Verhinderter Suizid – § 679 BGB analog?

22. Februar 2025

24 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Content-Note: Suizid.
A schwimmt im Rhein, als er sieht, wie B sich mit Suizidbabsicht von einer Brücke in den Fluss stürzt. A gelingt es, den B, der noch bei Bewusstsein ist, zu retten. Anschließend fährt A den B mit dem Taxi ins Krankenhaus.

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Einordnung des Falls

Verhinderter Suizid – § 679 BGB analog?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A kann von B Ersatz für die Taxikosten verlangen, wenn er einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB hat.

Genau, so ist das!

Voraussetzung für einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB ist, dass A (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen, (3) ohne Auftrag oder einer sonstigen Berechtigung geführt hat und die (4) Geschäftsführung berechtigt war.
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2. Indem A den B gerettet hat, hat er „ein Geschäft besorgt“ (§ 677 BGB)

Ja, in der Tat!

Eine Geschäftsbesorgung ist wie im Auftragsrecht (§ 662 BGB) weit zu verstehen und umfasst jede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit, auch von kurzer Dauer. Die Rettungsaktion ist eine tatsächliche (Rettung selbst) und rechtliche (Taxi-Bestellung) Tätigkeit.

3. Die Rettungshandlung müsste ein „fremdes Geschäft“ für A sein.

Ja!

Der Geschäftsführer besorgt das Geschäft „für einen anderen“ (§ 677 BGB), wenn er das Geschäft jedenfalls nicht nur als eigenes, sondern auch als fremdes Geschäft führt. Ein Geschäft ist objektiv fremd, wenn es äußerlich in den Pflichten-, Rechts-, oder Interessenkreis des anderen fällt. Nach der Rspr. ist der Suizid ein Unglücksfall im Sinne von § 323c StGB. Da § 323c StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt keinen konkreten Normenadressaten nennt und keine spezielle Pflicht auferlegt (sog. abstrakt öffentlich rechtliche Pflicht), liegt ausschließlich ein fremdes Geschäft für den Hilfeleistenden vor. Nach anderer Ansicht handelt der Hilfeleistende nicht nur im Interessenkreis des Betroffenen, sondern wird auch seiner Hilfeleistungspflicht aus § 323c StGB gerecht. Danach soll ein auch-fremdes Geschäft vorliegen.

4. Nach Ansicht des BGH musst Du As Fremdgeschäftsführungwille positiv feststellen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei einem objektiv-fremden Geschäft wird der Fremdgeschäftsführungswille unstrittig (widerleglich) vermutet. Folgt man der Ansicht, die in solchen Fällen ein auch-fremdes Geschäft bejaht, so kann man den Fremdgeschäftsführungswille auch hier nach Ansicht des BGH (widerleglich) vermuten. Folgst Du der Ansicht des BGH zum Fremdgeschäftsführungswillen, so kannst Du hier also offen lassen, ob die Rettung ein objektiv-fremdes oder auch-fremdes Geschäft handelt.

5. § 323c StGB begründet allein eine Pflicht der Allgemeinheit. Hatte A nach § 323c StGB den Auftrag, B zu retten (§ 677 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Berechtigung zur Rettungsaktion ergibt sich nicht aus § 323c StGB. Die Berechtigung muss nämlich gerade gegenüber dem Geschäftsherrn, also hier dem B bestehen. Die Pflicht aus § 323c StGB besteht aber nur gegenüber der Allgemeinheit. A handelte ohne Auftrag oder sonstiger Berechtigung.

6. Die Geschäftsführung des A war „berechtigt“, weil sie Bs wirklichen Willen entsprach (§ 683 S. 1 BGB).

Nein!

Die Geschäftsführung ist berechtigt, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Der wirkliche Wille kann entweder ausdrücklich oder konkludent geäußert werden. Aus dem konkludent geäußertem Willen des B ergibt sich, dass B Suizid begehen will und gerade nicht gerettet werden möchte. Die Geschäftsführung des A war somit nicht berechtigt (§ 683 S. 1 BGB).

7. Vorliegend könnte der wirkliche Wille des B jedoch unbeachtlich sein. Umfasst § 679 BGB die Rettungshandlung ausdrücklich?

Nein, das ist nicht der Fall!

Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn kann ausnahmsweise nach §§ 683 S. 2, 679 BGB unbeachtlich sein, wenn: (1) ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, oder (2) eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt würde. Auf den Suizid-Fall ist keine der in § 679 BGB genannten Konstellationen direkt anwendbar. Allerdings wird nach h.M. § 679 BGB analog beim Suizidwillen angewendet. § 679 BGB solle entsprechend angewendet werden, wenn der wirkliche Wille gegen ein Gesetz verstößt (§ 134 BGB) oder sittenwidrig (§ 138 BGB) ist. Der Wille zum Suizid sei sittenwidrig und verstoße gegen § 138 Abs. 1 BGB.Der Suizidwille des B ist nach diesern Ansicht analog § 679 BGB unbeachtlich. Diese Sichtweise ist sehr umstritten und erfährt erhebliche Kritik: Die analoge Anwendung von § 679 BGB könnte mit der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und dem Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben (BVerfG, Urt. v. 26.02.2020) kollidieren. Die Entscheidung findest Du hier.

