raubspezifische Zusammenhang ist gegeben. M1 hatte Vorsatz. Die Gewalt diente als Mittel der Gewahrsamserlangung, so dass der Finalzusammenhang zwischen Gewalt und Wegnahme vorliegt. Da M1 in der Absicht rechtswidriger Zueignung sowie rechtswidrig und schuldhaft handelte, ist er strafbar wegen § 249 Abs. 1 StGB. Bezüglich M2 fragt sich, ob ihm die Handlungen des M1 nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden können.
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2. M2 ist schon deshalb kein Mittäter, weil der dafür nötige gemeinsame Tatentschluss einer ausdrücklichen Absprache bedarf, M1 und M2 aber nur stillschweigend übereinkamen, der O die Tasche wegzunehmen.

Nein, das trifft nicht zu!

Der gemeinsame Tatentschluss beinhaltet die Verabredung der Beteiligten, durch Erbringung von Tatbeiträgen im Zusammenwirken den Tatbestand zu erfüllen. Dies erfordert die objektive Willensübereinstimmung und den Vorsatz zur gemeinsamen Verwirklichung aller Umstände des objektiven Tatbestandes. Die Willensübereinstimmung kann ausdrücklich, stillschweigend und konkludent (etwa durch gegenseitiges Zunicken) hergestellt werden. Dass M1 und M2 stillschweigend übereinkamen, der O ihre Tasche wegzunehmen, steht dem gemeinsamen Tatentschluss also nicht entgegen. Fraglich ist aber, ob der Einsatz des Raubmittels durch M1 für M2 ein Mittäterexzess ist.

3. Obgleich M1 sich spontan entschloss, Personengewalt einzusetzen, lag ein gemeinsamer Tatplan von M1 und M2 hinsichtlich eines Raubes vor (§§ 249 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB).

Nein!

Jeder Mittäter haftet für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines (bedingten) Vorsatzes. Er ist für den Taterfolg mithin nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. M1 und M2 waren sich einig, der O die Tasche wegzunehmen, nicht aber dafür ein Raubmittel einzusetzen. Unerheblich sind zwar unwesentliche Abweichungen, also solche, mit denen nach den Umständen des Falles für gewöhnlich zu rechnen ist. Mit der Personengewalt war aber nicht zu rechnen, so dass ein Mittäterexzess vorliegt, für den M2 nicht einzustehen hat. Denkbar bleibt aber ein mittäterschaftlicher Diebstahl.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Natze

Natze

26.8.2024, 09:29:35

also wäre im Ergebnis M1 für einen vollendeten Raub als Einzeltäter (sowie einem versuchten mittäterschaftlichen diebstahl? subsidiärer vollender mittäterschaftlichen diebstahl?) und M2 für einen mittäterschaftlichen Diebstahl zu bestrafen?

MAG

Magnum

4.11.2024, 21:32:25

Wie würde man den Fall behandeln, wenn wir aufgrund irgendwelcher Umstände (zB. M1 neigt grundsätzlich zu Gewalt) dazu kämen, dass es nicht fern jeder Lebenserfahrung liegt, dass M1 zur Wegnahme Gewalt einsetzt. Dann wäre ja kein

Mittäterexzess

gegeben und ein mittäterschaftlicher Raub läge vor. Wie wird denn aber behandelt, dass M2 trotzdem ja keinen

Vorsatz

auf die Gewaltanwendung hatte. Muss man den

Vorsatz

dann dennoch annehemen, weil es sonst inkonsitent wäre?


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