Mord (§ 211 StGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A will endlich mal einen Menschen sterben sehen. Zu diesem Zweck möchte er seinen Nachbarn B mit mehreren Messerstichen töten. Er sticht 25-mal auf B ein. B verblutet.
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Einordnung des Falls
Mord (§ 211 StGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Jeder Totschlag (§ 212 StGB) ist zugleich ein Mord (§ 211 StGB).
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. A hat B aus Mordlust (Mordmerkmal 1. Gruppe) getötet. Er ist strafbar wegen Mordes (§ 211 StGB).
Genau, so ist das!
3. Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft (§ 211 Abs. 1 StGB). Dies bedeutet, dass A bis an sein Lebensende eine Haftstrafe verbüßen wird.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Das Gericht kann nach einiger Zeit die Vollstreckung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe unter bestimmten Voraussetzungen zur Bewährung aussetzen.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Max.S
20.1.2022, 02:48:57
Ist die lebenslange Freiheitsstrafe nicht an die 25 Jahre???
Marilena
20.1.2022, 08:25:02
Guten Morgen Max.S, herzlich willkommen bei Jurafuchs und danke für die Frage! 25 Jahre können es durchaus werden, wenn im Urteil über die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe zusätzlich die besondere Schwere der Schuld festgestellt worden und daher die Weitervollstreckung
gebotenist. Die besondere Schwere der Schuld ist anzunehmen, wenn gegenüber vergleichbaren Taten ein deutlich höheres Maß an Schuld vorliegt – aufgrund der Tat (mehrfacher Mord, erbarmungslose Brutalität, höchst
grausame bzw. qualvolle Behandlung des Opfers), der Motive (besondere
Verwerflichkeit) oder der Täterpersönlichkeit (abartige sexuelle oder gewalttätige Neigungen). Es gibt aber keine gesetzliche Normierung dieses Begriffes, die Gerichte müssen sich an den Urteilsbegründungen des BGH orientieren. Die Strafvollstreckungskammer legt normalerweise nach rund 13 Haftjahren fest, wie viel Strafe zusätzlich zur Mindesthaftdauer von 15 Jahren noch verbüßt werden muss, bis der Verurteilte auf Bewährung entlassen werden kann – falls dies dann unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Dabei gibt es weder eine feste Unter- noch eine feste Obergrenze. 25 Jahre sind also nicht der Regelfall, wie auch diese Statistik zeigt: Die Kriminologische Zentralstelle erhebt seit 2002 jährlich Daten zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Demnach wurden von 2002 bis einschließlich 2015 insgesamt 760 Personen regulär (also nach § 57a StGB) aus einer lebenslangen Haft entlassen. Im Durchschnitt waren sie 18,9 Jahre in Haft (Median: 17,0), 13 % von ihnen länger als 25 Jahre (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Lebenslange_Freiheitsstrafe#Gesetzliche_Regelung_der_vorzeitigen_Freilassung). Liebe Grüße Marilena für das Jurafuchs-Team
Philipp Paasch
20.5.2022, 00:10:43
Hallo und vielen Dank für die kurze Übersicht. Ihr habt hier den Totschlag als "Normalfall" der Tötungsdelikte bezeichnet. Das ist zumindest recht umstritten. Vielleicht könntet ihr zumindest ein "nach h.L." anfügen. Es gibt auch andere Stimmen. So geht Sachs davon aus, dass Mord und Totschlag nur zeigen sollen, dass der Grundsatz du sollst nicht töten damit im Gesetz einen Ausdruck findet. Und beide Nomen sind nur dessen Sanktionen. Küper wiederum diskutiert, den Mord als Normalfall anzusehen. Der BGH geht von einer Selbständigkeitsthese aus.
Lukas_Mengestu
22.5.2022, 15:19:35
Vielen Dank für Deinen wichtigen Hinweis, Philipp. In der Tat ist das Verhältnis zwischen Mord und Totschlag nach wie vor stark umstritten. Während die herrschende L
ehreden Totschlag als Grunddelikt und den Mord als Qualifikation einstuft, so geht der BGH davon aus, dass es sich hierbei um zwei selbstständige Delikte handelt. Hierauf gehen wir auch in den Lektionen zum Totschlag/Mord ein und insbesondere auf die Konsequenzen, die daraus erwachsen (insb. hinsichtlich der Anwendung § 28 StGB). Im Kurs "Allgemeinbildung Recht" wollen wir juristische Inhalte auch einem breiteren Publikum zugänglich machen. Auf diesen spezifischen Streit kommt es hier nicht an. Hier geht es primär darum zu verstehen, dass sich der Mord tatbestandlich vom Totschlag dadurch unterscheidet, dass zusätzlich zur Tötung eines Menschen auch ein spezifisches Mordmerkmal vorliegen muss. Zur Vertiefung empfiehlt sich dann der systematische Kurs zu den Tötungsdelikten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Mario Schmidt
24.7.2022, 10:33:54
Philipp Paasch
24.7.2022, 14:55:33
Kommt drauf an.
Philipp Paasch
24.7.2022, 16:01:53
Mord in der Fassung vor dem 15.09.1941 behinaltete das Merkmale der Überlegung. Beim jetzigen benötigen wird
Vorsatzauch bzgl. der (objektiven) Merkmale der 2. Gruppe. Bei denen der 1. und 3. Gruppe handelt es sich ohnehin um subjektive Merkmale, die vorliegen müssen.
Mario Schmidt
24.7.2022, 10:27:33
Und wie sieht das mit anschliessender SV (Sicherungsverwahrung) aus und wie läuft dieses Procedere ab?
Nora Mommsen
3.8.2022, 14:59:55
Hallo Mario Schmidt, unter bestimmten Voraussetzungen kann diese gem. § 66 StGB bei Erlass des Urteils angeordnet werden. § 66 b StGB erlaubt nur in zwei eng umgrenzten Ausnahmefällen die nachträgliche Anordnung einer Sicherungsverwahrung. Dabei ist die Sicherungsverwahrung ultima ratio und muss sich gemäß dem von der Rechtsprechung entwickelten "Abstandsgebot" vom normalen Strafvollzug unterscheiden, eben weil es keine Strafe mehr ist. Zusätzlich wird die Sicherungsverwahrung in sich immer kürzer aufeinanderfolgenden Intervallen überprüft, um die Verhältnismäßigkeit sicherzustellen. Des Weiteren muss die Sicherungsverwahrung therapiegerichtet gestaltet sein, damit sie ihren präventiven Charakter erfüllt. Ist deine Frage damit beantwortet? Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Pilea
5.1.2023, 10:51:44
Da es um juristische Allgemeinbildung geht, würde ich hier mit reinnehmen, dass es nicht um die Unterscheidung 'Absicht/keine Absicht' geht, sondern beide Delikte grds. vorsätzlich begangen werden.