8. Die (wohl noch) h.M. wendet § 679 BGB analog auf den Suizidwillen an.

Ja, in der Tat!

BGH und h.M. wenden den § 679 BGB analog insbesondere dann an, wenn der Suizid „nicht auf einem freien, wohlüberlegten Entschluss beruht“ (z. B. bei akuter psychischer Erkrankung). Problematisch hieran könnte sein, dass es schwer erkennbar ist, wann ein Suizid „frei“ oder „krankheitsbedingt“ ist. Kritische Gegenpositionen schlagen daher vor, nicht § 697 BGB analog anzuwenden, sondern die Geschäftsführung durch einen Notstand (§ 34 StGB, § 228 BGB) zu rechtfertigen. Der Vorteil: Diese Regelungen berücksichtigen eine Abwägung der widerstreitenden Interessen. Es bleibt abzuwarten, wie der BGH auf das richtungsweisende Urteil des BVerfG aus dem Jahr 2020 zum selbstbestimmten Sterben in Bezug auf § 679 BGB reagiert.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Nebenbesitzer einer Fräsmaschine

Nebenbesitzer einer Fräsmaschine

12.8.2020, 15:04:39

Auch nach Recherche im Netz bin ich nicht fündig geworden: wieso verstößt ein Suizid gegen § 138 BGB?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

14.8.2020, 17:59:51

Hallo

Nebenbesitz

er ;) danke für die gute Frage. Schau dir dazu mal Palandt-Sprau, § 679 Rn. 6 m.w.N. an!

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

14.8.2020, 18:34:43

Die herrschende Ansicht wird aber wohl mit dem ganz neuen

Urteil

des BVerfG - 2 BvR 2347/15 zur Sterbehilfe, das ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben festsetzt, einigen Gegenwind erfahren. Nach der Gegenansicht, soll eine Berechtigung nur dann in Frage kommen, wenn sich der Selbstmörder nach 104, 105 BGB in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand befindet, bzw. der entgegenstehende Wille nicht ernsthaft ist (Apell

selbstmord

).

DAN

Dankra01

12.2.2022, 02:19:32

Alternativ kann man die

Sittenwidrigkeit

des Suizids auch sicherlich über den Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden begründen, oder?

JO

jomolino

29.3.2022, 17:07:50

Und ggfs kann man es darauf stützen, dass es für einen nur zufällig vorbeikommenden dritten kaum einschätzbar sein dürfte ob die suizidale Person in freiem Willen oder einem solchen ausschließenden Zustand handelt.

Simon

Simon

17.6.2022, 23:43:22

Mit Blick auf den letzten Beitrag: Ich würde -auch wenn obj. nicht erkennbar ist, ob sich der Suizident in einem Zustand nach §§ 104 Nr. 2, 105 I respektive in einem solchen nach § 105 II befand/befindet- nicht zu einer berechtigten GoA kommen. § 683 S. 1 stellt primär auf den wirklichen (und geäußerten) Willen des GH ab. Begeht jmd. einen Suizidversuch, so bringt er seinen wirklichen Willen entgegen seiner Rettung zum Ausdruck. Dass sich ein obj. Beobachter nicht sicher sein kann, ob dieser Wille wirksam war, ändert nichts daran, dass -iFd tatsächlichen Wirksamkeit- ein entgegenstehender Wille des GH vorlag. Hier geht es mE nicht um eine Auslegung (analog) § 133, vielmehr setzt eine Auslegung eine wirksame

rechtsgeschäftsähnliche Handlung

(hier: den geäußeren Willen des GH) voraus. Die Auslegung kann eine Wirksamkeit jedoch nicht in eine Unwirksamkeit verwandeln. Freilich bleibt die GoA eine "echte" und stellt damit eine RF des GF dar. Dieser dürfte (wegen § 680) idR auch nicht nach § 678 zum SE verpflichtet sein. Einen Aufwendungsersatz kann er hingegen nicht verlangen. Das Risiko, entgegen dem wirklichen Willen des GH zu handeln weist § 683 mit Blick auf den Aufwendungsersatz dem GF zu.

