Eindringen: Betreten gegen den Willen – Hausrechtsinhaber hat keine Kenntnis


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Während der O seinen Sohn vom Kindergarten abholt, betritt T Os gemietete Wohnung durch die offen stehende Terrassentür.

Einordnung des Falls

Eindringen: Betreten gegen den Willen – Hausrechtsinhaber hat keine Kenntnis

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T verwirklicht den Tatbestand des Hausfriedensbruchs (§ 123 Abs. 1 Var. 1 StGB), wenn er vorsätzlich "in die Wohnung eines anderen widerrechtlich eindringt".

Ja!

Geschütztes Rechtsgut ist das individuelle Hausrecht. Das individuelle Hausrecht umfasst die Gesamtheit der rechtlichen Befugnisse, über den Verbleib anderer Personen innerhalb der dem Herrschaftsbereich einer Person zugeordneten geschützten räumlichen Bereiche tatsächlich frei zu bestimmen. Hausfriedensbruch wird nur auf Antrag verfolgt (absolutes Antragsdelikt (§ 123 Abs. 2 StGB)). Antragsberechtigt ist der Inhaber des Hausrechts.

2. "Eindringen" (§ 123 Abs. 1 Var. 1 StGB) meint das Betreten des Tatobjektes gegen den Willen des Berechtigten.

Genau, so ist das!

Betreten setzt voraus, dass der Täter eine gegenständliche, den Schutzbereich umgebende Grenze körperlich überschreitet. Berechtigter ist der Hausrechtsinhaber und damit derjenige, der die Räume bewohnt und in ihnen seine räumliche Privatsphäre rechtmäßig begründet hat. Gegen den Willen erfordert eine tatsächliche Willensbildung des Berechtigten dahingehend, dem Betreten des Raums durch den Täter nicht zuzustimmen. Die Äußerung dieses Willens kann ausdrücklich (Hausverbot), aber auch konkludent (z.B. aus dem Vorhandensein eines Zugangshindernisses wie Tür und Mauer sowie aus den für die konkrete Situation sozialüblichen Verkehrsformen) erfolgen.

3. O ist "Berechtigter" (§ 123 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Berechtigter ist der Hausrechtsinhaber und damit derjenige, der die Räume bewohnt und in ihnen seine räumliche Privatsphäre rechtmäßig begründet hat. Das Hausrecht wird mit Einzug begründet und endet mit Auszug. Bei unrechtmäßiger Inbesitznahme (Hausbesetzung) besteht kein Hausrecht. Als Mieter hat O das Hausrecht und ist Berechtigter.

4. T hat die Wohnung "gegen den Willen des Berechtigten betreten" (§ 123 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Gegen den Willen erfordert eine tatsächliche Willensbildung des Berechtigten dahingehend, dem Betreten des Raums durch den Täter nicht zuzustimmen. Die Äußerung dieses Willens kann ausdrücklich (Hausverbot), aber auch konkludent (z.B. aus dem Vorhandensein eines Zugangshindernisses wie Tür und Mauer sowie aus den für die konkrete Situation sozialüblichen Verkehrsformen) erfolgen. T hat die Wohnungsgrenze körperlich überschritten und die Wohnung somit betreten. O hatte keine Kenntnis, dass T die Wohnung betritt. Aus den Grundsätzen der Sozialüblichkeit kann aber ein konkludent geäußerter entgegengesetzter Wille des O angenommen werden. Soweit nach einer Mindermeinung lediglich ein Betreten "ohne den Willen des Berechtigten" verlangt wird, liegt auch ein Handeln ohne Willen des O hier vor.

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K!gh

K!gh

31.7.2020, 21:02:55

Ich finde die letzte Frage unglücklich gestellt. T hat die Mietwohnung der O genau genommen OHNE den Willen der O betreten. Man kann dies als Unterform von „GEGEN den Willen“ einordnen, für den Bearbeiter kommt aber in Betracht, die Frage nach dem Betreten GEGEN den Willen zu verneinen um in einer erwarteten Folgefrage nach dem Betreten OHNE den Willen dies zu bejahen.

Isabell

Isabell

31.8.2020, 13:02:40

Das wird in der App leider total uneinheitlich gehandhabt. Mal muss man die Frage absolut wörtlich nehmen und dann über die Folgefrage zur konkreten rechtlichen Bewertung zu kommen und mal wie hier die Frage direkt auf den Sachverhalt beziehen.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

9.9.2020, 21:58:04

Hallo ihr beiden, danke für die Anmerkung. Ob Eindringen das Betreten gegen den Willen des Berechtigten oder "ohne den Willen des Berechtigten" darstellen soll, ist zwar umstritten. Fischer/StGB, 64. Aufl., § 123 Rn. 14 schreibt aber beispielsweise, dass beides im Kern dasselbe trifft. Man könnte sicherlich auch vertreten, dass ein Wohnungsinhaber immer den (unterbewussten) Willen hat, dass Unberechtigte die Wohnung nicht betreten. Somit sind beide Formulierungen in Ordnung. Falls wir das irgendwo anders dargestellt haben, dann wären wir sehr dankbar, wenn ihr uns an der entsprechenden Stelle darauf hinweisen würdet, dann würden wir die Fragen dort entsprechend anpassen. Danke!

Max.S

Max.S

23.1.2022, 17:40:48

Dadurch das O ihren Sohn abgeholt hat, konnte O doch gar nicht wissen das T in die Wohnung eingedrungen ist. Wäre dies dann eigentlich nicht verbotene Eigenmacht?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.1.2022, 10:10:59

Hallo Max, zivilrechtlich liegt in der Tat verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) vor, da durch das widerrechtliche Eindringen Os Besitz gestört wird. Aus strafrechtlicher Perspektive handelt es sich um Hausfriedensbruch. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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