N00B

n00b

28.8.2022, 11:56:22

Ihr solltet sen Begriff "

Selbstmord

" durch Suizid ersetzen. Kein Mensch suizidiert sich selbst Heimtückisch usw. finde das eher umgangssprachlich. Selbstmörder = Suizident

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

18.2.2025, 15:46:40

Hey in die Runde, danke für die vielen Anmerkungen, die wir jetzt in der Aufgabe berücksichtigt haben. Insbesondere hinsichtlich des „Recht auf selbstbestimmten Sterbens“ und des Wordings. Viele Grüße! Linne, für das Jurafuchs-Team

CAR

Carl

11.12.2020, 19:05:43

Ist das auch nach der BVerfG Entscheidung zu § 2

17 StGB

noch so?

w.laura.l

w.laura.l

14.12.2021, 20:41:14

Würde mich auch interessieren. M.E. ist heute schwer vertretbar, dass der ernsthafte Wille zum

Bilanzsuizid

sittenwidrig sein soll. Zumal für

§ 679 BGB

keine sittlichen Pflichten ausreichen sollen und über die Analogie diese Überlegung einfach ausgehebelt wird. Wenn ich mich recht erinnere, ist das Problem im Wandt recht gut erklärt.

SN

Sniter

22.12.2023, 13:49:27

Hi, im Lehrbuch von Wandt zu den gesetzlichen

Schuldverhältnis

sen gibt es eine Aufschlüsselung nach Appell-Suizidversuch, sog.

Bilanzsuizid

und Suizidversuch, der im Zustand geistiger Störungen getroffen wurde. Hier wird auch auf das

Urteil

des BVerfG eingegangen.

LEXA

lexahufnagel

30.1.2025, 22:12:32

Gute Frage! Wegen der Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG haben wir in der Uni gelernt, dass ein Suizidwille nicht als Verstoß gegen die

öffentliche Ordnung

i. S. d.

§ 679 BGB

gewertet werden kann. Stattdessen werden wohl zwei Lösungsmöglichkeiten vertreten: (1) Anwendung des § 105 BGB analog, da der Suizidwille in der Situation oftmals im Rahmen eines die freie Willensbildung beeinflussenden Zustands geäußert wird; (2) Anwendung des § 138 BGB

BI

Bilbo

12.2.2025, 10:59:26

@[Carl](1633) @[w.laura.l](106744) @[Sniter](188129) @[lexahufnagel](200465) Zitat aus NK-BGB/Martin Schwab, 4. Aufl. 2021,

§ 679 BGB

, Rn. 13 zum ernst gemeinten und in freier Willensentschließung vollzogenen Suizidversuch: "Die Anwendung des § 679 ließe sich überzeugend begründen, wenn den Menschen eine im öffentlichen Interesse liegende Pflicht träfe, von einem

Selbsttötung

sversuch abzusehen. Einer solchen Handhabung ist aber durch das Sterbehilfe-

Urteil

des BVerfG der Boden entzogen: Darin hat das BVerfG ein grundrechtlich verbürgtes Recht auf selbstbestimmtes Sterben und damit auch auf

Selbsttötung

anerkannt. Aus dem gleichen Grund ist es nicht mehr möglich, den der Rettung entgegenstehenden Willen des Suizidenten deshalb für unbeachtlich zu erklären, weil dieser Wille gegen die guten Sitten verstoße. Eine Handlung, die das Grundgesetz als Ausübung eines Grundrechts legitimiert, kann vom Anwender des Privatrechts nicht als sittenwidrig gebrandmarkt werden. Es bleibt in der Tat nur das unerfreuliche Ergebnis, dass dem Retter gegen den Suizidenten keine Ansprüche aus §§ 683, 670 zustehen." Mit anderen Worten, die Aufgabe müsste m.E. überholt werden. @[Lukas_Mengestu](136780)

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

18.2.2025, 15:49:00

Hey in die Runde, danke für eure Auseinandersetzung mit diesem relevanten Thema. Die Kritik der Rspr. des BGH zur Analogie des

§ 679 BGB

in diesem Fall halte ich für mehr als angebracht und es ist wichtig, sich mit dieser auseinanderzusetzen. Wir haben die Aufgabe entsprechend überarbeitet. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

Edward Hopper

Edward Hopper

27.7.2022, 21:52:28

Erinnert so ein bisschen an den animationsfilm The Incredibles. Da hat auch das Opfer den Retter verklagt. Spaß bei Seite, finde das sehr kritisch. Hier wird die Menschenwürde tangiert, wenn man sagt dass suizif sittenwidrig sei.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.7.2022, 20:03:20

Hallo Edward, die Themen Suizid und Sterbehilfe sind in der Tat recht kontrovers, weswegen die pauschalierende Lösung der hM hier in der Tat etwas verwundern kann. Aus diesem Grund gibt es auch Ansätze, die hier einen differenzierteren Blick wählen und zB zwischen dem

Appellsuizid

und dem

Bilanzsuizid

unterscheiden. Während es im ersteren Fall dem Suizident gerade um seine Rettung geht (Stichwort: Aufmerksamkeit), so ist der Suizident im letzteren Fall voll Geschäftsfähig und der Wunsch zu sterben entspricht seiner autonomen Entscheidung. Nach diesem differenzierteren Ansatz wäre ein

Aufwendungsersatzanspruch

aus berechtigter GoA deshalb zu versagen, da der entgegenstehende Wille nicht ohne weiteres als unbeachtlich deklariert werden kann (mehr dazu: MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, BGB § 683 Rn. 22). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Kai

Kai

8.2.2024, 20:29:13

Wie sieht es denn mit dem

Fremdgeschäftsführungswille

n aus, wenn der Geschäftsführer zur Rettung verpflichtet ist, z.B. als Bademeister? In Anbetracht der Fälle oben zu diesem Thema würde ich den FGW eigentlich verneinen, da er das Geschäft in Erfüllung seiner Verpflichtung als eigenes führt. Es wäre aber im Ergebnis irgendwie widersinnig, dem Dritten einen GoA-Anspruch zu geben, dem Bademeister aber nicht, zumal der Bademeister sich ja nicht gegenüber dem Geretteten zur Rettung verpflichtet hat, sondern den Vertrag mit jemand anderem geschlossen hat.

LELEE

Leo Lee

10.2.2024, 20:01:03

Hallo Kai, vielen Dank für diese sehr gute und wichtige Frage! In der Tat ist der Bademeisterfall kein einfacher, da er allen voran auch deshalb einschreitet, weil er vertraglich verpflichtet ist. Dieser Fall ist schließlich etwas vergleichbar mit dem Fall des Abschlappunternehmers, der im Auftrag des Grundstückeigentümers den Wagen des Falschparkers abschleppt. Hierfür gibt es die Sondergruppe des sog. PFLICHTGEBUNDENEN Geschäftsführers. Dieser Geschäftsführer nimmt neben einem fremden Geschäft (was bei einer Rettung erstmal vorliegt) auch eigene privat- oder öffentlich-rechtliche Pflichten ggü. dem Geschäftsherren oder Dritten wahr --> also wie bei dem Badmeister! Bei einer solchen Konstellation ist es zunächst umstritten; allerdings nimmt die Rspr. hier grds. ein „auch-fremdes“ Geschäft an. Allerdings wird dies wiederum lt. BGH insoweit eingeschränkt, als die GoA dann unanwendbar ist, wenn zw. dem Geschäftsführer (Bademeister) und dem Dritten vertraglich die Entgeltfrage abschließend geregelt ist! Hingegen lehnt die Gegenauffassung ein fremdes Geschäft ab; eine solche Behandlung würde schließlich die Relativität durchbrechen und den Vertrag zw. dem Geschäftsführer und dem Dritten (Bademeister – Arbeitsgeber) zum Vertrag zu Lasten Dritter machen. Du sieht aber: Deine Beobachtungen und Ideen sind im Grunde die Argumente, die für/gegen das fremde Geschäft sprechen; du hast also den Streit schon mal „getroffen“ und dir vor allem selbst erarbeitet (das ist schon eine Errungenschaft, die nicht selbstverständlich ist und auf die du stolz sein kannst!) :). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 677 Rn. 47 und Seite 9 des frei zugänglichen Skripts der Uni Passau zur GoA sehr empfehlen (findest du hier unter: https://studip.uni-passau.de/studip/sendfile.php?type=0&file_id=4a0603514550c0a6344ac6e3594759ca&file_name=Skript+GoA.pdf) :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Kai

Kai

10.2.2024, 21:21:33

Danke für die super ausführliche Antwort, erklärt alles sehr gut!

CR7

CR7

27.6.2024, 10:16:18

Es sei noch erwähnt, dass eine nachträgliche Genehmigung des Suizidenten nach § 684 S. 2 BGB den Streit entbehrlich macht :)

AS

as.mzkw

4.10.2024, 16:11:45

Stimmt in der Theorie, jedoch schwer vorstellbar, dass derjenige, der den Entschluss gefasst hat nicht mehr leben zu wollen, dann auch noch für die Aufwendungen seiner Rettung aufkommen möchte.

FR

friedrichbarz

16.12.2024, 09:19:30

§ 134 BGB kann keine Anwendung finden, weil es keine Norm gibt, die eine

Selbsttötung

verbietet; auch kann § 138 BGB nicht immer Anwendung finden, weil nicht jeder Suizid sittenwidrig ist, siehe Schwerkranker, der mit weiteren Behandlungen finanziell seine Erben belastet. die Meinung überzeugt mich deshalb nicht :(


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